Der ruhige Jens lebt in Thailand

Erlebnisberichte zur Wissensbereicherung, Anekdoten oder auch fiktive Geschichten zur Unterhaltung posten. Wie das Leben in Korat, dem Isaan und Thailand spielt.
johnny2 (?2009)
Korat-Isaan-Forum-Gast

Der ruhige Jens lebt in Thailand

Ungelesener Beitragvon johnny2 (?2009) » Do Mai 08, 2008 6:17 pm

Bei seiner Geburt in den Sechziger Jahren waren seine Eltern sehr froh gewesen. Nicht etwa, weil er ein erwünschtes ,Kind der Liebe‘ gewesen wäre. Sie warfen ihm sogar vor, er hätte sich trotz aller Vorsichtsmass-nahmen eingeschlichen. Doch schliesslich war der Vater stolz darauf, einen richtigen Sohn zu haben, dem er schon am ersten Tag ansah, dass er ihm sehr ähnlich sei, und die Mutter hielt sein Erscheinen wenn auch nicht gerade voller Mutterliebe, so doch dankbar für sehr zweckmässig.

Die freundliche und zurückhaltende Art als auch insbesondere das gute Gehalt ihres damaligen Freundes hatten sie überzeugt, dass er der ideale Mann für eine gute Versorgung und folglich für ein glückliches Familienleben war, ein Mensch, den man unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte als auch eines ersehnten Entgegenkommens einfach lieben musste. Sein einziger Fehler bestand darin, dass er sich einfach nicht zu dem ihm bedrohlich erscheinenden Eheglück überreden lassen wollte und noch nicht einmal über Heirat sprach. Vielmehr scheute er sich noch nicht einmal, in ihrer Gegenwart andere Frauen anzuschauen und war trotz aller Vorhaltungen nicht bereit, auf Begegnungen und Unterhaltungen mit ihnen zu verzichten.

Dies führte zur Vernichtung einiger völlig unschuldiger Anti-Baby-Pillen sowie einer hervorragenden schauspielerischen Leistung, als die werdende Mutter ihrem Freund mit äusserster Besorgnis mitteilte, dass ihr völlig unverständlich sei, dass bereits zum zweiten Male ihre Periode ausgeblieben sei. Prompt folgte sie seinem besorgten Rat, bei einem Arzt einen Schwangerschaftstest durchführen zu lassen und meldete ihm sein bevorstehendes Vaterglück, vorsorglich hinzufügend, dass es zu einer Schwangerschaftsunterbrechung bereits zu spät sei.

Der zu Anstand und Rücksichtnahme erzogene Freund entsann sich elterlicher Belehrungen über eine anständige Lebensführung und gewisse Verpflichtungen eines Vaters und adoptierte diese, womit er seinem vielversprechenden Leben eine völlig neue, aber unabänderliche Richtung gab. Er hielt es für erforderlich, als auch aus wirtschaftlichen Gründen für zweckmässig, in den Stand der Ehe zu treten und statt seines Lebens sein neues Ansehen als Familienvater zu geniessen.

So wurde Jens als Sohn anständig verheirateter Eheleute geboren und bewies bereits zu jener Zeit ein enormes Einfühlungsvermögen in seine Umwelt, indem er mit einem Charakterzug zur Welt kam, der ihm die Sympathie seiner Umwelt garantierte: Jens war ruhig. Er schrie nicht er lachte nicht, er war einfach nur ruhig und fiel überhaupt nicht auf. Seine Eltern gaben sich alle Mühe, an diesem angenehmen Wesen nichts zu ändern, indem sie ihn sorgsam ernährten und ansonsten so wenig störten, wie möglich. Und siehe, Jens verzichtete weitgehend auf die Bemühungen seiner Eltern und beschäftigte sich mit sich selbst.

Erst viel später, als er in die Schule ging, bemerkte er, dass es auch Eltern gab, die sich mit ihren Kindern beschäftigten. Doch erblieb ruhig, was dazu führte, dass die meisten Mitschüler ihn ignorierten und der Lehrer ihn sympathisch fand, auch wenn er ihn kaum kannte. Als Schlüsselkind wurde Jens auch kaum an seinem Aufwachsen gehindert und erduldete ruhig die entstehenden Störungen seines Lebens, wenn die Eltern spät abends nachhause kamen, sagten, sie müssten so viele Überstunden leisten, um den Lebensunterhalt zu verdienen, kurz von ihrer schweren Arbeit berichteten und flugs das Familienleben wieder ausschalteten, indem sie den Fernsehapparat einschalteten.

Sein Vater hatte zugesehen, wie sein Sohn heranwuchs und erfreut zur Kenntnis genommen, dass er nicht gezwungen war, sich mit seinem Sohn zu befassen oder sich gar mit ihm zu unterhalten. Aus diesem Grunde war er sicher, dass dieser nichts sehnlicher wünschte, als Elektriker zu werden, weil der Vater gerade in der richtigen Position war, dem Sohn in diesem Beruf eine Lehrstelle zu besorgen. Aufgrund einer Reorganisation der Firma, in der er wegen seiner Ruhe sehr beliebt war, erhielt er die Möglichkeit, in das Gebiet der Elektronik umzusatteln und seine Gesellenprüfung als Elektroniker abzulegen. In der Firma erkannte man seinen Wert als Mitarbeiter, der nur wenig sprach, nie widersprach und schon gar nicht protestierte oder etwa an Demonstrationen teilnahm. Schon vor der Gesellenprüfung erhielt Jens ein lukratives Angebot, weiterhin dort zu arbeiten und man stellte ihm auch eine kostenlose Zusatzausbildung und eine Gehaltserhöhung in Aussicht, um diesen bequemen, ruhigen und leistungswilligen Mitarbeiter nicht zu verlieren.

Es entsprach seinem Verständnis von Eigenaktivität, aber auch seiner Unsicherheit, dass er seiner Firma noch viele Jahre treu blieb. Tatsächlich wurde es sein liebster Aufenthaltsort und er verdiente viel Geld mit vielen Überstunden. Er war sogar froh, dass er dann untätig zuhause herumsitzen musste, wo seine einzige Tätigkeit darin bestand, Englisch zu lernen, weil diese Sprache für Elektronik und den Umgang mit Computern erforderlich war. Ansonsten blieb ihm nur der Fernsehapparat oder sein Stereogerät, die aber seltsamerweise nicht die Programme brachten, die er suchte und in keiner Weise für gute Unterhaltung sorgten.

Jens hatte schon immer an Unterhaltungsmangel gelitten. Es machte ihm weder Spass, Fussball zu spielen, noch konnte er sich dafür begeistern, sich am Wochenende die Spiele der örtlichen Vereine anzuschauen und drei oder vier Mal laut ,Tor!‘ zu schreien, damit die andere Besucher das auch nicht übersahen. Die Discothek war ihm zu laut und diente sicher nicht der Unterhaltung. Den Arbeitskollegen erschien er zu ruhig und nicht zu geselligen Abenden oder ausserordentlichen Unternehmungen geeignet. Am Stammtisch fühlte er sich ebenso deplaziert, wie in der Kirche und so beschränkte er seine Such nach Geselligkeit auf zwei Kurse, die wöchentlich einmal an der Volkshochschule stattfanden sowie auf ausgedehnte Spaziergänge, die aber auch nie gesellig waren. Es gelang ihm einfach nicht, Anschluss an irgendwelche Gruppen zu finden, die gesellige Abende oder Wochenenden veranstalteten.

Nachdem seine Eltern sich getrennt hatten, da sein Vater eine neue Frau gefunden hatte, die etwas jünger und etwas schlanker war, als seine Ehefrau und diese das herausgefunden hatte, war Jens in ein eigenes Apartment umgezogen, denn er empfand seine neue Stiefmutter als ganz und gar nicht gesellig. Zwar hatte er erklärt, dass er sich ein eigenes Apartment gemietet hatte, weil er seine Ruhe suchte, doch hatte er davon bald zuviel. Er besuchte Etablissements für Singles, wo er erfuhr, dass ihm das Draufgängerische fehle, was ihm aber nicht viel nützte. Dann kam er auf den Gedanken, seine Geselligkeit in einem religiösen Kreis zu suchen, bis nicht nur er, sondern auch die Leute bemerkten, dass ihm der rechte Glaube fehlte. Doch er hatte eine neue Idee, als man dort über gemeinsame Wallfahrten und Urlaubsreisen gesprochen hatte.

Einen Urlaub im Schwarzwald brach er frühzeitig ab, weil er sich dort noch einsamer fühlte, als in seinem Apartment. Dann buchte er einen Abenteuerurlaub, an dem er als Aussenseiter teilnahm und sich zum Abschluss schwor, nie wieder einen Abenteuerurlaub zu buchen. Auch das bei Deutschen so beliebte Mallorca vermittelte ihm weder das gesuchte Wohlgefühl noch eine Geselligkeit, die ihm behagte, und ob er auf einer überfüllten Insel oder an einem Baggersee in der Nähe seiner Wohnortes alleine ins Wasser ging, bedeutete ihm keinen grossen Unterschied. Doch er gab nicht auf und so erregte schliesslich eine Werbung für Junggesellenreisen seine Aufmerksamkeit und er meldete sich in einem Reisebüro.

Drei Wochen Thailand, dem Land des Lächelns, speziell für Junggesellen zusammengestellt, suggerierten ihm, dass er hier zusammen mit anderen Geselligkeit und Unterhaltung suchenden Menschen seinen Urlaub verbringen würde. Tatsächlich war es auch eine Gruppe von Männern, die sich auf dem Flughafen trafen und in Bangkok abgeholt werden sollten. Noch vor dem Einchecken wurden sie über die nächsten Schritte der Reise informiert, weshalb sie sich während der Wartezeit auf den Abflug zusammensetzten und miteinander unterhielten. Dabei erfuhr Jens, dass nur die wenigsten Reiseteilnehmer Junggesellen waren, vielmehr unternahmen sie einen Ausflug in die Junggesellenzeit. Und die Unterhaltung hörte sich gar nicht so an, als wenn hier Menschen auf der Suche nach Geselligkeit zusammengekommen waren, sondern eher, als wenn man einige Zuchtbullen zu den Kühen auf die Weide liess.

Die Männer unterhielten sich während der Wartezeit auf den Abflug und während des Fluges darüber, was sie unternehmen wollten, wieviele Frauen sie sich suchen wollten, was sie mit denen vorhatten und was sie von anderen über Thailand und die Frauen gehört hatten. Ein Fahrer, der mit einem Minibus erschienen war, holte sie vom Flughafen ab, wo einige Unentwegte bereits einige Flaschen ,Mekong‘, den thailändischen Reisschnaps, und ausreichend Bier eingekauft hatten, um Pattaya mit lustiger Unterhaltung und fröhlichen Gesängen, wie etwa ,Olé, we are the champs’, ,Chalalalala, chalala in the morning’ und anderen sinnvollen Liedern entgegenzuziehen. Das gab Jens rechtzeitig Gelegenheit, seine gewohnte Aussenseiterrolle einzunehmen und auf die versprochene Geselligkeit mit den Junggesellen zu verzichten.

Nachdem der Minibus das Hotel im Zentrum Pattayas erreicht hatte, wurden die Zimmer verteilt und man vereinbarte, sich nach einer Zeit des Einrichtens und Ausruhens bei Beginn der Abenddämmerung gegen 18 Uhr in der Empfangshalle des Hotels zu treffen. Es war kein Zufall, dass Jens nicht zu diesem Treffen erschien und nirgends aufzufinden war. Er hatte entschieden, dass er nicht wegen einiger heisser Nächte und einem möglichst häufigen Wechsel schöner Bettgefährtinnen nach Thailand geflogen war. So war er bereits eine Stunde vor dem Treffen beim Empfangschef erschienen und hatte ihn um einige Auskünfte darüber gebeten, was er in Pattaya unternehmen kann.

Der Empfangschef war ein netter Mann. Er hatte gerade Zeit, und da Jens ihn höflich angesprochen hatte, wollte er ihn auch gut beraten, zumal Jens nicht nach den billigsten und schönsten Frauen fragte, sondern erklärte, dass er am liebsten in netter Gesellschaft etwas von Thailand kennenlernen möchte. Der Mann meinte, das sei überhaupt kein Problem und entschloss sich, Jens nach einigen kurzen Fragen das zu erklären, was er für die Faustregeln für jeden Thailand-Besucher hielt.

Männer, die nichts weiter, als ein sexuelles Vergnügen suchen, haben die wenigsten Probleme. Sie finden Hunderte von Bars, an denen sie vielerlei Frauen finden, die sich ihnen anbieten. Bei einem Standardpreis von 500 Baht bis 800 Baht, je nach Alter, Schönheit und erwarteter Leistung ist die Auswahl der passenden Frau eine Sache des persönlichen Geschmacks und der tatsächliche Preis eine Verhandlungssache. Eine Frau, die einem Kunden als besonders schön oder wünschenswert erscheint, wird normalerweise mit etwa 200 Baht von der Bar ausgelöst. Dieses Geld wird dem Inhaber der Bar gezahlt und gilt lediglich als Entschädigung für die entfallende Arbeitszeit der Frau an der Bar. Was sie dann in der erkauften Freizeit tut oder nicht tut, ist eine reine Privatan-gelegenheit der Frau und sollte vor der Auslösung mit ihr besprochen werden. Die Zahlung der Auslösesumme berechtigt den Kunden zu nichts, doch herrscht ein stillschweigendes Einverständnis darüber, dass die Frau dann mit dem Kunden mitgeht.

Auch die Art und die Dauer des Vergnügens oder der Gesellschaft sollte von vornherein geklärt werden. Während es normal war, dass die Frau mit ihrem Kunden mitgeht und so lange bleibt, bis sie ihr Geld erhält und weggeschickt wird, kommt es immer häufiger vor, dass Frauen nach Ableisten ihrer sexuellen Verpflichtung ihren Lohn verlangen und ihren Kunden verlassen, wenn keine klaren Vereinbarungen getroffen wurden. Sie geht dann davon aus, dass der Kunde nur ein kurzes Vergnügen suchte und sie die von ihr erwartete Leistung bereits erbracht hat.
Er wunderte sich nicht, dass sie sich in den nächsten Tagen sehr viel Mühe gab, sich einzuleben und das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Allerdings wunderte er sich, dass Phrapa sich gar keine Mühe gab, sich nach Friseurkursen umzusehen, sondern sich viel mehr darum bemühte, von Jens etwas über den Umgang mit Computern zu erfahren. Nachdem sie ihn um Erlaubnis gefragt hatte, setzte sie sich an einen freien Computer, während er Unterricht gab oder Computer reparierte. Sie war auch losgezogen und hatte sich Bücher über Computerprogramme gekauft und schon nach zwei Monaten hatte sie eine Gruppe von Schülern aufgetrieben, denen sie den Umgang mit einem Computer und das Programm ,Word‘ beibrachte. Etwas später folgte dann auch das Programm ,Excel‘, womit sie Jens unterstützen konnte.

Dann fragte sie ihn eines Tages, ob es ihn sehr stören würde, wenn sie ihre dreijährige Tochter nach Pattaya holt und versprach, dass sie sich darum bemühen würde, dass die Kleine ihn nicht stört. Jens war darüber verwundert, denn das bedeutete, dass Phrapa nicht vorhatte, Friseuse zu werden und irgendwo einen Friseurladen zu eröffnen. Wollte sie vielleicht irgendwo ohne die nötigen Grundlagenkenntnisse eine Computerschule eröffnen? Oder wollte sie tatsächlich mit ihm leben? Sie kümmerte sich nun zwar um ihre kleine Tochter, an der auch Jens bald seine Freude hatte, aber ihre Bemühungen um seine Versorgung und um die Erweiterung ihrer Computerkenntnisse liessen nicht nach. Sie übernahm zunehmend Schülerkurse, mit denen sie Jens entlastete, der sich mehr um kleine Gruppen von Erwachsenen oder um einzelne Leute kümmerte, die es mit dem Lernen besonders eilig hatten. Um Phrapa zu entlasten, nahmen sie ein junges Mädchen auf, dass sich etwas um den Haushalt und wenn Phrapa ihre Kurse abhielt, um die kleine Tochter kümmerte. Das ging solange gut, bis Phrapa ein Kind bekam. Der Vater war sehr stolz.

Phrapa und der Vater erholten sich schnell und Phrapa übernahm bald wieder ihre Schülerkurse, während das Mädchen auf die Kinder aufpasste. Nun war es nicht so, als wenn der ganze Tag voller Computerkurse gewesen wäre. Die kleine Computerschule lief auf Phrapas Namen und brachte mit einigen wenigen Kursen gerade den Lebensunterhalt ein. Es waren selten mehr als zweimal zwei Unterrichtsstunden die sie am Tag gaben, abgesehen von einzelnen Erwachsenen, die bei Jens ihren Einzelunterricht hatten, und von seinen Computerreparaturen. So blieb noch genug Zeit für ein gemütliches Familienleben.

Sie hatten schon überlegt, ob sie durch Verträge mit Computerläden den Betrieb forcieren, womit sie sicherlich wesentlich mehr verdienen könnten, doch dann hätten sie den ganzen Tag zu arbeiten und es bliebe keine Zeit mehr zum Leben. Jens hätte dann fast genau dasselbe Leben, das er in Deutschland gehabt hatte, weshalb er nach Thailand gegangen war. Deshalb beliessen sie es bei den wenigen Kursen, denn zusammen mit den Einnahmen durch die Reparaturen und den Verkäufen thailändischer Artikel über’s Internet kam genug Geld für ein angenehmes und bequemes Leben zusammen. Schliesslich ging es ja nicht darum, reich zu werden, sondern vielmehr darum, sich mit einem angenehmen Leben miteinander wohlzufühlen und dafür sorgte Phrapa.

Sie war damit zufrieden, dass sie mit Jens gut zusammenarbeiten konnte und dass sie die Hälfte der Einnahmen durch ihre Kurse behalten konnte. Sie hatte nun schon seit einigen Jahren ein angenehmes und weitgehend selbständiges Leben an der Seite von Jens, sie hatte ihre Goldkettchen, ihren Schmuck und ihre Kleider, Unterhaltung mit ihren Freundinnen und schliesslich hatte sie ja auch noch die Kinder, die aber gleichzeitig eine Verpflichtung bedeuteten, wie Jens ihr hin und wieder in Erinnerung rief. Doch für Phrapa war es selbstverständlich, das die Kinder am Familienleben teilhatten. Freilich meinte sie, es wäre etwas übertrieben, wenn Jens darauf bestand, dass sie sich jeden Tag wenigstens eine Stunde mit den Kindern zusammensetzten und etwas gemeinsam unternahmen. Dabei sollten die Kinder auch gleich die Sprachen ihrer Eltern lernen. Jens konnte inzwischen schon ganz gut Thai sprechen und so kam es, dass Phrapa mit den Kindern grundsätzlich Thai sprach, während Jens mit ihnen in Deutschsprach, wenn es nicht gerade um irgendwelche eiligen Angelegenheiten ging, bei denen er dann auch Thai sprach.

Die Kinder sprachen zwar zumeist in Thai, obwohl sie den Vater gut verstanden, wenn er mit ihnen Deutsch sprach, denn er hatte sich viel mit ihnen beschäftigt und auch vieles was sie auf Thai hörten, auf Deutsch übersetzt und ihnen viele Geschichten vorgelesen. Sie gewöhnten sich daran, dass der Vater mit ihnen Deutsch sprach, sich aber nicht daran störte, wenn sie Thai sprachen. Erst ganz langsam, so nach und nach sprachen sie dann auch hin und wieder Deutsch zu ihm, bis sich irgendwann einbürgerte, dass sie zum Vater Deutsch sprachen und zur Mutter in Thai. Es sei denn es ging um irgendwelche eiligen Entscheidungen oder einen kurzen Hinweis, der dann auf Thai gesprochen wurde.

Es war gut, dass die Mutter etwas Deutsch verstehen konnte. Dies war der Erfolg einiger begrenzter Bemühungen mit Lehrbüchern gewesen, aber sie hatte sich trotz aller Aufforderungen von Jens nie richtig getraut, mit ihm Deutsch zu sprechen, so dass ihre Unterhaltungssprache Englisch geblieben war, eine Sprache, die sie beide gut genug beherrschten. Und auch das war gut, denn bei dieser Gelegenheit lernten die Kinder auch gleich Englisch. Sicher gab es eine Zeit, in der sie die Wörter, die ihnen in einer Sprache fehlten, durch die ihnen bekannten Wörter einer anderen Sprache ersetzten. Doch nachdem die Eltern sie dabei regelmässig korrigierten und ihnen die richtigen Wörter sagten, ohne dabei jemals böse zu werden, funktionierte die Familienunterhaltung problemlos.

Freilich gab es da noch das Problem der Schule, die in Thailand nicht nur einen schlechten Ruf hat, sondern ausserdem auch wirklich eher hemmend als fördernd ist. Aber es schien sinnlos, wegen der Schule nach Deutschland zu gehen, wo sie wohl alle nicht richtig leben konnten. Deshalb beschloss Jens, dass die Kinder ruhig in Thailand zur Schule gehen sollten, dass Phrapa und er sich aber jeden Tag mindestens eine Stunde zusammensetzen mussten, um ihnen die Lehrinhalte zu erklären, damit sie sie nicht nur auswendig lernen, sondern auch verstehen, die Schularbeiten zu überprüfen und nicht zuletzt, ihnen dabei zu helfen, den Lehrer und die anderen Schüler zu verstehen, was oft sehr schwierig wurde.

Als die Kinder eines Tages mit der Mutter auf einem Schulfest waren, dachte Jens über sein Leben in Thailand nach. Er war zufrieden und konnte hier gut leben. Sicher gab es hin und wieder etwas, was ihm hier fehlte, insbesondere an Waren und Kundendienst, an kulturellen Angeboten und manchmal waren es sogar Fernsehsendungen, die ihm fehlten, wenn sich über das Kabelfernsehen wieder einmal gar nicht finden liess, was er sich gerne angesehen hätte. Aber dafür hatte er hier die Freiheit, tun und lassen zu können, was ihm passte, wie es ihm passte und wann es ihm gefiel. Er war kein Befehlsempfänger, hatte niemand zu gehorchen und hatte keine Probleme mit Behörden, wenn man einmal von den ständigen Visareisen absah. Er lebte hier ein zufriedenes Leben in einem angenehmen Klima, mit dem Höchstmass an persönlicher Freiheit und einer Familie.

Er war nicht sicher, ob seine Frau ihn nun liebte, er war auch nicht sicher, ob er sie liebte, er war überhaupt nicht sicher, was Liebe sein sollte. Es war aber auch völlig sinnlos, hier Definitionen finden zu wollen, als ginge es um eine Grundsatzdefinition zur Bedeutung verschiedener Wörter. Es war doch wohl ausreichend, zu wissen, dass seine Frau für ihn da war, sich emsig darum bemühte, ihm das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Sie lebte mit ihm zusammen und tat alles ihr Mögliche, für das Wohlbefinden und das Zusammenleben der Familie.

Sicher mochte das zum Teil an ihrer Unsicherheit liegen, daran, dass sie nicht gelernt hatte, selbständig zu sein und sich ständig bemühte, zu tun, was man ihr sagte oder was man von ihr verlangte. Aber war es denn nicht genug, dass sie tat, was sie konnte? Und wenn sie halt nicht viel mit sich anfangen konnte und nichts fand, was sie selbst wollte oder was sie glücklich machte, dann hatte es doch keinen Sinn, sich darüber zu beschweren. Dann musste er sich eben bemühen, ihr für das, was sie tat, die Anerkennung und die Zuneigung zu geben, die sie verdiente. Wenn sie es nicht konnte, dann musste er eben dazu beitragen, ihr Leben angenehm zu gestalten, sie akzeptieren, ihr kleine Freuden bereiten und zu ihr stehen. Und das war es, worum er sich bemühte.

Ob man das jetzt Liebe nannte oder Freundschaft, Kameradschaft oder Zweckgemeinschaft, war doch völlig gleichgültig. Wichtig war, das sie etwas hatten, was er zuvor nie erlebt und in Deutschland auch nur selten gesehen hatte. Er nannte das ,ein zufriedenes gemeinsames Leben‘ mit zwei Menschen die füreinander da waren.

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