Thailänder in Schweden betrogen

Für Themen zur erwerbstätigen Bevölkerung und dem Sozialsystem in Thailand.
Benutzeravatar
koratwerner (†2012)
Thailand-Autor
Beiträge: 941
Registriert: Di Dez 26, 2006 4:28 pm
Wohnort: Korat

Thailänder in Schweden betrogen

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Di Sep 22, 2009 7:04 am

Das Elend der Beerenpflücker

Tanil Torgnun erzählt von der Blechhütte, in der er in Thailands armem Nordosten lebt. "So leben wir, für ein normales Haus haben wir kein Geld", sagt der Reisbauer. "Wenn ich Geld habe, kaufe ich Essen. Für mehr reicht es nicht." In diesem Sommer hat Torgnun Frau und Kinder verlassen, um in Schweden sein Glück zu suchen. Nun kehrt er ärmer nach Hause zurück, als er vor einigen Wochen nach Schweden gekommen war.

Hunderte Thailänder streifen noch immer durch die Wälder Nordschwedens, um Beeren zu pflücken. Viele von ihnen haben zwei Monate geschuftet haben, sieben Tage die Woche, zehn Stunden am Tag. Für nichts und wieder nichts. Viele von ihnen haben nicht mal genug verdient, um das Flugticket abzustottern und den Aufenthalt zu bezahlen. Verdient haben an ihrer Arbeit die Zeitarbeitsfirmen, die die Pflücker vermittelten. Und die Grossisten, die die Beeren billiger bekommen haben als je zuvor und sie mit sattem Gewinn an die Likörhersteller und Marmeladenfabriken verkaufen konnten.

39 Kronen, knapp vier Euro, kostet ein Becher Blaubeeren in den Stockholmer Markthallen. 20 000 Becher muss ein thailändischer Pflücker gesammelt haben, ehe er beginnt, Geld zu verdienen. "Sie sagten, wir müssten zehn bis zwanzig Tage arbeiten, dann hätten wir die Kosten bezahlt", erzählt Torgnun. "Dann hätten wir mindestens einen Monat, um unser eigenes Geld zu verdienen." Mit 2000 Euro und einem Geschenk für die Tochter wollte er nach Hause zurückkehren. Aus Thailand wurden 6000 Arbeitskräfte angeworben

Doch in Nordschweden wuchsen in diesem Jahr nur wenig wilde Beeren. Die Saison im Süden Schwedens hatte gut begonnen, aus Polen und dem Baltikum gab es großen Nachschub. Das verdarb die Preise. Zehn Kronen pro Kilo zahlten die Aufkäufer am Anfang. Zehn Kronen sind ein Euro. 50 Kilo am Tag hätte Torgnun pflücken müssen, um im Soll zu bleiben. Das ist hart, wenn die Stauden von Beeren bersten. Es ist unmöglich, wenn sie wenig Früchte tragen.

In den Verträgen, die die Pflücker in Thailand unterschrieben haben, wurden ihnen feste Arbeitszeiten, bezahlte Überstunden sowie Geld für Unterkunft und Verpflegung versprochen. Als sie nach Schweden kamen, waren die Papiere nichts wert. Alles kostete: die Arbeitserlaubnis, das Essen, das Bett, das Auto, das unentbehrlich ist, um in die Wälder zu kommen. "Man hat uns betrogen", sagt Tanil Torgnun.

7000 Kronen bekamen die Saisonarbeiter in den vergangenen beiden Jahren im Schnitt ausgezahlt. Das entspricht einem Stundenlohn von einem Euro. Obwohl klar war, dass die Preise im Keller sind, wurden 2009 mehr Arbeitskräfte denn je angefordert. 6000 allein aus Thailand. Bezahlt werden aber nicht die Arbeitsstunden, sondern nur die Beeren.

Die Gewerkschaften, die Baustellen wegen Dumpinglöhnen osteuropäischer Arbeiter blockierten, interessierten sich nicht für Ausbeutung der eingereisten Beerenpflücker. Die schwedischen Behörden fühlten sich nicht zuständig. Erst als eine Gruppe von Thailändern in den Streik trat, um Mittel für die vorzeitige Heimreise zu verlangen, erfuhren viele Schweden vom Elend in ihren Wäldern. Jetzt gibt es halbherzige Vorschläge, den Arbeitern zumindest einen Grundlohn zu garantieren.

Tonil Torgnun hat das Reisfeld neben seiner Blechhütte verpfändet, um die Reise nach Schweden bezahlen zu können. "Wenn sie uns das Feld wegnehmen, haben wir gar nichts mehr", sagt er. "Dann muss ich mich als Taglöhner verdingen und die Kinder können nicht mehr in die Schule gehen."


Badische Zeitung 22.09.09
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

Benutzeravatar
KoratCat
Thailand-Forum-Administrator
Beiträge: 7869
Registriert: Sa Jul 22, 2006 11:00 am
Wohnort: Non Sung/Korat (Frankfurt/M)
Kontaktdaten:

Re: Thailänder in Schweden betrogen

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Di Okt 13, 2009 8:34 am

Die Bangkok Post berichtet heute, dass vier der Vermittlerfirmen, Siam Royal Services Co, Sunshine Co, Thai Blue Berry Service Co und TS Law and Business Co, auf Druck der Thairegierung sich bereiterklärt haben, einen Teil der Vermittlergebühren, an Pflücker zurückzuzahlen, die nur geringe Erlöse erzielt haben. Die Höhe ist von Firma zu Firma unterschiedlich und dürfte bei durchschnittlich bis zu 15.000 Baht liegen.

viewtopic.php?f=87&t=3324#p14484
Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es! Erich Kästner, 1899 - 1974


Zurück zu „Arbeit & Soziales“



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 77 Gäste