Ein Tag im Reis

Erlebnisberichte zur Wissensbereicherung, Anekdoten oder auch fiktive Geschichten zur Unterhaltung posten. Wie das Leben in Korat, dem Isaan und Thailand spielt.
Benutzeravatar
koratwerner (†2012)
Thailand-Autor
Beiträge: 941
Registriert: Di Dez 26, 2006 4:28 pm
Wohnort: Korat

Ein Tag im Reis

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » So Apr 22, 2007 10:29 am

Ein Tag im Reis

Lam Plai Mat und Ban Krok Padu? Von diesen Orten im Isan, nahe der Provinzhauptstadt Buriram in Thailand, hat in Europa wohl kaum jemand ein Begriff. Im Internet findet man lediglich über Lam Plai Mat, dass es sich um eine Stadt mit etwa 20.000 Einwohnern handelt, die an der Bahnlinie von Korat nach Udon Thani liegt und über ein Amphoer, vergleichbar mit einem Bezirksamt verfügt. Lam Plai Mat ist aber auch ein Fluss, der aus den südlich gelegenen Bergen des Tap Lan Nationalpark kommend in den Mun mündet. Über Ban Krok Padu ist im Internet nichts zu finden und man muss schon eine sehr gute Landkarte einsehen, um diesen kleinen Ort südöstlich von Lam Plai Mat überhaupt zu finden. Der Zufall bringt mich dazu, über das Dörfchen Ban Krok Padu, dass sozusagen wie vergessen am Ende der Welt liegt, ein wenig zu schreiben.

Don, meine Partnerin ist hier geboren. Ihre Familienpapiere, die wir für die geplante Heirat benötigen, werden jedoch nicht in ihrem Dorf, sondern in der Stadt Lam Plai Mat geführt. Irgendwann ist irgendwo ihre Geburtsurkunde verloren gegangen. In Thailand an und für sich kein Problem. Doch wenn sie daran denkt einen Ausländer deutscher Abstammung zu heiraten, muss ein Ersatzdokument beschafft werden und das geht eben nur in Lam Plai Mat. Dazu muss das Hausbuch der Eltern, das ist so etwas Ähnliches wie ein Familienstammbuch, in dem aber auch der eventuelle vorhandene Haus- und Grundbesitz dokumentiert ist, herangezogen werden. Dons Vater, ein betagter, fast 90jähriger Mann lebt noch in Ban Krok Padu und bei ihm muss dieses Hausbuch abgeholt werden.

Über eine recht gut ausgebaute Landstraße fahren wir durch kleine Ortschaften und endlos erscheinende Reisfelder so an die 180 km bis Lam Plai Mat und von dort aus die letzten 20 km über eine mit Schlaglöchern reichlich gesegnete Piste zum Haus des Vaters. Wenige km vor dem kleinen Dörfchen kommen wir inmitten eines unbesiedelten Landstrichs an einer einsam an Straße stehenden Buddhastatue vorbei. Hier sollte wohl vor vielen Jahre einmal ein Wat entstehen, doch das Geld hat nur für diese Statue gereicht und damit die etwas vor der brennenden Sonne und dem Monsunregen geschützt ist, hat sie noch ein kleines Dach über den Kopf erhalten, denke ich naiv. Don klärt mich auf, das Dach ist kein Sonnen- oder Regenschutz, sondern hält die hier in der Einöde lebenden

Dons Vater arbeitet in seinem Alter nur noch wenig. Heute bewacht er lediglich die leer stehenden Häuser in der Nachbarschaft, kann aber mangels Besucher nur einige Futter suchende Hunde verjagen, die alle frei herumlaufenden Hauskatzen auf die nächsten Bäume hetzen. Papa Don liebt die Ruhe, denn er hat ein ereignisreiches Leben hinter sich, in dem er vier Frauen überlebt und zwölf Kinder gezeugt hat.

Ob er wohl deshalb so alt geworden ist? Nein, antwortet mir Don auf meine diesbezügliche Frage, Papa trinkt nicht und Papa raucht nicht. Dabei sieht sie mich sehr vorwurfsvoll, wenn nicht gar strafend an, denn ich bin kein Asket aus dem Isan der nicht raucht und nichts trinkt. Papa hat auch sein ganzes Leben lang nur Khao, Prick und Vitamin gegessen, (Reis, Thai-Chili und essbare Blätter), ergänzt sie ihre Ausführungen. Damit aber noch nicht genug. Don will es mir ausführlich erklären und daher erfahre ich, dass Papa ja viel an der gesunden Luft war und nie im Leben einen Moo (Doktor) gebraucht hat und sogar noch alle Zähne hat.

Und gearbeitet hat er auch sicher sehr schwer, versuche ich noch eins drauf zu geben. Nein, antwortet Don, die in Gedanken versunken meinen Scherz nicht so richtig mitbekommen hat, nein, gearbeitet hat er nicht viel. Die schwere Arbeit haben immer nur seine Frauen gemacht, Papa hat meistens nur aufgepasst. Mit diesen Worten hat Don einiges auf den Punkt gebracht, wie das Familienleben im Isan (auch heute noch) abläuft.

Da der Phuja Ban, der Dorfbürgermeister, Dons Geburt bescheinigen soll, geht es zu seinem Haus. Er ist nicht anwesend und muss gesucht werden. Wir fahren deshalb durch ein kleines Wäldchen zu den Reisfeldern des Dorfes. Irgendwann geht es nicht weiter und Don mach sich zu Fuß auf den Weg ihn zu suchen. Papa und ich sind währenddessen in der Mittaghitze zur wohltuenden Untätigkeit verurteilt. Ich nutze die Gelegenheit, schieße einige Aufnahmen von der näheren Umgebung und staune über die im Vergleich zu unserem Getreide doch recht kleinen Ähren der Reispflanzen. Ein junges Pärchen mit einer Mama auf dem Rücksitz kommt mit einem Motorrad an, hält an und versucht mit mir ins Gespräch zu kommen.



Einen Ausländer haben sie hier wohl noch nie in den Feldern gesehen und sind deshalb neugierig. Sie kommen vom Reisfeld der Familie und wollen sicher die Mittagspause in ihrem Haus verbringen. Verständlich, die junge Frau ist hochschwanger und hat eine schattige Pause sicher sehr nötig. Später erklärt mir Don, dass die junge Frau das Baby von Baby Papa ist, also ihre Kusine. Sie erklärt mir auch, dass das Motorrad auf lange Welle läuft und die Familie manchmal alles Geld zusammenkratzen muss, um die monatlichen Raten aufzubringen.

Während dessen ich die Leute fotografieren will, wendet sich die Mama ab, sie will nicht mit aufs Bild. Die Geister könnten sicher etwas dagegen haben, denkt sie vielleicht.

Als ich auf den Auslöser drücke, sehe ich durch den Sucher in der Ferne einen Erdhügel, der einem großen Termitenhügel gleicht. Auch Ihn will ich fotografieren und begebe mich in seine Nähe. Doch schon beim Näher kommen, bemerke ich meinen Irrtum. Termitenhügel können niemals so eine große Öffnung haben und ein blauer, mit irgendwas gefüllter Plastiksack, steht auch nicht bei den Termiten im Isan herum. Wenige Meter vor dem irdenen Ungetüm sehe ich um was es sich handelt. Es ist ein Brennofen, in dem die Reisbauern auf dem Land heute noch ihre Holzkohle selber herstellen. Zwar ist das Abholzen von Bäumen streng verboten, doch wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter und die Brennöfen stehen ja auch alle schön versteckt. Selbstgebrannte Holzkohle ist bei der einsam wohnenden Landbevölkerung immer noch das billigste und daher beliebteste Brennmaterial. Wie man auf dem Bild unschwer erkennt, ist beim Brennvorgang nicht alles Holz verkohlt. Sicher wird es beim nächsten Brennvorgang noch einmal der Feuersglut ausgesetzt.

Don kommt zurück, ihre Suche war vergeblich. Der Ortsvorsteher arbeitete heute auf einem anderen Feld, welches weit entfernt liegt. Sie ist enttäuscht, es geht ja um ihre Papiere. Ich bin nicht enttäuscht, habe ich doch einige interessante Aufnahmen machen können, mit dem ich diesen Bericht etwas illustriere.

Der Reisanbau ist eine mühselige Sache. Zuerst wird mit einem Pflug der Boden aufgebrochen. Da die Felder im leicht hügeligen Isan wegen der kleinen Erdwälle, die das Wasser zurückhalten sollen, relativ klein sind, können keine großen Pflüge eingesetzt werden. Die meisten Familien halten sich deshalb noch die traditionellen Wasserbüffel. Auf einem bewässerten Feld wird dann der Reis ausgesät und nach drei Wochen in Abständen von etwa 20 cm auf die einzelnen Felder von Hand ausgepflanzt. Im Isan ist wegen der klimatischen Verhältnisse und dem kargen Böden im Gegensatz zu anderen Anbaugebieten in Thailand nur eine einzige Ernte im Jahr möglich. Die Pflanzzeit richtet sich hier nach dem Monsunregen, der im Sommer den ersten Regen bringt und bereits nach wenigen Wochen wieder aufhört. Im Gegensatz zu den anderen Anbaugebieten in Thailand gedeiht hier allerdings der wertvollere Jasminreis, der Reisbauern etwas höhere Erlöse bringt.

Während der nächsten Monate müssen die Reisbauern immer dafür sorgen, dass die Felder etwas unter Wasser stehen. Sind die Felder zu trocken oder steht das Wasser nach starken Regenfällen zu hoch, verdirbt der Reis. Deshalb müssen die Bauern entweder Wasser zulassen oder es in Abflussgräben ableiten.

Ich rechne, etwa 1.800 Bath beträgt das monatliche Familieneinkommen eines Reisbauern im Isan. Ich reche noch einmal, doch es bleibt dabei, das sind etwa 40 Euro. Don hat von Korat aus einige kg Fleisch und Obst mitgebracht, verständlich. Einige Wochen später fahren wir noch einmal wegen ihrer Papiere in das vergessene Dorf. Diesmal beteilige ich mich an ihren Einkaufen. Wir nehmen aus Pauls Restaurant die Zutaten für ein Thai – Barbecue mit. Don hat vorher ihre Schwester angerufen, die ihren Vater versorgt und ihr von den Mitbringseln erzählt. Als wir gegen Mittag ankommen, dampft ein großer Topf voller Reis und an 15 hungrige Kinder, Frauen und Männer warten auf uns.

Bild Bild

Bild Bild

Bild

Zurück zu „Aus dem Leben“



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 56 Gäste