Dunkelheit im Isaan

In diesem Kapitel spielen die Menschen aus dem Isaan die Hauptrolle. Gehen Sie mit auf die Reise und erfahren Sie, wie das Leben im Isaan ist, welche alten Bräuche überliefert wurden und lesen Sie etwas darüber, was hier das Leben angenehm aber manchmal auch so beschwerlich macht. Vieles lesen Sie in den Artikeln zwischen den Zeilen und Sie werden auch einiges erfahren, worüber sonst nichts oder nur wenig berichtet wird.
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koratwerner (†2012)
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Dunkelheit im Isaan

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Sa Dez 19, 2009 8:23 pm

Ban Kha, das ist ein kleines Dorf im Isaan, in der Provinz Nakhon Ratchasima, in dem vielleicht 150 bis 200 Menschen wohnen, die vom Reisanbau und der Unterstützung ihrer Kindern leben, die im 50 km entfernten Korat oder noch weiter weg, eine Arbeit gefunden haben.

Ban Kha ist ein Isaandorf, wie es hier tausende andere gibt und doch bin ich häufig dort, denn da wohnt mein Freund Lutz mit seiner Bua und deren Familie, die sich immer freuen, wenn Don und ich mal bei ihnen vorbeischaue.

In Ban Kha, diesem verwahrlost aussehenden Ort, steht aber immerhin ein Wat, dessen einziger Mönch, der als Abt fungierte, vor zwei Jahren dahingeschieden ist. Lange war diese Funktion vakant, doch dann gelang es den Bewohnern einen Wandermönch zu überreden, bei ihnen zu bleiben.

Ein netter Mensch ist das, erzählt mir Lutz, gebildet und den Dorfbewohnern gegenüber sehr aufgeschlossen und hilfreich. Der besucht sogar die Kranken und steht den Menschen auch mit weltlichem und geistlichem Rat bei, wenn sie Probleme haben.

Nun wurde dieser Abt vor einigen Tagen von seinen Oberen zu einem größeren Wat geordert, in dem zusammen mit anderen Mönchen und den dortigen Gläubigen Meditationstage stattfanden.

Ich habe keinen blassen Schimmer, wie so etwas abläuft und wie tief von der Welt entrückt ein meditierender Mensch in eine andere Bewusstseinswelt gleiten kann. Auf jeden Fall ist dieser Abt aus Ban Kha beim Meditieren sehr weit allem Irdischen entrückt.

Wahrscheinlich hat er im Unterbewusstsein an seinen so kranken König gedacht und den hat er in seinem versunkenen Zustand, ebenfalls in Mönchskutte gekleidet und meditierend, sich gegenüber sitzend wahrgenommen.

Der Schrecken, der ihn bei diesem Anblick erfasste, hat ihn wohl umgehend in die diesseitige Welt zurückgeholt. Schweißnass, blass und am ganzen Leibe zitternd, erregte er bei den anderen Mönchen und Gläubigen großes Aufsehen. Die wollten verständlicherweise umgehend von ihm wissen, was er soeben erlebt hat, was ihm so einen Schock versetzt hat.

Nichts ahnend der Folgen, die auf ihm zukamen, hat er dann allen Anwesenden von seinem Erlebnis berichtet.

Was jetzt geschah, das ist eigentlich der Grund, warum ich über diese Begebenheit schreibe.
Auf jeden Fall war die Zuhörerschaft total schockiert und wer zuerst von Lèse Majèsté und Polizei gesprochen hat, ist unbekannt.

Es ist nicht zu glauben. Diese Menschen haben den armen Abt aus Ban Kha geschlagen und aus den Tempel gejagt und unter Beschimpfungen und weiteren Schlägen noch weiter verfolgt.

Wie der Abt wieder in sein Dorf gelangt ist, weiß er am anderen Tag nichts zu sagen. Morgens haben ihn die Bewohner in seinem Wat gefunden. Blutverschmiert mit offenen Wunden am ganzen Körper, seine nasse Kutte zerrissen, lag er hilflos und verstört in seinem kleinen Wat.

Wahrscheinlich ist er über die abgeernteten Reisfelder heim geflüchtet, denn in dieser nassen Unwirklichkeit wird ihn wohl niemand seiner Peiniger verfolgt haben.

Nun, in Unwissenheit des Grundes, warum der Abt so zugerichtet war, reinigten ihn die männlichen Dorfbewohner von Ban Kha und die Frauen brachten ihm Salbe und Verbandzeug, damit er seine Wunden behandeln konnte und zur Stärkung Reis und Fruchtsäfte.

Wieder in eine saubere Kutte gekleidet erzählte er seinen Gläubigen, was ihm widerfahren war und alsbald zogen sich die bis dahin hilfreichen Menschen vom ihm zurück.

Lutz und seine Frau, die sich auch um ihn gekümmert haben, versorgen ihn aber weiterhin. Eingeschlossen hat sich der arme Mann und immer, wenn er einen Motor hört, glaubt er die Polizei würde kommen, um ihn abzuholen.

Vier Tage sind seit dem vergangen und kein Mensch, außer Lutz und Bua helfen und versorgen diesen armen Mann.

Wie es weiter geht? Wenn ich etwas berichtenswertes darüber erfahre, werde ich es schreiben.


NS.

Liebe Leser. In den nächsten Tagen wollte ich hier im Forum etwas über mein Weihnachten im Kreis von einigen Thaifamilien schreiben.

Betrachtet stattdessen diesen Bericht als meine Geschichte, die mehr über das Denken und Handeln der Landbevölkerung im dunklen Isaan aussagt, als man sich gemeinhin vorstellen kann.

Trotz meiner nachdenklichen Stimmung und dem Unverständnis über diesen Vorfall wünsche ich allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest im Kreis Ihrer Lieben.

Werner aus Korat
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

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dogmai
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Re: Dunkelheit im Isaan

Ungelesener Beitragvon dogmai » So Dez 20, 2009 4:10 pm

Fast unglaublich. Ob das in "meinem" Baan Nong Waeng auch passieren könnte? Wer weiß, warum sollten die Menschen dort anders, sein, besser?
Eine durchaus nachdenkenswerte "Weihnachtsgeschichte", man fühlt sich nach irgendwo versetzt, Afrika, Südamerika - aber Thailand?
Wer hätte das gedacht.

Und ein Aufschrei wird durch die virtuelle Thailand-Gutmensch-Welt gehen :wiiee
Frühes Aufstehen ist der erste Schritt in die falsche Richtung.
Nostalgie: https://www.thailand-seite.de/Thailandnostalgie/


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