Kampf gegen Kindersex-Tourismus zwingt erste Hotels in die KnieVon Romeo Regenass. Aktualisiert am 06.11.2009
Kuoni und Hotelplan haben ein halbes Dutzend Hotels im thailändischen Pattaya aus dem Angebot gekippt.
Kinder als Ware: An vielen Orten in Thailand können sich Pädophile junge Mädchen und Jungen aussuchen.
Kinder als Ware: An vielen Orten in Thailand können sich Pädophile junge Mädchen und Jungen aussuchen.
Bild: Keystone
Es sind schockierende Bilder, die die Sendung «Rundschau» des Schweizer Fernsehens im letzten April gezeigt hat: Mühelos kam ein Reporter in Thailand über Hotelangestellte an Minderjährige ran, die sich für Geld prostituierten. Und das in Vertragshotels der Schweizer Veranstalter Kuoni und Hotelplan, die offiziell seit mehreren Jahren gegen die sexuelle Ausbeutung ankämpfen. Sie haben den Verhaltenskodex der internationalen Organisation Ecpat unterschrieben, zu dem sich weltweit 900 Reiseagenturen bekennen.
Inzwischen haben beide Veranstalter die Konsequenzen gezogen: «Wir haben fünf Hotels in Pattaya aus dem Angebot gestrichen», sagt Matthias Leisinger, bei Kuoni zuständig für Nachhaltigkeit und Soziales. Die betroffenen Manager hat er persönlich getroffen. Sie hätten nun ein Jahr Zeit, um eine Reihe von Massnahmen umzusetzen. «Passiert dies, prüfen wir im Sommer 2010 eine erneute Aufnahme ins Programm.» Hotelplan, der Schweizer Pionier in der Bekämpfung von Kinderprostitution, hat in Pattaya ebenfalls zwei Hotels aus dem Programm gekippt. Schon früher hatten die beiden Veranstalter ein Hotel in Bulgarien und zwei in Kenya aus dem Angebot gestrichen.
Um dem Kodex nachhaltig Achtung zu verschaffen, führten Kuoni und Hotelplan zusammen Workshops für alle Partnerhotels im thailändischen Badeort durch. Pattaya gilt seit Jahrzehnten als Sexdestination, Sex mit Minderjährigen hat eine lange, traurige Tradition. Kuoni lud aber auch in Kerala und Goa in Indien Hotels zu Workshops ein. «In Südostasien ist Kinderprostitution ein gesellschaftliches Problem und darum teilweise auch offensichtlicher als anderswo», sagt Leisinger. Doch das Problem habe globale Dimensionen: Weitere Brennpunkte seien Lateinamerika, Afrika und auch Osteuropa.
Meldeformular im Internet
Beim Bundesamt für Polizei (Fedpol) in Bern, das seit einem Jahr Meldungen über den Verdacht des Kindersextourismus entgegennimmt, betreffen allerdings die meisten Meldungen ebenfalls Südostasien, konkret Kambodscha, Indonesien und Thailand. Ein Formular auf http://www.stop-childsextourism.ch ermöglicht Touristen, verdächtige Beobachtungen zu melden.
Nach gut einem Jahr zieht das Fedpol eine positive Bilanz: Rund ein Dutzend Meldungen mit klaren und inhaltlich wertvollen Informationen sind in Bern eingegangen. Zu Verhaftungen oder Verurteilungen kam es laut Sprecherin Eva Zwahlen bisher nicht. Immerhin sei bereits ein Verfahren eröffnet worden, vier Fälle sind in Abklärung.
Mühsame Ermittlungen
«Damit ein Täter überführt werden kann, müssen genügend Informationen und Beweise vorliegen oder aber der Täter muss auf frischer Tat ertappt werden», so Zwahlen. Einer Überführung gehen meistens lange Ermittlungen voraus: Eingegangene Meldungen werden geprüft. Sind alle dienlichen Angaben vorhanden, werden sie an die zuständige in- oder ausländische Polizeibehörde weitergeleitet. Im Fall einer Verhaftung eines Täters im Ausland entscheiden ebenfalls die zuständigen örtlichen Behörden über das weitere Vorgehen. «Die oft schleppende Kooperation mit den ausländischen Behörden erschwert unsere Arbeit», erklärt die Sprecherin von Fedpol.
Die Reiseveranstalter haben keine Ahnung, auf welche Hotels sich die bei Fedpol eingegangenen Meldungen beziehen. «Ein Dialog wäre aber sinnvoll», sagt Kuoni-Mann Leisinger. André Lüthi von Globetrotter ist gleicher Meinung: «Ich weiss, dass Kunden von uns das Formular benutzt haben. Da wäre es nützlich, über die betroffenen Hotels informiert zu werden.» Dem entgegnet das Bundesamt für Polizei, man habe bis jetzt keine Häufung einzelner Hotels oder Tour Operators festgestellt. «Wäre dem so, würde Fedpol selbstverständlich reagieren.»
Schweizer Bevölkerung sensibilisiert
Wie eine aktuelle Umfrage der Stiftung Kinderschutz Schweiz zeigt, ist die hiesige Bevölkerung auf das Thema sensibilisiert. Allerdings vertritt jeder fünfte Befragte die Ansicht, Kindersextourismus sei zwar moralisch nicht vertretbar, werde aber als Kavaliersdelikt geduldet. Fast jeder Dritte ist zudem der Meinung, bei den Tätern handle es sich meist um Pädophile.
«Hier müssen wir noch Aufklärungsarbeit leisten», sagt Cordula Sanwald, Sprecherin von Kinderschutz Schweiz. «Es geht meist um Gelegenheitstäter, die in der Anonymität eines fremden Landes den besonderen Kick suchen.» Und: «Die kommerzielle Ausbeutung von Minderjährigen im Tourismus ist kein Kavaliersdelikt. Sie ist eine Sexualstraftat, die im Kontext von sexueller Gewalt, Kinderprostitution, Kinderhandel und Kinderpornografie steht.»
Basler Zeitung 6. Nov. 2009