Hoffnung für Koschwitz?
Verfasst: Fr Jan 26, 2007 11:05 am
Großenbroder hofft auf das Berufungsverfahren
Grossenbrode - Gordon Koschwitz (35) aus Großenbrode sitzt noch immer in der Todeszelle in Thailand. Doch jetzt kommt Bewegung in den Prozess. Wie das Auswärtige Amt in Berlin bestätigt, ist im Februar mit der Wiederaufnahme des Verfahrens im Zuge der Berufung zu rechnen.
Seit über zwei Jahren sitzt Koschwitz nun schon unter dem dringenden Verdacht, den befreundeten Schweizer Raphael Baumann (32) getötet zu haben, unter widrigsten Bedingungen in thailändischer Haft. Die Anklage lautet Mord. Das Gericht in erster Instanz ist von seiner Schuld überzeugt: Am 31. August 2005 wurde Koschwitz in Chiang Mai zum Tode verurteilt. Aus dem dortigen Untersuchungsgefängnis wurde er nach dem Urteilsspruch in den Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses in der Hauptstadt Bangkok verlegt.
Die Verteidigung vor Ort, die aus dem in Phuket lebenden schweizer Anwalt Miroslaw Slamina und einem Vertrauensanwalt der Deutschen Botschaft besteht, hat sofort nach der Urteilsverkündung Berufung eingelegt.
Michael Ebe, Pressesprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin: "Aber die Mühlen der Justiz mahlen in Thailand langsam." Sollte das Berufungsverfahren keinen Erfolg haben, so bestehe noch die Möglichkeit einer Revision vor dem allerhöchsten Gericht in Thailand, erklärt Ebe. Bis dahin seien dem Auswärtigen Amt im Hinblick auf eine Amnestie oder eine Überstellung des Angeklagten nach Deutschland und eine Abwicklung des Prozesses nach deutschem Recht jedoch die Hände gebunden, bedauert Ebe. Erst müsse ein rechtskräftiges Urteil vorliegen, dann könne man in diese Richtung tätig werden. Erschwerend komme hinzu, dass es sich im Falle Koschwitz um den ersten Prozess mit Todesurteil gegen einen Deutschen in Thailand handele, so dass man über keinerlei Erfahrungen verfüge. Einstweilen werde der Gefangene jedoch von der Deutschen Botschaft regelmäßig besucht und betreut, könne Wünsche äußern und genieße menschlichen Beistand. Ein "unbeschriebenes Blatt" sei Koschwitz indes auch in Deutschland nicht gewesen, verlautete aus Berlin.
Viel Geld, Kraft und Nerven hat auch Gordons Mutter Sigrid Koschwitz (65), die in Heiligenhafen eine Praxis für Krankengymnastik betreibt, inzwischen investiert, um ihrem Sohn zu helfen. "Er ist unschuldig", davon ist die zierliche Frau überzeugt. Das letzte Mal hat sie ihren Sohn im November 2006 im Gefängnis in Bangkok besucht, möchte sich aber gegenüber der Presse nicht mehr über Einzelheiten äußern, weil sie Nachteile für ihren Sohn und für den Ablauf des Berufungsverfahrens befürchtet. Und auch Gordon (35) beteuert weiterhin seine Unschuld.
Wie mehrfach berichtet, hatte er im Oktober 2004 dem Schweizer Raphael Baumann Unterkunft in seinem Haus gewährt, nachdem dieser eine Drogenentziehungskur absolviert hatte. Am 11. Oktober wurde Baumann mit Spuren von Gewalt tot aufgefunden und Koschwitz unter dringendem Tatverdacht verhaftet. Hilfeersuchen seiner Mutter, unter anderem an Bundespräsidenten Horst Köhler und an Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, blieben bisher ohne Erfolg. Auch die von Freunden eingerichtete Domain im Internet "Rettet-Gordon.de" wurde inzwischen geschlossen und wird zum Verkauf angeboten. Interessant ist indes eine von der "Hilfsgemeinschaft für Opfer thailändischer Willkür" im Internet aufgestellte These. Sie schließt ein Komplott gegen Koschwitz nicht aus: Wie berichtet, hatte er als Undercover-Ermittler für die thailändische Polizei in der Drogen- Szene gearbeitet, war aber Wochen vor dem verhängnisvollen Vorfall ausgestiegen und hatte sich mit einer Ziegelei selbstständig gemacht. "Möglich, dass er während der Zeit als Fahnder Erkenntnisse gesammelt hat, die er aus Sicht bestimmter Kreise nicht hätte haben sollen. Möglich auch, dass das Ziel eines Auftragsmörders nicht Baumann sondern Koschwitz gewesen ist. Möglich aber auch, dass er durch das ihm angelastete Verbrechen zum Schweigen gebracht werden sollte", mutmaßt die Hilfsgemeinschaft. Was bisher weniger bekannt war: Etwa eine Woche vor dem Tode Baumanns wurde ein Brandanschlag auf das Haus von Koschwitz verübt, bei dem er selbst erheblich verletzt wurde. Bei der Wiederaufnahme des Verfahrens werden diese Gesichtspunkte eine Rolle spielen.
Von Michael Kirchner, LN
Quelle: Lübecker Nachrichten v. 26. jan. 2007
http://www.ln-online.de/lokales/2050420