Folgen von Radioaktivität

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koratwerner (†2012)
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Folgen von Radioaktivität

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Mo Mär 14, 2011 8:25 pm

Was die Strahlen im Menschen anrichten


Von Cinthia Briseño

REUTERS

Die Störfälle in Japans Atomkraftwerken sorgen weltweit für Besorgnis, Erinnerungen an den Super-GAU von Tschernobyl werden wach. Die zentralen Fragen damals wie heute: Wie schadet radioaktive Strahlung dem Körper, wie kann man sich schützen? Ein Überblick.

Der Feind ist unsichtbar. Er kommt über die Luft, schleicht sich durch undichte Ritzen in den Fenstern und Türen, der Mensch atmet die Luft ein, kann nicht zwischen guter und schlechter Luft unterscheiden. Nach dem Inhalieren breiten sich die gefährlichen Partikel im Körper aus. Auch über die Haut können sie in den Körper gelangen. Dann lagern sie sich im Gewebe an und entfalten ihre zerstörerische Kraft.


20 Jahre nach dem Unfall in Tschernobyl verzeichnen die am meisten betroffenen Regionen einen Anstieg der Krebskranken um 40 Prozent.

Das, was dem Körper so zu schaffen macht, sind aber nicht die radioaktiven Partikel selbst. Es ist die so genannte ionisierende Strahlung, die von ihnen ausgeht. Das Radionuklid Iod 131 etwa gehört zu den Beta-Minus-Strahlern. Das heißt, aus dem Nuklid schießen laufend Elektronen in die Umgebung. Alle biologischen Moleküle, auch das Wasser im Körper, bremsen diese Strahlung zwar ab. Doch dabei wird Energie frei, die ionisierend wirken kann: Sie zerstört die Atomhüllen von Molekülen und schlägt dabei Elektronen heraus. Positiv geladene Molekülreste bleiben zurück. Experten sprechen von Radikalen.

Vereinzelt richten Radikale keine größeren Schäden an, doch je größer die ionisierende Strahlung ist, desto mehr Radikale entstehen. Dann kann es im Körper selbst zu einer Art GAU kommen: Eine gefährliche chemische Kettenreaktion beginnt, in der die geladenen Teilchen miteinander reagieren, um wieder stabile Verbindungen einzugehen. Da diese chemischen Reaktionen jedoch unkontrolliert ablaufen, entstehen dabei mitunter Verbindungen, die in der Zelle keinen Sinn ergeben.

So kann ionisierende Strahlung wichtige Enzyme funktionsunfähig machen oder ganze Zellbausteine zerstören - sind die Schäden zu groß, stirbt die Zelle. Aber auch das Erbgut ist für ionisierende Strahlung anfällig. Werden aus dem DNA-Molekül Elektronen herausgeschlagen, kann das zu Veränderungen der Erbinformation führen, die bei der nächsten Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben werden. Je größer die Schäden an der DNA sind, desto höher ist langfristig das Risiko für Krebs.

Mit vielen Schäden kann der Körper umgehen. Menschen sind tagtäglich der natürlichen radioaktiven Strahlung im Boden oder der Atmosphäre ausgesetzt. Der menschliche Organismus hat aber Abwehrmechanismen entwickelt, um sich vor diesen Belastungen zu schützen. Er kann DNA-Schäden reparieren oder geschädigte Strukturen in der Zelle gezielt abbauen.

Bei einer Katastrophe wie etwa in Tschernobyl stoßen diese natürlichen Schutzfunktionen jedoch an ihre Grenzen. Am stärksten betroffen waren die Liquidatoren von Tschernobyl, jene Hunderttausende von Menschen, die die Aufräumarbeiten nach dem Reaktorunfall verrichten mussten. Schätzungen zufolge sind allein in Russland 25.000 von ihnen bereits verstorben. Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde starben 56 Menschen sofort. Die meisten von ihnen an den Folgen der Strahlenkrankheit, die akut nach einer zu hohen Strahlenbelastung auftritt.

Die Strahlenkrankheit kann bei einer kurzfristigen Belastung von 0,25 Sievert auftreten. Das sind 250 Millisievert. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Belastung aus der Umwelt beträgt nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) derzeit etwa 2,1 Millisievert pro Jahr. Eine Kurzzeitbelastung von vier Sievert gilt als tödlich.


Erste Symptome: Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen

Die Strahlenkrankheit hat viele Gesichter. Wie schwer sie ist, hängt davon ab, welches Gewebe wie stark von der Strahlung betroffen ist. Erste Symptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Sie treten wenige Stunden nach dem Beschuss des Körpers mit der Strahlung auf. Dann klingen sie vorübergehend ab, um nach einigen Tagen als Appetitlosigkeit, Übermüdung und Unwohlsein zurückzukehren und einige Wochen anzudauern. Menschen mit einer solchen leichten Strahlenkrankheit erholen sich zwar in der Regel wieder. Doch oft bleibt das Immunsystem ein Leben lang geschwächt, und die Betroffenen haben häufiger mit Infektionserkrankungen zu kämpfen.

Noch ist unklar, wie stark die Strahlenbelastung der Personen war, die sich im näheren Umkreis des Reaktors Fukushima aufgehalten hatten. Den Menschen in der Umgebung bleibt zu hoffen, dass die Regierung ihre Warnungen rechtzeitig ausgesprochen hat, so dass sie sich in ihren Häusern vor der Strahlung schützen konnten.

Offizielle Meldungen über schwere Strahlenkrankheiten oder gar Tote hat es bisher nicht gegeben. Wie qualvoll eine akute Strahlenkrankheit enden kann, zeigen die Opfer der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki und die Tschernobyl-Katastrophe. Haarausfall, unkontrollierte Blutungen, ein zerstörtes Knochenmark, Koma, Kreislaufversagen und andere dramatische Auswirkungen können den Tod bringen.


Bekannteste Folge ist Leukämie

Was aber, wenn keine unmittelbaren Folgen auftreten? Dann ist die Gefahr immer noch nicht gebannt, denn Risiko von Spätfolgen erwarten Strahlenmediziner schon ab einer Dosis von 0,2 Sievert. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit von DNA-Schäden, die der Körper nicht mehr reparieren kann, so hoch, dass im Laufe der Jahre Krebs entstehen kann.

Die bekannteste aller Spätfolgen ist Blutkrebs, die Leukämie: Die Radionuklide Strontium 90 und Cäsium 137 lagern sich in das Knochengewebe und sorgen so ein erhöhtes Krebsrisiko. Experten nennen diese Substanzen gerne knochensuchend, weil der Körper diese Substanzen mit Calcium verwechselt und sie bei den üblichen physiologischen Prozessen in Muskel- und Knochengewebe einbaut. Dieses ist besonders empfindlich, denn im Knochenmark läuft die Bildung neuer Blutkörperchen ab. Kommt ionisierende Strahlung ins Spiel, kann die Blutkörperchenbildung außer Kontrolle geraten und zu Leukämie führen. Gleichzeitig erhöhen Strontium 90 und Cäsium 137 auch das Risiko für Knochenkrebs.

Bei diesen Folgen ist der Mensch so gut wie machtlos. Er kann lediglich versuchen, die Strahlenbelastung durch ausreichend Abstand zur Strahlenquelle so gering wie möglich zu halten. In Japan wurde das Gebiet 20 Kilometer um den Reaktor bereits evakuiert. Manche Experten aber sagen, ein weitaus höherer Umkreis sei notwendig.

So gut wie machtlos sind Menschen gegenüber der Substanz Plutonium 239. Meldungen zufolge könnte auch diese Substanz aus dem Fukushima Reaktor entwichen sein, da im Reaktor 3 des Kraftwerks seit einigen Monaten so genannte Mischoxid-Brennelemente eingesetzt wurden, die auch Plutonium enthalten. Es reicht, 40 Milliardstel Gramm davon zu inhalieren, um eine akute Strahlendosis von 15 Millisievert im Körper zu verursachen. Dann kommt es zu einer schweren Strahlenkrankheit, die innerhalb weniger Tage tödlich endet. Dafür hat radioaktives Plutonium einen entscheidenden Vorteil: Es gehört zu den Alphastrahlern. Das heißt, die Strahlung des Plutoniums reicht in der Luft nur einige Zentimeter weit und wird zum Beispiel schon von einem Blatt Papier oder von Stoffhandschuhen vollständig zurückgehalten.


Iod-Tabletten schützen - wenn sie rechtzeitig eingenommen werden

Etwas besser kann sich die Bevölkerung vor den Folgen durch Iod 131 schützen - mit Kaliumiodidtabletten, die japanische Behörden für ihre Bevölkerung nun in ausreichender Menge bereitstellen wollen. Iod 131 lagert der Körper genauso wie das nicht radioaktive Iod 127 in der Schilddrüse ein. Der größte Teil des Tschernobyl-Fall-outs ging 1986 über dem heutigen Weißrussland nieder. Zehn Jahre nach der Katastrophe waren dort 424 Kinder an Schilddrüsenkrebs erkrankt. Das entsprach einer Häufigkeit von 3,5 bis 4 Krebsfällen auf 100.000 Kinder - zehnmal mehr als der weltweite Durchschnitt.

Geschützt ist man aber durch Iod-Tabletten nur, wenn man sie rechtzeitig einnimmt, also vor der Kontamination und in ausreichenden Dosen. Auf diese Weise ist die Schilddrüse mit Iod abgesättigt und lagert kein weiteres, radioaktives Iod ein. Ob die Bevölkerung in nächster Umgebung aber rechtzeitig an die Tabletten kam, ist unklar.

Derzeit lässt sich nur spekulieren, welche gesundheitlichen Schäden der unsichtbare Feind in Japan angerichtet hat. Es hängt auch davon ab, wie sich die Lage der Reaktoren weiter entwickeln wird und ob die schlimmsten Befürchtungen eines Super-GAUs noch eintreten werden.
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

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