Dscharean

Erlebnisberichte zur Wissensbereicherung, Anekdoten oder auch fiktive Geschichten zur Unterhaltung posten. Wie das Leben in Korat, dem Isaan und Thailand spielt.
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koratwerner (†2012)
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Dscharean

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Fr Apr 20, 2007 3:58 pm

Eine Geschichte am Rande

Dscharean, sprich Dschalöön, ist sehr fleißig, gewissenhaft und Aufmerksam. Er ist in unserer Siedlung, meinem ersten Wohnsitz in Korat, der Security und Mann für alles. Er bewacht die Häuser, macht jede Stunde eine Kontrollfahrt durch die Straßen, sammelt den Müll ein, kassiert das Wassergeld, verteilt die Nachrichten der Siedlungsgemeinschaft usw. Wenn er seine Arbeiten erledigt hat, sitzt er im Schatten eines Baumes am Eingangsportal, beaufsichtigt die auf der Straße spielenden Kinder oder liest auch schon mal in einer alten Zeitung, die jemand bereits entsorgt hat. Nähert sich aus der Siedlung ein Auto, springt er diensteifrig auf die nicht einsehbare Hauptstraße. Entweder hält er das Fahrzeug aus der Siedlung an, wenn sich auf der Straße ein anderes Fahrzeug nähert, oder er gibt mit Handzeichen wie ein Verkehrpolizist freie Fahrt. Entsprechend verhält er sich, wenn ein Fahrzeug in die Siedlung einfahren will und immer beim Vorbeifahren nimmt Dscharean die stramme Haltung an, die mir schon bei unserer Ankunft auffiel, und grüßt zackig, wie ein Soldat.

Während der Renovierung unseres Häuschens hat der dienstbare Geist Sonntags mitgeholfen das Grundstück zu säubern, denn zum einen hatte er Sonntags viel Zeit, weil seine Frau ihn und seine zwei kleinen Kinder kürzlich sitzengelassen hat, zum anderen kann er ein paar Baht zusätzlich ganz gut gebrauchen, denn er bekommt im Monat umgerechnet so an die 35 Euro. Verdient hätte er vielleicht mehr, doch die Siedlergemeinschaft ist arm, stellt ihm aber eine halb verfallene Holzhütte am äußersten Rand der Siedlung zur Verfügung, in der er besser hausen, als wohnen kann. Sechzehn Stunden am Tag hat er Dienst, doch am Sonntag hat er frei. In Thailand ist eben manches anders.

Seine kleinen Kinder von 1 und 3 Jahren hat Dscharean bei der Familie Lurch untergebracht. Deshalb braucht er sich tagsüber keine Sorgen um sie zu machen. Nachts schläft er entweder in seiner Bruchbude, doch meistens bei der Familie L. im Zimmer seiner Kinder.

Als wir etwa vierzehn Tage in der Siedlung wohnen, ergibt es sich, dass sich Dscharean auf Freiersfüße bewegt. Eine junge Frau vom Lande ist in Sicht, die er tatsächlich schon einmal gesehen hat. Sie ist noch Jungfrau, hat aber bereits ein Kind, welches bei der Oma bleiben soll. Die Frau ist eine entfernte Verwandte der thailändischen Hausfrau der Familie H.J.L., die mutmaßlich den Deal von Anfang an gesteuert hat. So gut, so schön. Doch die ganze Sache droht zu scheitern, denn Dscharean hat keine finanziellen Rücklagen um das von der Familie der Braut geforderte Heiratsgeld in Höhe von 15.000 Baht, das sind etwa 300 €, aufzubringen. Für den armen Dscharean ist das wirklich eine sehr hohe Summe.

Da die Familie H.J.L. einerseits die Heiratsabsicht unterstützt, weil die neue Frau bei ihnen wohnen soll, damit die Hausfrau bei der Versorgung ihrer und seiner Gören entlastet werden kann, sind diese indessen auch nicht flüssig, weil eine größere Autoreparatur ansteht, die etliches kosten soll. Wer von den netten Hallunken auf die Idee kam, meine herzensgute Frau und mich im Namen des Freiers anzugehen, ist mir schleierhaft. Kurzum, Dscharean hat mitgeholfen unser Häuschen instand zu setzen und ich habe ihn später auch bei mehreren Gelegenheiten als fleißigen Arbeiter bei kleineren Reparaturen an unserem Haus kennen gelernt. Nun, Arbeit werde ich in Zukunft auch noch für ihn haben und ich kann ihm ja deshalb seine noch zu erbringenden Leistungen bevorschussen.

Leihen will ich ihm das Geld, sehen wir es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wieder. Wenn ich es ihm doch so ganz ohne Sicherheit leihe, dann verliere ich mein Gesicht, denn Geld verleihen wird als eine riesengroße Dummheit angesehen, weil man mit seinem Geld eben nicht richtig umgehen kann. Ich hab dem armen Kerl das Geld gegeben und er hat damit nach deutscher Vorstellung eine Frau gekauft. Am nächsten Samstag ist er mit der Familie H.J.L. losgefahren, hat die Frau sofort nach buddhistischem Ritual geheiratet und ist derzeit noch glücklich. Mein Geld wird er mir wohl nicht zurückzahlen können und wenn er seine Schuld bei mir nicht abarbeiten kann, dann ist es eben futsch und ich kann die Erfahrungen anderer dummer Leute in Thailand aus eigener Anschauung voll und ganz bestätigen.

Vielleicht arbeitet Dscharean seine Schulden aber auch wirklich ab. Am vergangenen Sonntag hat er jedenfalls damit angefangen. Am Abend kreuzt er unaufgefordert mit seiner neuen Frau bei uns auf, bringt Plastiksäcke und einen großen Rechen mit und beide säubern eifrig unseren in Laub versinkenden Vorgarten. Und heute hat er mich von einem großen Problem befreit.

Wie ich am Nachmittag so in der Küche stehe, mir etwas zu trinken machen will und dabei aus dem Fenster schaue, sehe ich doch so einen dicken grünen Strick an einem Baum herunterhängen. Wer hat das Ding denn da hingehängt, fährt es mir durch den Sinn und dabei sehe ich, dass der grasgrüne Strick einen Kopf hat und sich langsam der Erde zuschlängelt. Bums, da ist es passiert. Was ich insgeheim schon befürchtet habe, ist eingetreten. Da ist eine Schlange auf dem Grundstück. Über ein Meter lang und zwei Zentimeter dick. Was jetzt tun? Guter Rat ist teuer. Nun, ich rufe zuerst einmal meine Frau und zeige ihr das Viech.

Weil sie aber nicht weiß ob die Schlange giftig ist, schicke ich sie umgehend los, um Dscharean zu holen. Nach wenigen Minuten kommt der im Eiltempo ins Haus. Ich zeige ihm durchs Fenster die Schlange, die sich zwischenzeitlich in einen großen Tontopf eingenistet hat, nur mit dem Kopf über den Rand schaut und die Lage peilt. Dscharean ergreift einen Rechen, dreht ihn um und fischt mit dem Stielende das wirklich schön anzusehende Ungeheuer aus dem Tonfass, prügelte dann so lange auf dessen Kopf ein, bis es sich nicht mehr bewegt. Dann hebt er es mit dem Rechen auf und wirft es in hohem Bogen über die hintere Gartenmauer auf ein unbebautes, verwildertes Grundstück. Schade um das Tier, es war wirklich sehr, sehr schön. Schlange nicht tot, meint meine Ex zu mir, Schlange kommt wieder. Deshalb besser Schlange tot.

Heute ist der 15. Februar. Am 15. bekommt Dscharean seinen Lohn. Um 9 Uhr klingelt er bei uns und drückt meiner Frau 2000 Baht von seinen 5800 in die Hand. Es ist die erste Rate der Rückzahlung. Ehrlich gesagt, ich habe nicht damit gerechnet. Ich gebe Dscharean das Geld wieder und lasse ihn über meine Frau fragen, ob er das geliehene Geld im Laufe der Zeit abarbeiten will, denn damit würde er mir einen großen Gefallen tun. Da strahlt er über das ganze Gesicht und hört nicht auf, sich überschwänglich zu bedanken. Meine Liebste, die sonst strickt dagegen ist Geld zu verleihen, freut sich auch und meint, das sei sehr gut. Da zeigt es sich mal wieder, die Ärmsten der Armen sind meist die ehrlichsten Leute.

Die weitere Entwicklung dieser Geschichte verläuft allerdings in eine nicht erwünschte Richtung. Dschareans neue Frau hält nicht, was er sich von ihr versprochen hat. Statt Dschareans Kinder und die der Familie H.J.L. zu versorgen und die Wäsche zu plätten, bleibt sie lieber bis in den späten Vormittag hinein im Bett liegen. Frau L., die sich schon als Dame gesehen hat muss weiter voll ins Geschirr. Das geht nicht gut. Die junge Frau fliegt raus und haust mit Dscharean in der besagten Hütte. Da verläuft ihr Dasein aber auch nicht mustergültig ab und schon nach wenigen Tagen läuft sie mit wunderbar blau geschlagenen Augen durch die Straßen. Dschareans Kinder bleiben derweil noch bei der Familie L., werden aber wenige Tage später von Dscharean eingefangen, erst in seiner Hütte versorgt und nach einer Woche irgendwo bei seiner Familie untergebracht.

Familie L. schäumt vor Wut, denn jetzt bleibt Dschareans Geld für die Versorgung seiner Kinder aus und das fehlt an allen Ecken und Kannten. Dscharean ist von seiner neuen Frau enttäuscht, weil sie sich auch jetzt noch nicht um seine Kinder kümmert. Selbst sein Zureden mit den Fäusten ändert nichts daran. Da sie deshalb, wie beide sagen, ihm nur noch unter Anwendung von Gewalt zu Willen ist, bringt er seine Liebste wieder zu ihren Eltern und fordert sein Brautgeld zurück. Mittlerweile stellt sich heraus, dass Dscharean nicht 15.000 Baht Brautgeld gezahlt hat, sondern nur 12.000 Baht, das restliche Geld ist als Provision bei der Familie L. hängen geblieben, die jetzt versucht mir und ihren Nachbarn, die alle davon wissen, glaubhaft zu versichern für die gesamte Summe gerade stehen zu wollen. Die Nachbarn grinsen, meine liebe Frau nicht.

Dscharean, der inzwischen eine andere Arbeit angenommen hat, aber hier in der Siedlung in einem bis dato nicht bewohnten Haus wohnt um es im Auftrag des Eigentümers zu bewachen, leckt seine Wunden und pflegt in seiner Freizeit die Grundstücke von älteren Bewohnern und ich träume von Arbeiten, die ich ihm geben kann, um doch noch teilweise an mein Geld zu kommen.

Ach ja, da der Haushaltsvorstand der besagten Familie L. ist ein Landsmann ist und da er mir in anderen Dingen ja sehr viel geholfen hat, lasse ich ihn wegen der 3.000 Baht Provision ungeschoren davonkommen.

Die Moral von der Geschicht, traue einem Landsmann nicht!

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