Die mörderische Rebellion
Due Lok Mano - In den Schlaglöchern der Hauptstraße des Dorfes Due Lok Mano wuchert das Unkraut. Ein paar Kinder spielen im Schatten der einzigartigen Wadi-Al-Hussein-Moschee, die 1624 ohne einen einzigen Nagel aus Malabar-Holz im javanischen Stil gebaut wurde. Das 300 Jahre alte Gotteshaus nahe der Stadt Narathiwat im Süden Thailands war mal eine Touristenattraktion. „Seit Anfang 2004 kommt fast niemand mehr“, sagt der 46-jährige Mohammed Yakoub, der mit ein paar anderen Männern des Dorfes vor einem Laden neben der Moschee hockt.
Einer von ihnen reicht eine Packung Daun Rokok herum, dünne, mit Mangrovenbaumblättern gedrehte Zigaretten, die nur ein paar Cent kosten. Es ist Regenzeit, die Arbeit auf den Reisfeldern liegt deshalb brach, und Kautschuk sammeln können sie nur, wenn es mal zwei Tage lang nicht geregnet hat. „Aber wir hatten seit Beginn des Konflikts Anfang 2004 noch kein Sicherheitsproblem“, sagt Yakoub.
Angst haben die Bewohner des kleinen Dorfes dennoch. Das Gespräch verstummt, als ein paar junge Männer auftauchen. Niemand kennt sie, und deshalb will aus Vorsicht niemand reden. Die Männer vor dem Laden von Due Lok Mano wissen allzu gut, wie schädlich es sein kann, wenn sie den Mund zu voll nehmen. In den 70er und 80er Jahren versteckten sich in den steilen, dichtbewaldeten Hügeln des Nationalparks hinter dem Dorf die Separatisten von Pulo, einer moslemischen Rebellengruppe, die für die Unabhängigkeit der 1902 von Thailand annektierten drei Südprovinzen Narathiwat, Yala und Pattani von Bangkok kämpften. Razzien der Sicherheitskräfte waren damals an der Tagesordnung.
Pulo gab ihren Kampf längst auf. Aber seit Januar des Jahres 2004 tobt wieder ein Kleinkrieg in den drei überwiegend von malaiischstämmigen Moslems bewohnten Südprovinzen, der mittlerweile fast 2000 Todesopfer gefordert hat. „Früher hatten die Rebellen Uniformen und feste Stiefel“, erinnert sich ein paar Kilometer von Due Lok Mano entfernt Abdul Rahman, eines der führenden Mitglieder des „Islamic Council“ von Narathiwat, neben seiner aus Fertigbeton gebauten Moschee, „heute sehen sie so aus wie jedermann, und sie verstecken sich in Dörfern.“
Darüber hinaus, so behauptet der Mullah, könne niemand sagen, bei wem es sich um die Militanten handele. Ihre genaue Führungsstruktur ist ein Rätsel. Die Rebellen haben sich nicht einmal einen Namen gegeben. Aber sie pflegen einen tiefen Hass auf die thailändische, sprich buddhistische Herrschaft aus Bangkok. Sie hoffen auf einen islamischen Staat samt islamischer Gesetzgebung. „Tief im Herzen“, davon ist Rahman überzeugt, „wollen die Leute hier alle die Unabhängigkeit von Bangkok.“
„Das wird nie zu Ende gehen“, sagt Virawat Wattananayakorn, Mitglied der Handelskammer in der Stadt Narathiwat. Unter dem weiten Hemd mit fröhlichem Blumenmuster trägt der Betreiber einer Eisfabrik, die Narathiwats Fischer versorgt, einen Revolver am Hosenbund. Wenn Virawat redet, klingt das manchmal, als ob er sein Magazin leert: „Die Regierung lässt uns im Stich, dem Gesetz wird keine Geltung verschafft. Da ist es doch kein Wunder, wenn manche von uns zu den Methoden von Vigilanten greifen.“
Virawat gehört zu der thai-chinesischen Minderheit in Narathiwat. Sie stellt rund 15 Prozent der Bevölkerung in dem kleinen Hafenort. „Aber wir werden immer weniger“, sagt der Vater von zwei Kindern, „ich bin richtig sauer.“ Es gibt wenig Leute, die im Süden Thailands noch so offen ihre Meinung sagen. Denn längst trifft die Gewalt nicht mehr nur Soldaten, Polizisten oder Beamte. In vielen Dörfern werden gezielt die Geschäfte „thailändischer“ Besitzer das Ziel von Anschlägen.
„Wenn einer von uns ermordet wird, ziehen die anderen lieber weg“, schildert Virawat das Leben der Minderheit im moslemisch dominierten Süden. Dörfer, in den mehrheitlich Buddhisten leben, unternehmen wiederum alles, um die wenigen Moslems des Ortes zu vertreiben. Rund 100 Schulen wurden während des vergangenen Jahres niedergebrannt. Knapp 70 moslemische und buddhistische Lehrer wurden ermordet.
Zwölf neue Todesopfer
Voller Zorn erzählt Virawat von zwei buddhistischen Lehrern in der Stadt Yala, die kurz vor Weihnachten auf offener Straße angegriffen, verprügelt und dann bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. „Die Militanten haben eine Schura, einen Rat, der solche Angriffe beschließt“, sagt ein moslemischer Geschäftsmann in Yala, der seinen Namen nicht nennen möchte.
Dann schildert er die Vorgeschichte der grausamen Morde aus Sicht der malaiischen Mehrheit im Süden. Ein moslemischer Lehrer sei wenige Tage vorher angegriffen und verletzt worden, als er seine kleine Obstplantage in der Nähe eines buddhistischen Dorfes besuchen wollte. Während die Verwandten des Täters mit der Familie des Opfers noch über finanzielle Entschädigung verhandelten, starb der Mann an den Folgen der Verbrennungen, die er erlitten hatte. Die Rache folgte umgehend.
Von Tag zu Tag, so scheint es, wird der Konflikt zwischen Moslems und Buddhisten brutaler. Allein in den vergangenen Tagen forderte er zwölf Todesopfer. Längst gibt es Regionen in den drei Südprovinzen, in die sich das Militär nicht mehr hineintraut. „Die Kämpfer haben inzwischen ihre Leute in fast allen Ortschaften“, sagt einer ihrer Anhänger. Dieses Jahr, so lassen die Untergrundkämpfer dort wissen, werden sie ihre Aktionen noch verstärken und die Sicherheitskräfte vermehrt angreifen.
Ein Verhandlungsangebot der Generäle lässt die Rebellen bislang kalt. „Die wollen doch nur, dass wir Thailänder werden“, begründet einer ihrer Anhänger die ablehnende Haltung gegenüber Gesprächen. Die Regierung bestehe darauf, dass die Moslems im Süden, die Malaiisch sprechen, Thai lernen und Weisungen aus Bangkok befolgen.
„Weder die gewählte Regierung noch die Militärs hören richtig zu, wenn die Leute hier über ihre Anliegen reden“, sagt Abdul Rahman vom „Islamic Council“ in Narathiwat. „Alle reden von »Samanchan«, von Versöhnung“, schimpft dagegen der thai-chinesische Geschäftsmann Virawat, „wie soll man sich mit Terroristen versöhnen?“