Urwald ohne Menschen?

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KoratCat
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Urwald ohne Menschen?

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Mo Aug 15, 2011 10:12 am

Urwald ohne Menschen?

Indigene Völker drohen beim Klimaschutz die Verlierer zu werden

Wälder gelten als Kohlenstoffspeicher. Deshalb setzt ein internationales Klimaschutzprogramm auf die Erhaltung der Wälder. Nicht selten werden dabei allerdings die dort lebenden Indigenen aus ihrer Heimat vertrieben.

Dipaepho ist ein alter Mann von 83 Jahren. Naw He Mui Wingwittcha ist eine 38-jährige Frau. Beide gehören zum Volk der Karen, die auf beiden Seiten der Grenze zwischen Myanmar und Thailand siedeln. 2008 wurden die beiden von einem Gericht in Thailand wegen ihres »Beitrags zur globalen Erwärmung« zu Haft- und Geldstrafen verurteilt.

Die »kriminelle« Tat der beiden bestand darin, zu tun, was die Karen seit Jahrhunderten tun: sie betrieben Wanderfeldbau. Die Felder, oft angelegt durch Brandrodung, werden dabei für einen bestimmten Zeitraum genutzt und anschließend aufgegeben. Damit soll in Zeiten des Klimawandels nach Ansicht der thailändischen Behörden Schluss sein.

Immer häufiger werden indigene Völker in Thailand und anderen asiatischen Ländern im Namen des Kampfes gegen den Klimawandel gezwungen, ihren Lebensstil aufzugeben, aus ihren Siedlungsgebieten vertrieben. »Die kollektiven Rechte der indigenen Völker werden zunehmend verletzt«, kritisiert Kittisak Rattanakrajangsri von der »Indigenous People’s Foundation for Education and Environment« (IPF) in Thailand.

Der Fall der beiden Karen bringe einen neuen Aspekt in das alte Problem der Unterdrückung indigener Völker. »Zum ersten Mal wurde auf den Klimawandel Bezug genommen«, sagt Kittisak. Als Rechtfertigung diene der REDD plus genannte Ansatz. Das »Reducing Emissions from Deforestation and Forest«-Modell (REDD) basiert auf der Funktion der Wälder als CO2-Speicher. Indem die Speicherkapazität der Wälder berechnet und ihr ein monetärer Wert zugeordnet wird, soll ein finanzieller Anreiz zum Erhalt der Wälder geschaffen werden.

Wie genau die schöne Theorie in der Realität funktionieren kann, weiß noch niemand. Deshalb werden mit der Unterstützung von westlichen Ländern, von Institutionen wie der Weltbank oder der Asiatischen Entwicklungsbank, von Umweltorganisationen wie Greenpeace oder dem WWF Projekte gestartet.

Die Rechnung wird aber meistens ohne die indigenen Völker gemacht. Kittisak sagt über ein auf zehn Jahre angelegtes Pilotprojekt der Weltbank in zwanzig Dörfern im Westen Thailands: »Wieder einmal war die Einbeziehung der Zivilgesellschaft oder der (ethnischen) Gruppen in den Masterplan sehr begrenzt bis gar nicht vorhanden.«

Kritik kommt auch aus anderen südostasiatischen Ländern. Im Juni forderte eine Allianz indigener Völker in Kalimantan – dem indonesischen Teil der Insel Borneo – »die sofortige Einstellung von REDD-plus-Projekten und -Investitionen in Zentralkalimantan« bis ihre Forderungen erfüllt sind. Wie das Geld aus den REDD-plus-Kassen indigene Völker spalten, ist ebenfalls in Kalimantan zu erleben, wo verschiedene Gruppen der Dayak sich derzeit mit Presseerklärungen bekriegen. Bei dem Projekt geht es nach Ansicht einer »australischen Nichtregierungsorganisation« nur darum, langfristig durch den Kauf von Emissionsrechten in Kalimantan in Australien unbeschadet die Kohlekraftwerke weiter betreiben zu können.

In Thailand haben derweil Dipaepho und Naw He Mui Wingwittcha Berufung gegen ihre Verurteilung eingelegt.

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