AUSBREITUNG VON KRANKHEITEN
Denguefieber schürt in Asien Furcht vor dem Klimawandel
Aus Kuala Lumpur berichtet Michael Lenz
Eine Denguefieber-Welle schwappt über Südostasien hinweg: Mehrere Länder melden Rekordkrankheitszahlen. Forscher vermuten, dass die globale Erwärmung die Moskitos, die den Erreger übertragen, begünstigt. In Malaysia berieten WHO-Experten über den Teufelskreis aus Armut, Krankheit und Klimawandel.
Die südostasiatischen Länder werden in diesen Wochen von einer Denguefieber-Epidemie heimgesucht. "Dengue brandet durch Vietnam", meldet die Zeitung "Thanh Nien Daily". Die durch Moskitostiche übertragene Virusinfektion verläuft in etwa 30 Prozent der Fälle tödlich. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Zeitungen in Thailand, Kambodscha, Malaysia, Singapur und Indonesien nicht neue Rekord-Infektionszahlen vermelden. Einen 36-prozentigen Anstieg in Thailand meldet "Channel News Asia" aus Singapur. In dem Stadtstaat selbst wurde ein neues Allzeithoch erreicht. Und in Kambodscha waren im ersten Halbjahr 2007 bereits mehr Dengue-Todesopfer zu beklagen als im gesamten Vorjahr, wie die chinesische Zeitung "People's Daily" berichtet. Der US-Auslandsradiosender "Voice of America" fasst zusammen: "Anstieg des Denguefiebers alarmiert Südostasien".
Noch beunruhigender sind Meldungen über Fälle in Regionen, in denen der Aedes-Moskito als Überträger des Dengue-Virus bisher nicht vorkam. "In den malaysischen Hochländern sind die Temperaturen gestiegen", sagte ein Vertreter des Gesundheitsministeriums Malaysias. Anfang Juli berieten in der Hauptstadt Kuala Lumpur Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Dengue-Epidemie verlieh ihrem Gesprächsgegenstand besondere Aktualität - "Klimawandel und Gesundheit in Südostasien". In manchen Szenarien wird als Folge der globalen Erwärmung vor wahren gesundheitlichen Katastrophen gewarnt. Vorboten solcher Auswirkungen sind längst spürbar.
Thailändische Konferenzteilnehmer berichteten von Erkrankungen im bislang Dengue-freien Bergland im Norden Thailands. Carlos Corvalan, WHO-Koordinator für Umwelt und Gesundheit, sagte: "Derzeit leben etwa 35 Prozent der Weltbevölkerung in Dengue-Gebieten. Das kann durch den Klimawandel auf 50 bis 60 Prozent steigen."
Mehr Städte, mehr Slums - das perfekte Brutgebiet
Für Hirashi Ogawa, Umweltberater der WHO für Asien, ist die Ursache für die Dengue-Epidemie klar. "Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen und der Zahl der Dengue-Fälle", sagte er in Kuala Lumpur. Wissenschaftlich bewiesen ist das allerdings noch nicht, denn auch andere Faktoren tragen zum Anstieg der Dengue-Erkrankungen bei. Ein wesentlicher Grund ist die zunehmende Urbanisierung. Immer mehr Menschen aus armen ländlichen Gebieten ziehen in die schon jetzt aus allen Nähten platzenden Megastädte Asiens. Erst Ende Juni stellte ein Uno-Bericht fest: Im Jahr 2008 werden weltweit mehr Menschen in Städten leben als auf dem Land (mehr...) - besonders für Asien eine Herausforderung. Die Verslumung nimmt zu und damit die Vermüllung. Müll in Verbindung mit Feuchtigkeit und Wasserpfützen aber ist das perfekte Brutgebiet für die Larven der Moskitos.
Selbst die Verstädterung führen Experten zum Teil auf die globale Erwärmung zurück: Wenn Naturkatastrophen wie Überschwemmungen in Bangladesch, Sandstürme in China oder tropische Wirbelstürme an den südostasiatischen Küsten die Armut in den ländlichen Gebieten verschärften, steige der Druck zur Landflucht.
Düster hatte Anfang Juli Rajendra Pachaauri, der Vorsitzende des Weltklimarats IPCC, in Genf gewarnt: "Es wird auf die Armen und Hungernden zwei Auswirkungen geben - zuerst wird der Anstieg der Temperaturen, wie wir ihn vorhersagen, zu einer Zunahme von Hitzewellen führen. Das hat Folgen für die Gesundheit. Die andere schwerwiegende Auswirkung wird auf die Landwirtschaft sein." Temperaturanstieg, Landwirtschaft, Gesundheit - in Kuala Lumpur berieten Experten aus 16 Ländern über den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Krankheiten.
"Die Hauptkiller weltweit sind klimasensibel" - die Gesundheitssysteme Asiens könnten darunter zusammenbrechen
"Wir brauchen dringend gute Instrumente und Methoden, um präzise die Morbidität und Mortalität einschätzen zu können, die durch den Klimawandel verursacht wird", sagt Alexander von Hildebrand, Umweltberater der WHO. In Singapur sei immerhin eine Korrelation zwischen dem Temperaturanstieg und Dengue-Fällen (plus 1,5 Grad Celsius von 1978 bis 1998 bei gleichzeitiger Verzehnfachung von Dengue) beobachtet worden, berichtete Shigeru Omi, WHO-Direktor für die westpazifische Region. "Dringlichkeit zum Handeln besteht jetzt sofort", sagte von Hildebrand und forderte sofortiges Handeln. Durchaus angreifbar sagte er: Auf hundertprozentige wissenschaftliche Beweise für den Einfluss des Klimawandels auf die Gesundheit zu warten, wäre unverantwortlich.
"Die Hauptkiller weltweit sind klimasensibel", sagte WHO-Koordinator Corvalan. Durchfallerkrankungen töteten weltweit 1,8 Millionen Menschen pro Jahr. Die Hauptbetroffenen seien Kinder. An Malaria stürben 1,1 Millionen Menschen jährlich. Gar 3,7 Millionen Menschen verlören jedes Jahr durch Unterernährung ihr Leben. Diese Situation werde sich durch den Klimawandel drastisch verschärfen, warnte Corvalan und nannte ein Beispiel: "In Peru hat der Temperaturanstieg um ein Grad zu einer Zunahme der Durchfallerkrankungen um acht Prozent geführt."
Armut und überlastete Gesundheitssysteme
Die Liste der Krankheiten ist lang, von denen Experten fürchten, dass die globale Erwärmung ihre Ausbreitung befördern kann. So meldet das Düsseldorfer Zentrum für Reisemedizin, ein privates Institut des Fachverlags Thieme, dass Bücher und Newsletter zur Reise- und Tropenmedizin herausgibt: In Ostafrika hat die Höhenmalaria die 2000-Meter-Grenze überschritten. Die WHO berichtet von Fällen der Tropenkrankheit im bisher malariafreien Karibikstaat Jamaika, im Himalaya-Königreich Bhutan und in Papua Neuguinea, wo die Malaria bislang auch nicht verbreitet war.
Unter der Last der neuer Krankheiten könnten die schon heute überlasteten Gesundheitssysteme der meisten asiatischen Länder völlig zusammenbrechen, warnt von Hildebrand: "Die sind darauf nicht vorbereitet." Bereits jetzt ist die gesundheitliche Situation der großen Mehrheit der gut 1,7 Milliarden Menschen in Südostasien katastrophal. In Asien, Heimat von 60 Prozent der Armen der Welt, haben insgesamt eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Hinzu, so die Experten in Kuala Lumpur, kommen Krankheiten wie Aids und die immer noch nicht gebannte Gefahr einer Vogelgrippe-Epidemie unter Menschen - zusätzlich zu Dengue, das gerade die Schlagzeilen bestimmt.
WHO-Mann Hildebrand betont aber auch, dass Touristen trotz des Denguefiebers sich weiterhin unbesorgt an die Strände von Phuket, Langkawi oder Bali wagen können: "Bitte, kommt. Aber ins Reisegepäck gehört ein Moskitoabwehrmittel."
Aedes Moskito: Das Insekt ist der Überträger des Virus, welches das Denguefieber auslöst. Die Krankheit verläuft in rund 30 Prozent der Fälle tödlich ...
..., hier versprüht ein Dienstleister in Singapur Insektizide, um Aedes-Larven zu töten.
Südostasien: Die gegenwärtige Dengue-Epidemie in vielen Staaten Südostasiens fiel zusammen mit einer Konferenz der WHO über die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels, ...
... unter denen besonders die Armen in den schnell wachsenden Slums Asiens leiden dürften.
Der Spiegel 15. Juli 2007