Mass. Ausbeutung von Arbeitsmigranten in der Fischindustrie

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KoratCat
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Mass. Ausbeutung von Arbeitsmigranten in der Fischindustrie

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Mi Jun 19, 2013 9:47 am

Thailand: Massive Ausbeutung in der Fischindustrie - Arbeitsmigranten können sich kaum wehren

Mahachai, Thailand, 14. Juni (IPS) - Wer im Supermarkt nach Garnelen greift, wird aller Voraussicht nach ein thailändisches Produkt aus der Tiefkühltruhe ziehen. Schließlich ist das südostasiatische Land seit 2004 weltgrößter Exporteur von Meerestieren. Berichte über die Ausbeutung von Gastarbeitern haben jedoch die fischverarbeitende Industrie in Verruf gebracht.

Wie aus einem am 6. Juni veröffentlichten Bericht des 'International Labour Rights Forum' in Washington hervorgeht, kommt es in der größten thailändischen Fischfabrik 'Narong Seafood', die unter anderem zu den Hauptlieferanten der US-Supermarktkette 'Walmart' gehört, zu Verstößen gegen die Arbeitsrechte und den Kinderschutz. Die größte Verarbeitungsstätte für Garnelen befindet sich in Samut Sakhon, neuerdings Mahachai genannt, einer im Zentrum des Landes gelegenen Provinz, in der es insgesamt mehr als 6.000 Fischfabriken gibt.

Der riesige Firmenkomplex liegt an der Mündung des Flusses Tha Chin Klong, der sich in den Golf von Thailand ergießt. Dort sind schätzungsweise 2,5 Millionen Arbeitsmigranten tätig, die einen erheblichen Teil zum Wirtschaftswachstum des Landes beitragen. Etwa 82 Prozent dieser Gastarbeiter stammen aus dem benachbarten Myanmar, die übrigen mehrheitlich aus Kambodscha (9,5 Prozent) und Laos (8,4 Prozent).

U Aung Kyaw floh einst vor der Militärherrschaft und der Arbeitslosigkeit im wirtschaftlich angeschlagenen Myanmar. Als er 1998 in Thailand ankam, fand er einen Job in einer Fischfabrik in Mahachai. Dort erlebte er zum ersten Mal, wie Arbeiter ausgebeutet werden. Er nahm sich vor, sich nicht nur über seine Rechte zu informieren, sondern sich auch für bessere Arbeitsbedingungen für seine Kollegen zu engagieren.

Viele Arbeiter schweigen aus Angst vor Schikanen

Kyaw ist einer der wenigen Beschäftigten, die mit der Presse sprechen. Der Vorsitzende des 'Migrant Worker Rights Network' (MWRN) weiß, dass in kleineren Fabriken "Mitarbeiter dazu gezwungen werden, für geringe Löhne auch noch Überstunden zu machen. Der gesetzliche Mindestlohn liegt bei umgerechnet rund zehn US-Dollar pro Tag. Für Überstunden gibt es etwa zwei Dollar pro Stunde extra. Doch die Fischfabriken zahlen in der Regel nur 1,5 bis drei Dollar insgesamt, Überstunden inklusive."

Wie der Aktivist weiter berichtete, können die meisten Arbeiter das Fabrikgelände nie verlassen. Oftmals würden sie eingeschlossen, und die Firmenleitung behalte ihre Ausweise ein, damit sie nicht weglaufen können. Seinen Schilderungen zufolge ist dies vor allem in kleinen Fabriken üblich, die Garnelen schälen und dann an Großbetriebe liefern. "Die Schichten fangen um vier Uhr morgens an und enden spätabends."

In der thailändischen Fischindustrie sind mehr als 650.000 Menschen beschäftigt. Die Exporteinnahmen beliefen sich 2011 auf insgesamt 7,3 Milliarden Dollar. Etwa 70 Prozent der Ausfuhren von Fisch und Meerestieren gingen in die USA, nach Japan und nach Europa.

Beschwerden von Beschäftigten über schlechte Arbeitsbedingungen in dem Sektor sind nichts Neues. Die 'Environmental Justice Foundation' (EJF) in London dokumentiert in dem am 29. Mai veröffentlichten Bericht 'Sold to the Sea' den Fall von 15 Arbeitsmigranten aus Myanmar, die angaben, gegen ihren Willen festgehalten worden zu sein. Sie wurden demnach zur Arbeit gezwungen und körperlich misshandelt, während sie auf thailändischen Fangschiffen tätig waren.

Ein weiterer Report des Internationalen Organisation für Migration (IOM) von 2011 mit dem Titel 'Trafficking of Fishermen in Thailand' beschreibt die Situation ausländischer Arbeitskräfte, die jahrelang ohne Lohn schuften mussten.

Aktivisten, die die Schattenseiten dieses lukrativen Wirtschaftszweiges öffentlich machen, riskieren Repressalien. Denn die einflussreichen Unternehmer wollen verhindern, dass ihre internationalen Handelsbeziehungen Schaden nehmen. Deshalb achten sie darauf, sich nach außen hin makellos darzustellen. Vor allem in kleineren Fabriken, deren Eigentümer die Belegschaft leicht überwachen kann, werden alle Versuche der Arbeiter, gemeinsam Verstöße gegen ihre Rechte anzuprangern, mit Polizeigewalt oder durch Schlägertrupps unterdrückt.

"Wir wurden geschlagen und auch auf andere Weise körperlich drangsaliert", erzählt Kyaw, der das 'Labour Rights Promotion Network' bereits seit etlichen Jahren über solche Übergriffe in Mahachai informiert. Schließlich gründete er 2009 die Organisation MWRN. Doch ist es nach wie vor schwierig, Arbeiter davon zu überzeugen, über Misshandlungen zu sprechen.

Vermittler kassieren saftige Prämien

Aktivisten prangerten zudem kürzlich an, dass das Nationale Verifizierungsprogramm Wucherpreise für die Ausstellung von Arbeitsgenehmigungen verlangte. Viele Arbeitsmigranten waren auf diese Weise dazu gezwungen, sich wie Leibeigene ausbeuten zu lassen.

Der 27-jährige Win Sein, der aus dem Südosten von Myanmar stammt, musste einem Vermittler 223 Dollar zahlen, als er vor sieben Jahren in Thailand ankam. Um seine Schulden zu begleichen, fing er in einer Thunfischfabrik in Mahachai an. Auch an seiner jetzigen Arbeitsstelle werden er und andere Migranten auf vielfache Weise ausgebeutet und diskriminiert. Von den zwei Wochen bezahltem Urlaub, den die thailändischen Kollegen erhalten, können die Männer aus Myanmar nur träumen.

Nicht nur die Fischindustrie ist durch Ausbeutungspraktiken aufgefallen. Ein 2012 veröffentlichter Bericht der finnischen Nichtregierungsorganisation 'Finnwatch' enthüllt, dass auch in Ananasfabriken vehement gegen die Grundrechte verstoßen wird. Ins Visier der Aktivisten geriet die Firma 'Natural Fruit', die Ananassaftkonzentrat an 'Refresco' liefert, einem führenden Unternehmen im Erfrischungsgetränkesektor, das 20 Prozent des europäischen Marktes kontrolliert.

Nach Angaben des Finnwatch-Koordinators Henri Purje missachten Konzerne wie Refresco, der 2010 Einnahmen von 1,22 Milliarden Euro erwirtschaftet hat, aus Wettbewerbsgründen die Arbeitsrechte. Da aber die Arbeitskosten nur einen winzigen Teil des Preises des Endprodukts ausmachten, würden eine angemessene Bezahlung und eine Beachtung der Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation ILO die Bilanzen der Unternehmen nicht wesentlich beeinflussen. Laut Purje besteht das Problem vor allem darin, dass die Abnehmer im Ausland so harte Bedingungen stellen, dass die Hersteller keine Mindestlöhne zahlen wollen.

Inzwischen ist Refresco offenbar zu seinem Zulieferer Natural Fruit auf Distanz gegangen, der sich im Besitz des Bruders des Generalsekretärs der Thailändischen Demokratischen Partei, Chalermchai Sri-On befindet. Der Eigentümer hat eine Zehn-Millionen-Dollar Klage gegen den Ko-Autor und britischen Migrationsexperten Andy Hall wegen krimineller Verleugnung eingereicht.

Seit zehn Jahren macht Hall die systematische Ausbeutung der Arbeitsmigranten in Thailand publik. Er arbeitet zudem eng mit ausländischen Verbrauchergruppen und diplomatischen Vertretungen zusammen, um eine Strategie der Corporate Social Responsibility zu entwickeln, die den Arbeitsmigranten das Leben erleichtert. Wie er gegenüber IPS berichtet, hat der jüngste Besuch der burmesischen Politikerin Aung San Suu Kyi in Mahachai Hoffnungen auf einen Wandel geweckt.

Schattenblick zum 18. Juni 2013
Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es! Erich Kästner, 1899 - 1974

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