Späte Aufregung um Tsunami-Opfer

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KoratCat
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Späte Aufregung um Tsunami-Opfer

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Do Jun 25, 2009 7:44 am

Späte Aufregung um Tsunami-Opfer

Zur Identifizierung der Toten in Thailand wurden ihnen anfangs Hände und Kiefer abgenommen. Darüber gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gerichtsmedizinern aus Österreich und jenen aus anderen Ländern.

Inge Baldinger

Wien (SN). Polizeioberst Christoph Hundertpfund, nach dem Tsunami Ende 2004 als Leiter eines österreichischen „Desaster Victim Identifikation Teams“ in Thailand im Einsatz, weiß nicht, wie ihm geschieht: „Es ist mir unverständlich, dass ein gut gelaufener Einsatz im Nachhinein so verunglimpft wird“, sagt der Tiroler im SN-Gespräch. Die Rede ist von einem Bericht in der heute, Donnerstag, erscheinenden Zeitschrift „Datum“ unter dem Schlagwort „Leichenschänder“.

In dem Bericht heißt es, die von Österreich nach Phuket geschickten Gerichtsmediziner und Kriminologen seien nach wenigen Wochen von der internationalen Identifizierungsmission ausgeschlossen worden. Grund: Sie hätten den Toten Hände und Kiefer abgenommen, um Fingerabdrücke zu nehmen und Zahndaten zu erfassen. Das bestreitet Oberst Hundertpfund auch nicht: Das sei zu Beginn des Einsatzes üblich gewesen – und zwar nicht nur im eigenen, mit den Deutschen gebildeten Team. Angesichts der Massen an zu identifizierenden Leichen, des tropischen Klimas, das die Verwesung ungemein beschleunigte, dem Fehlen jeglicher Infrastruktur und des kompletten Chaos’ habe es schnell gehen müssen. „Zumindest aus damaliger Sicht beim Einsatzbeginn. Wir hatten ein paar Nirostawägelchen, sechs Kühlcontainer und Tausende Leichen“, sagt Hundertpfund und betont: „Wir sind nicht ausgeschlossen worden. Ich war doch selbst ein halbes Jahr dort.“

Weniger chaotisch als in Thailand ging es in Sri Lanka zu, wo die Salzburger Gerichtsmedizinerin Edith Tutsch-Bauer und ihr Innsbrucker Kollege Walter Rabl im Einsatz waren. Die beiden gehörten zu einem der drei internationalen Teams, das nur für die Identifizierung europäischer Tsunami-Opfer zuständig war. In Colombo konnten sie die Gerichtsmedizin benutzen. Zur Identifizierung der Leichen Kiefer und Hände abzunehmen, lehnen sie „so oder so vollkommen ab“ (Tutsch-Bauer). „Und in Sri Lanka ist das auch nicht gemacht worden“, betonen beide auf SN-Anfrage. Abseits ethischer gibt es dafür sachliche Gründe: „Um an die DNA zu kommen, brauch’ ich weder Kiefer auszubauen noch Hände abzunehmen. Aus meiner Sicht verkompliziert das die Sache sogar, weil wenn etwas getrennt ist, ist nachher die Zuordnung schwieriger“, sagt Rabl. Und Tutsch-Bauer: „Es muss jederzeit die Möglichkeit einer Nachidentifizierung geben. Dazu braucht man die Fingerabdrücke und den kompletten Zahnstatus. Also macht man das nicht. Es muss ohne weitere Verstümmelung gehen.“ Nach dem Tsunami-Einsatz sei bei Gerichtsmedizinertreffen viel darüber geredet worden, was anfangs in Phuket passiert sei. Rabl: „Wir haben gesagt: Aus unserer Sicht war das nicht notwendig.“
Animositäten bis heute
Vorwürfe gegen die Arbeit der Österreicher in Thailand erhebt laut „Datum“ ein Norweger, der damals eine hohe Position in der Identifizierungsmission hatte. Rudolf Gollia, Sprecher des Innenministeriums, wollte keine Nationalitäten nennen, erklärte aber, es habe anfangs Konflikte um Zuständigkeiten gegeben – und letztlich um Kosten. „Manche haben geschaut, nicht ihre eigenen Vorteile aus den Augen zu verlieren. Da konnten unsere Leute nicht mit. Und da gibt es offensichtlich bis heute Nachwirkungen.“

© SN/SW

Salzburger Nachrichten 24. Juni 2009

Am meisten schockiert mich ja der Titel "Späte Aufregung um Tsunami-Opfer" zu dieser kritischen Diskussion um Ethik und Rationalität. Als ob es nicht in erster Linie darum ginge, eine reibungslose Zusammenarbeit und hohe Effektivität bei einem künftigen Katastropenfall sicherzustellen.
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dogmai
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Re: Späte Aufregung um Tsunami-Opfer

Ungelesener Beitragvon dogmai » Do Jun 25, 2009 9:12 am

Streit unter Medizinern um die bessere Identifizierungsmethode - abstrus und laecherlich. Auf beiden Seiten waren doch sehr wahrscheinlich von ihrem Land ausgesuchte Fachleute am Werk. Die sollen sich nicht aufblasen, sondern untersuchen, welche Leistung sie vollbracht haben und ob sie erfolgreich waren oder nicht. Fuer die Angehoerigen zaehlt nur das.

Ich habe in Khao Lak eine Verwandte verloren, sie wurde in Roi Et spaeter beigesetzt, niemand hat kontrolliert, ob Haende und Kiefer noch da waren, es waren ihre Ueberreste, und man hat ein Grab. Das haben Mediziner geschafft, niemand von uns weiss, welche und woher.
Der Tod nimmt uns das Leben, aber nicht die Liebe.
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KoratCat
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Re: Späte Aufregung um Tsunami-Opfer

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Mo Jun 29, 2009 7:49 pm

Tsunami 2004

Österreicher wegen "Leichenschändung" ausgeschlossen

Österreichische Gerichtsmediziner trennten Hände und Kiefer der Toten ab und wurden wegen ethisch fragwürdiger Methoden abgezogen

Wie das Montagsmagazin Datum in seiner akutellen Ausgabe berichtet, wurde nach dem Tsunami im Jahr 2004 ein Team von österreichischen Gerichtsmedizinern und Kriminologen von den thailändischen Behörden von der direkten Arbeit an Leichen abgezogen. Damals reisten Gerichtsmediziner aus aller Welt für die Identifizierung der Toten in die betroffenen Regionen. Darunter auch 25 Spezialisten aus Österreich, die in der Nähe von Phuket eingesetzt wurden. Nach nur drei Wochen wurde es den Österreichern verboten, an den dortigen Leichensammelstellen zu arbeiten. Der Norweger Raider Nilsen, damals der stellvertretende Leiter der internationalen Identifizierungsmission berichtet, dass im Jänner 2005 bei einer Inventur eine unbekannte Zahl an Leichensäcken aufgetaucht sei. Ihr Inhalt: abgetrennte Hände und Kiefer. Das österreichische Team habe sie laut Nilsen den Toten abgeschnitten.

Nilsen im Interview mit Datum: "Vielleicht, weil es so einfacher war, Fingerabdrücke zu nehmen und Zahndaten zu erfassen. Es war für mich unverständlich, wie man solche Methoden anwenden konnte. Für mich hat das primitiven Charakter und ist unethisch." Dass man den Leichen Hände und Kiefer abgenommen hat, wird vom damals ranghöchsten österreichischen Einsatzkoordinator Ernst Fischer (47), Brigadier im Innenministeriums, nicht bestritten. Er gibt an, dass sich die Österreicher "auf Grund der chaotischen Zustände freiwillig zurückgezogen haben" und dass auch "die Deutschen das so gemacht hätten." Nilsen widerspricht den Aussagen Fischers: "Es gibt keine Berichte, dass andere Teams auch so gearbeitet haben."

Zudem existiert laut Nilsen ein Protokoll über den Ausschluss der Österreicher. Damit nicht genug: die Österreicher wurden auch beschuldigt, dass sie Leichenteile (Muskelgewebe und Knochreste) nach Innsbruck zur DNA-Analyse ausgeflogen hätten, obwohl das nach thailändischen Recht verboten ist. Auch das wird von der österreichischen Einsatzleitung nicht in Abrede gestellt.

"Identifikationsteam wegen Leichenschändung ausgeschlossen"

Der norwegische öffentlich-rechtliche Fernsehsender NRK berichtet bereits 2006 in der Dokumentation "Tsunami: Der harte Job" über die Vorwürfe gegen die österreichischen Gerichtsmediziner. Auf der Website von NRK hatte später plakativ der Satz gestanden: "Identifikationsteam wegen Leichenschändung ausgeschlossen." Die österreichische Öffentlichkeit hat davon bis heute nichts mitbekommen. "Warum sollen wir so etwas denn nach außen tragen?", fragt Ernst Fischer. Noch im März 2006 wurden drei Mediziner, die vom Ausschluss in Thailand betroffen waren, von der damaligen ÖVP-Innenministerin Liese Prokop für ihren "besonderen und persönlichen" Einsatz geehrt.


Der Standard 29. Juni 2009
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