Kampf gegen Dengue-Fieber
Harmlose Mückenzüchtung verdrängt tödliche Artgenossen
Hamburg - Mehr als 50 Millionen Menschen erkranken jährlich am Dengue-Fieber, mindestens 12.000 sterben an der grippeähnlichen Krankheit. Übertragen wird der Erreger, das Dengue-Virus, vor allem von der Ägyptischen Tigermücke. Eine Schutzimpfung existiert ebenso wenig wie eine wirksame Therapie. Die Moskitos auszuschalten, ist daher eines der wichtigsten Ziele im Kampf gegen die Krankheit, die vor allem Menschen in Afrika, Asien, der Karibik sowie Mittel- und Südamerika bedroht. Doch auch in Deutschland wurden im vergangenen Jahr rund 600 Fälle gemeldet, meldet das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.
Jetzt berichten Forscher in zwei Fachartikeln im Wissenschaftsmagazin "Nature", dass es ihnen in einem Feldversuch gelungen ist, diese Dengue übertragenden Mücken durch Moskitos zu ersetzen, die immun gegen das Virus sind. Bakterien, die sogenannten wMel-Wolbachien, haben die Mücken immun gemacht, sie verleihen den Mücken eine Resistenz gegen das Dengue-Virus. Die Arbeit des internationalen Forscherteams um den australischen Biologen Scott O'Neill ist Teil der "Eliminate Dengue"-Kampagne, die von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung mitfinanziert wird.
Es zeigte sich, dass sich die Dengue-resistente Art mit den wilden Ägyptischen Tigermücken gepaart hat und deren Population innerhalb von drei Monaten nahezu flächendeckend verdrängt hat. Sogar in einigen Kilometern Entfernung wurden mit Wolbachien infizierte Mücken entdeckt, die derzeit keine Dengue-Viren mehr übertragen können.
Mücken, die jene immun machenden Wolbachien in sich tragen, sind gar nicht so ungewöhnlich: Wolbachia-Bakterien kommen in mehr als 60 Prozent aller Insekten vor. Sie dringen in die Geschlechtsorgane des Wirts ein und machen ihn immun gegenüber Viren und Parasiten. Andere Tiere und Menschen befallen die Mikroben nicht.
"Dass Wolbachien die Entwicklung des Dengue-Erregers hemmen und so eine Art 'Impfstoff für Mücken' darstellen, ist schon länger bekannt", sagt O'Neill, Biologe von der Monash University in Melbourne. Doch einen Bakterienstamm zu finden, der Stechmücken als Überträger ausschaltet, ohne ihre Lebens- und Fortpflanzungsfähigkeit zu verringern, das sei erst jetzt gelungen. Ein früher im Labor getesteter Wolbachia-Stamm machte die Mücken zwar immun, ließ sie aber auch eher sterben. Um sich in der freien Wildbahn halten und den gefährlichen Mückenbestand ersetzen zu können, müssen sich die Moskitos rasch vermehren und lange leben.
Resistente Mücken vererben Wolbachien-Bakterien
Bei der Verbreitung der Bakterien hilft ein Trick: Die Wolbachien sorgen dafür, dass alle Weibchen ihr Erbgut mitsamt Mikroben an Nachkommen weitergeben - auch wenn sie sich mit einem wilden, nicht-resistenten Moskitomännchen fortpflanzen. Paaren sich aber wilde Mückenweibchen mit virenresistenten Männchen, entstehen keine lebensfähigen Nachkommen. Dadurch wird der Wolbachienstamm immer auf die weibliche Folgegeneration übertragen. Das garantiert eine rasche Verbreitung in den Beständen der Ägyptischen Tigermücke - so die im Labor getestete Theorie.
Anfang des Jahres haben die Wissenschaftler nun im Osten Australiens überprüft, wie sich die gegen Dengue-Viren resistenten Stechmücken in der Natur verhalten. Dafür haben sie die Mücken mit Wolbachia-Bakterien aus der Schwarzbäuchigen Taufliege geimpft und in zwei Städten nahe Cairns - in denen Dengue-Fieber sporadisch auftritt - gezielt freigelassen. In Australien gab es 2010 laut WHO nahezu 600 Dengue-Fälle.
Um sicher zu gehen, dass dieses Experiment nicht aus dem Ruder läuft, haben die Wissenschaftler zuvor überprüft, dass die wolbachienhaltigen Mücken keine Schäden in der Umwelt anrichten würden. Eine unabhängige Analyse der CSIRO (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization) stufte die Risiken als "vernachlässigbar" ein, anschließend stimmte die australische Regierung zu.
Die Ägyptischen Tigermücken brüten bevorzugt in Regenrinnen, Eimern, Tümpeln und Pfützen. Diese Brutstellen haben die Forscher zunächst verringert, um die wilden Mücken zu dezimieren. Anschließend ließen sie zehn Wochen lang wöchentlich bis zu vierzigtausend virenresistente Mückenweibchen frei. In der Folgezeit registrierte das Team, wie viele Träger der Wolbachien sie in der Region fanden.
Lob von Forscherkollegen: "Bedeutender Schritt im Kampf gegen Dengue"
Auch wenn die Forscher noch nicht genau wissen, ob sich diese Mücken längerfristig in der Natur halten werden, sind Fachleute von ihrer Methode überzeugt: "Das ist ein bedeutender Schritt im Kampf gegen Dengue, auch wenn sich die Dengue infizierten Mücken dadurch nicht ausrotten lassen", sagt der Bonner Mikrobiologe und Parasitologe Achim Hörauf.
Der Wolbachien-Experte, der nicht an den Studien beteiligt war, ist überzeugt, dass der gelungene Freilandversuch einen Durchbruch in der Kontrolle von Dengue-Infektionen bedeutet. Allerdings bestehe die Möglichkeit, dass sich das Virus mit der Zeit an die bakterienhaltigen Mücken anpasst und dann wieder von ihnen übertragen werden kann. Für Hörauf liegt die Zukunft in der Kombination dieser "Mücken-Impfung" mit einer Schutzimpfung für den Menschen.
Doch bisher haben Wissenschaftler keinen Impfstoff gegen das Dengue-Virus gefunden. Die Suche, die bereits knapp 60 Jahre dauert, gestaltet sich schwierig, weil eine Impfung gegen Dengue nicht an Tieren getestet werden kann, da der Erreger nur Menschen befällt. Erschwerend kommt hinzu, dass es vier verschiedene Subtypen des Virus gibt, so dass die Schutzimpfung eine Immunantwort gegen alle auslösen müsste.
Im kommenden Jahr wollen die Wissenschaftler um Scott O'Neill herausfinden, wie sich die Bakterien infizierten Mücken in Gebieten schlagen, in denen das Dengue-Virus endemisch auftritt. Dafür wollen sie in Vietnam, Thailand, Indonesien und Brasilien weitere Versuche durchführen. Wenn das gelänge, wäre die "Mücken-Impfung" eine einfache und kostengünstige Lösung, um Dengue-Erkrankungen ohne teure Insektizide in den betroffenen, zumeist ärmeren Ländern einzudämmen.
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