Anschlag in BangkokBombenterror schreckt Thailands Abwiegler aufAnschlagsort: Die Polizei untersucht ein von der Explosion beschädigtes Taxi
Was steckt hinter dem Attentat in Bangkok: die Hisbollah, Extremisten aus Iran - oder doch ein Angriff auf die Tourismusbranche des Landes? Offiziell wollen die thailändischen Behörden von systematischem Terror in ihrem Land nichts wissen. Doch die Sicherheitskräfte sind alarmiert. Der Anschlag kam zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt für Thailands Mächtige. Vor einem Monat hatten sich die Behörden noch empört, weil die USA eine Terrorwarnung für Bangkok herausgegeben hatten: Hisbollah-Aktivisten hätten Bangkok ins Visier genommen, erklärte die US-Botschaft damals aufgrund israelischer Geheimdienstinformationen - und warnte die US-Bürger dringend vor Reisen nach Bangkok. Und nun das: Am Dienstagnachmittag explodierten in der Sukhumvit, einer der belebtesten Straßen der thailändischen Hauptstadt, zwei Bomben.
Die Verwirrung war zunächst groß, die Informationen widersprüchlich. Erst am späten Abend kristallisierte sich der Tatablauf heraus: Eine erste Explosion erschütterte nach Polizeiangaben mitten in der Hauptverkehrszeit ein Mietshaus in einer Seitenstraße der Sukhumvit. Teile des Daches flogen in die Luft. Später entdeckte die Polizei in dem Haus, in dem sich drei Männer - vermutlich Iraner - eingemietet hatten, noch weitere Sprengsätze.
Zwei Männer waren nach der ersten Explosion geflohen. Der dritte, dessen Namen die Polizei mit Saeid Moradi angibt, war offenbar bei der Explosion verwundet worden. Er folgte den anderen beiden Männern etwas später, versuchte, ein Taxi anzuhalten, und warf dann einen Sprengsatz - vermutlich eine Handgranate - auf den Taxifahrer, weil der sich geweigert hatte, den blutüberströmten Mann mitzunehmen. Der Fahrer wurde verletzt.
Die Polizei, die zur Zeit Präsenz in Bangkoks Straßen zeigt, war schnell zur Stelle. Moradi, der nach ersten Ermittlungen am 8. Februar von der Ferieninsel Phuket nach Bangkok gekommen war, versuchte in der Nähe einer Schule, einen weiteren Sprengkörper auf die Polizisten zu werfen, die ihn verfolgten. Doch der prallte an einem Baum ab und riss dem Attentäter beide Beine ab. Drei Passanten wurden verletzt und - ebenso wie der Taxifahrer - in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht. Der zweite der drei Verdächtigen konnte am internationalen Flughafen Bangkok festgenommen werden. Er hatte versucht, mit einem Air-Asia-Flug nach Malaysia zu entkommen. Der dritte Verdächtige ist flüchtig.
Hauptziel ausländische Touristen?Die thailändischen Behörden reagierten aufgeschreckt und hochnervös auf die Explosionen, die sich einen Tag nach einem Bombenanschlag auf Fahrzeuge israelischer Diplomaten in Indien und in Georgien ereigneten. Ein Zusammenhang zwischen diesen Attentaten und den Explosionen in Bangkok besteht nach Ansicht der thailändischen Polizei allerdings nicht. Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Jigal Palmor, betonte hingegen: "Wir können nichts ausschließen."
Auffällig ist, dass der Vorfall sich nur vier Häuserblocks von der israelischen Botschaft entfernt abspielte. Die thailändische Regierungssprecherin Thitima Chaisaeng warnte jedoch vor voreiligen Rückschlüssen und erklärte, die Polizei müsse erst herausfinden, welche Ziele die drei Männer verfolgt hätten, und ob sie möglicherweise ein Attentat oder einen Selbstmordanschlag vorbereitet hätten.
Einen Zusammenhang mit der Festnahme eines Schweden libanesischer Herkunft im vergangenen Monat schließt die thailändische Polizei aus. Der israelische Geheimdienst hatte die USA und die thailändische Regierung am 22. Dezember vor einer Terrorzelle der Hisbollah in Bangkok gewarnt, die Anschläge auf touristische Zentren in der thailändischen Hauptstadt plane. Am 8. Januar wiederholten die israelischen Behörden ihre dringende Warnung. Die USA reagierten prompt und warnten ihre eigenen Bürger vor Reisen nach Bangkok: Terrorgruppen planten Anschläge in Thailands Hauptstadt. Ziel seien hauptsächlich ausländische Touristen. Zehn weitere Staaten schlossen sich der Warnung an.
Die Amerikaner warnen vor Terrorgefahr - die Thailänder wiegeln abDoch Thailands Offizielle wiegelten wieder einmal ab. Nachdem die Tourismuszahlen bereits nach den blutigen Unruhen im Frühjahr 2010 und nach dem Hochwasser im vergangenen Jahr zurückgegangen waren, fürchteten sie mitten in der Hauptreisezeit erneute Einbrüche bei den Besucherzahlen. "Wir haben alles unter Kontrolle", erklärte Vize-Premier Chalerm Yubamrung seinerzeit großspurig.
Kurz darauf wurde allerdings ein Schwede libanesischer Herkunft mit Namen Atris Hussein festgenommen, als er gerade das Land verlassen wollte. Ein weiterer Mann konnte entkommen. Die Behörden gehen davon aus, dass beide zur Hisbollah gehören. Die Organisation selbst bestreitet das allerdings. In einem Lager, das die beiden in Bangkok gemietet hatten, entdeckte die Polizei nach Husseins Festnahme große Mengen Chemikalien, aus denen Bomben hergestellt werden können - insgesamt mehr als 4000 Kilo.
Hussein gab zu, dass er und ein Mitstreiter Attentate an touristischen Brennpunkten in Bangkok geplant hätten. Nach seiner Festnahme seien jedoch alle Attentatspläne abgeblasen worden. Trotz des Geständnisses des Schweden tönte Thailands oberster Polizeichef, Priewpan Damapong: "Es hat niemals die Gefahr eines Anschlags bestanden." Thailand sei, wenn überhaupt, nur ein Transitland für Terroristen.
Den USA warfen die Thailänder Panikmache vor und beklagten, dass die Reisewarnung ohne vorherige Absprache mit ihnen herausgegeben worden war. Doch die Amerikaner blieben hart. Sie haben ihre Reisewarnung trotz mehrfachen Drängens der Thailänder bis heute nicht zurückgezogen. Stattdessen veröffentlichten sie nach den jüngsten Explosionen in Bangkoks Innenstadt eine neue Warnung an ihre Bürger.
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