Leben im Reisland?

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koratwerner (†2012)
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Leben im Reisland?

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Do Jun 14, 2007 1:38 pm

Leben im Reisland ?

Im Juli, wenn die ersten Monsunregen auf die ausgedörrten Reisfelder im Isan nieder gegangen sind, ist Pflanzzeit. Im Gegensatz zu der fruchtbaren Zentralebene Thailands, wo in der Landwirtschaft große Felder dominieren die maschinell bearbeitet werden können, gibt es im Isan fast nur kleine Felder, die von einem Erdwall umgeben, nur sehr mühselig manuell bestellt werden können. Diese Erdwälle sind erforderlich, um das Wasser zu regulieren. Nach den ersten Regenfällen wird dieses kostbare Nass in die am tiefsten gelegenen Felder geleitet. Hier wird sobald wie möglich das Saatgut ausgebracht, welches nach etwa drei Wochen bereits 20 bis 30 cm hoch ist.

Inzwischen sind die anderen brach liegenden Felder gepflügt und so vorbereitet, dass die jungen Setzlinge aus den Saatfeldern eingesetzt werden können. Meistens geschieht das Pflügen mit einem kleinen Pflug, der von Wasserbüffeln gezogen wird oder mit einem kleinen zweirädrigen Motorpflug, der mühsam von den Reisbauern durch den schlammigen Boden gelenkt wird.

Je nach der vorhandenen Wassermenge werden jetzt die kleinen Felder nach und nach von Hand bepflanzt, wobei jeweils einige wenige der jungen Pflanzen aus den Saatfeldern im Abstand von etwa 30 bis 40 cm in die überschwemmten Böden gepflanzt werden. Vorher jedoch, wird der Boden mit einer Egge noch einmal aufgebrochen und mit Wasser vermischt, so dass die Setzlinge sozusagen später mit den Wurzeln in einem breiigen Schlamm gepflanzt werden. Auch bei diesem Vorgang werden Wasserbüffel eingesetzt, doch nicht selten sieht man auch, dass die Reisbauern eine kleine Egge manuell hinter sich her ziehen.

Dann wird gepflanzt und was sich dem Betrachter als ein höchst malerischer Anblick darstellt, wenn einzelne oder gar viele Menschen mit Strohhüten bedeckt mit nackten Füßen gebückt auf den überschwemmten Feldern stehen und den Boden bestellen, ist reine Knochenarbeit.

Die Bestellung der vielen kleinen Reisfelder im Isan zieht sich über mehrere Wochen hin. Immer wieder werden neue Saatfelder angelegt und es wird solange ausgepflanzt, bis auch das letzte Fleckchen Erde ausgenutzt ist. So kommt es, dass auf einigen Feldern der Reis schon in der Blüte steht und sich Rispen bilden, wohingegen das benachbarte Feld noch brach liegt oder gerade erst bepflanzt wurde. Durch diese zeitversetzte Anpflanzung, die natürlich auch auf mangelnde Arbeitskräfte zurückzuführen ist, entstehen weniger Ernteverluste, die aus den oft im Isan vorkommenden ungünstigen Wetterlagen durch Überschwemmungen oder Dürrezeiten resultieren.

Etwa drei bis vier Monate dauert es, bis der Reis geerntet werden kann. Das ist für die Reisbauern eine etwas ruhigere Phase, in der lediglich der Wasserstand auf den Feldern reguliert werden muss. Nach starken Regenfällen müssen die kleinen Dämme der Reisfelder angestochen werden, damit das überschüssige an Wasser abläuft, regnet es zu wenig, muss Wasser herangeführt werden und wenn dann keins vorhanden ist, vertrocknen die Reispflanzen.

Die Reisernte ist ebenfalls wie das Pflanzen eine mühsame Knochenarbeit. Unbegreiflich für mich, weil der Reis nach Ansicht der hier lebenden Menschen eine Seele hat, wird jeder Halm einzeln mit der Sichel geschnitten. Den ganzen Tag über stehen vom frühen Morgen bis zum Abend die Menschen gebückt auf den Feldern, schneiden die Halme und legen sie zum Trocknen einige Tage in lange Reihen aus.

Dann wird der Reis gebündelt, abtransportiert und vielfach noch von Hand gedroschen und durch Hochwerfen die Spreu vom Korn getrennt. Zwar gibt es auch Reismühlen, doch die Lohnarbeit kostet extra Geld und das mindert den Erlös.

Betrachtet man in dieser Gegend die Menschen, dann sind sie durchweg allesamt rank und schlank, wenn nicht sogar ausgemergelt. Die harte Arbeit und die karge Kost lässt es einfach nicht zu, dass die Menschen hier im Isan Fett ansetzen und so kommt es, dass vor allem die jungen Frauen durchweg eine gute Figur haben.

Da Reis und Grünzeug vielerlei Art der Hauptbestandteil der Nahrung ist, dessen Kohlenhydrate jedoch sehr schnell verbrannt werden, bzw. weil die essbaren Kräuter und Blätter dem Körper lediglich Mineralstoffe und Vitamine liefern, sieht man die Menschen oft beim Essen. Dann hocken sie im Schatten eines Baumes, stopfen sich mit den Händen den Reis in den Mund, halten ein Schwätzchen und erholen sich etwas von der harten Arbeit. Auch das sieht sehr malerisch aus und kaum ein unbedarfter Zuschauer wird empfinden, dass diese Menschen hier Tag für Tag ums reine Überleben kämpfen.

Auch ich habe bislang nur das exotisch schöne am Landleben der Reisbauern im Isan empfunden. Liegen doch zwischen der Zeit des der Saat und der Ernte große Zeiträume in denen kaum oder nicht auf den Feldern gearbeitet werden kann. Dann verrichten die Frauen die wenige Hausarbeit, kümmern sich um die Kinder oder halten ein Schwätzchen und die Männer dösen im Schatten ihrer Häuser in ihrer Hängematte.

Vielleicht, so könnte man denken, könnten sie ja auch mal an ihren oft alterschwachen Behausungen arbeiten und diese etwas renovieren. Doch das geht nun leider nicht, denn um einige Steine, Sand und Zement zu kaufen, ist kein Geld da und der Ernteerlös ist wegen der meistens hohen Verschuldung schon aufgezehrt, bevor der Reis geerntet ist und verkauft werden kann.

Während der Ruhezeiten in die großen Städte gehen und da arbeiten? Manche machen es, doch weil sie nichts anderes gelernt haben als Reis anzubauen, müssen sie sich mit so einem geringen Lohn begnügen, der kaum für ihren Lebensunterhalt reicht, geschweige denn, dass etwas für die Familie oder zur Tilgung der Schulden übrig bleibt.

Manche Familien versuchen auch mit einem kleinen Nebenerwerb etwas besser über die Runden zu kommen. Einige halten sich Rinder, die mangels ausreichenden Futter nur aus Haut und Knochen bestehen, andere versuchen Enten zu züchten, die aber auch gefüttert werden müssen, damit sie verkauft werden können und wer es mit einer Schweinezucht versucht hat, dem stehen die noch nicht bezahlten Ställe leer, weil von dem zu erzielende Erlös noch nicht einmal die Futterkosten, geschweige denn der Tierarzt bezahlt werden kann.

Viele versuchen auch ihr Glück mit einem kleinen Lädchen oder einer Garküche, doch auch das ist kein eitel Sonnenschein. Wer kann denn auch schon etwas kaufen, wenn er kein Geld hat? Ist der Kaufmann großzügig und schreibt an, dann läuft er seinem Geld hinterher und das fehlt dann an allen Ecken und Kanten um den Warenbestand zu halten.

Doch, auf den ersten Blick ganz erstaunlich, selbst in dem kleinsten Dorf stehen kleine und größere, oft sehr schmucke Häuschen. Doch man darf sich davon nicht täuschen lassen. Kaum einer der hier ansässigen Reisbauern hat das Geld dafür mit seiner eigenen Hände Arbeit erwirtschaftet. Oft stammt das Geld für solch ein Häuschen auch von einem Familienmitglied, welches trotz aller Probleme in der Fremde eine gut bezahlte Arbeit gefunden hat oder gar von einer Tochter, die einen generösen Ausländer geheiratet hat.

Manchmal zieht es meine Don auch hinaus aufs Land, wo sie geboren ist und ihr fast 90jähriger Vater wohnt. Papa Don, wie ich ihn nenne, hat angeblich sein Leben lang nicht geraucht und nicht getrunken. Da ich aber vermute, dass er bei seiner großen Kinderschar von immerhin 10 überlebenden Kindern nie Geld übrig hatte um einem dieser Laster anheim zu fallen, setzte ich die Probe aufs Exempel. Da Don einige Kilo Bratwurst, gekochten Schinken und einige Kilo Obst für ihre Familie kauft, nehme ich ein Flasche selbst angesetzten Kräuterschnaps mit. Papa Don, der nur noch wenig am Familienleben teilnimmt, probiert etwas davon und umgehend strahlt sein Gesicht wie die aufgehende Sonne. Dann greift er sich die Flasche und verschwindet klammheimlich in seiner Behausung.

Eine halbe Stunde später erscheint Don mit zornigem Gesicht bei mir und überschüttet mich lautstark mit einem Schwall voller Vorwürfe. Papa hat unbemerkt die halbe Flasche ausgetrunken und ist sanft entschlummert. Don meint aber, er ist ohnmächtig und sie hat Angst er müsste jetzt sterben. Klar, Papa hat so etwa 65 kg, ist kein Alkohol gewöhnt, hat wenig gegessen und ist in der großen Mittagshitze eingeschlafen. Nichts ist also mit Exitus, nach einer Stunde ist Papa auch schon wieder wach, doch seine Töchter haben seinen köstlichen Trunk vorsorglich konfisziert und Papa ist unwirsch. Ich aber grinse unverschämt, denn jetzt kann Don mir ihren geliebten Vater nie wieder als leuchtendes Vorbild präsentieren.

Papa Don wird von Dons Schwester versorgt, deren Mann entweder schon gestorben oder verschwunden ist. Bisher habe ich mangels Sprachschwierigkeiten jedenfalls nicht erfahren, was da Sache ist. Weiter ist da noch ein junger Mann im Haus, der bei unseren Besuchen immer unbeachtet teilnahmslos beiseite sitzt. Er ist mongolid und kann nicht sprechen. Nur sein manchmal aufmerksamer Blick zeigt, dass er zumindest etwas vom Geschehen um ihn herum wahrnimmt. Die Familie hält sich von ihm auf Distanz und lediglich wenn alle anderen gegessen haben, erhält er wortlos einen gefüllten Teller und ein Glas Wasser um seinen Hunger und Durst zu stillen. Bei entsprechender Zuwendung währe er vielleicht nicht so zurück geblieben, doch da seine Angehörigen in lediglich mit Speis, Trank und Kleidung versorgen, ist er das arme Menschenkind geblieben, als das er geboren wurde. Wer seine Eltern sind, konnte ich bislang nicht erfahren. Selbst Don sagt mir nichts. Später, sagt sie zu mir und damit ist die Sache für sie abgetan.

Zur weiteren Familie gehören auch zwei oder drei Schwestern, die im Dorf wohnen, sowie Dons Nichte, die bei ihren Schwiegereltern im Nachbardorf wohnt. Doch die werden nicht besucht. Da aber jedes Mal wenn wir hier eintrudeln die Buschtrommel in Funktion tritt, erscheinen sie alle und harren der Dinge, die da kommen müssen. Das sind primär die leckeren Sachen, die es hier nicht gibt und die sich diese einfach lebenden Menschen auch nicht leisten könnten. Doch zum gemeinsamen Essen auf der Sitzmatte steuert die Familie auch zu, was sie hat. Das ist Reis, rohes Grünzeug, Chilipaste und Wasser. Cola bringen wir nicht mit, doch Don rückt immer etwas Geld raus, damit die Nichte mit ihrem Motorrad einige Flaschen und dazu Eiswürfel in dem einzigen Laden am Ort holen kann.

Heute muss ich auf dem Weg hierher unterwegs anhalten, damit Don noch etwas einkaufen kann. Geheimnisvoll lächelnd erscheint sie dann mit einer großen Tragetasche in der, wie sich später herausstellt, so an die zwei kg geröstete Hühnerfüße sind. Wohlgemerkt, nur die Füße, an denen nur die Krallen entfernt worden sind. Ich bin entsetzt, doch als ich sehe, mit welcher Freude und Begeisterung die Familie sich an dieser Knabberei ergötzt, verkneife ich mir die bitteren Vorwürfe, die ich meiner lieben Don eigentlich machen wollte.

Heute ich auch Dons Tochter mit aufs Land gefahren. Als sie zu uns ins Auto klettert, ist sie voll behangen mit Plastiktaschen. Die sind voller gebrauchter Kleider, die scheinst unmodern geworden oder schon etwas abgetragen sind. Eine willkommene Gabe für ihre Cousine, deren einzige Jeans über Nacht trocknen muss, damit sie am nächsten Tag wieder angezogen werden kann. Sie hat auch mehrere Liter Milch für ihre Cousine gekauft, denn die stillt derzeit noch ihr Baby und kann die Kraftnahrung daher gut gebrauchen. Nicht nur die Cousine strahlt als ob Weihnachten währe, auch die ganze Familie freut sich mit ihr über die aus ihrer Sicht reichlichen Geschenke.

Papa Don, der auch unbedingt was Gutes tun will, bietet zum wiederholten male meiner Liebsten ein Grundstück an, damit sie ein Häuschen darauf bauen kann. Zum wiederholten Maße schaut mich Don fragend an und als ich zum wiederholten Maße meinen Kopf ablehnend schüttele, bedankt sie sich zum wiederholten Maße ablehnend bei ihrem groszügigen Vater.

Hier bauen, das würde bedeuten, dass ich auch hier leben müsste und das ist mir unmöglich. Hier, am Rand der Welt wo man nur über 10 km Schlagloch übersäter Schotterstraßen hin gelangt, wo es kein halbwegs vernünftiges Geschäft und Restaurant gibt, wo es statt einem Arzt lediglich einen Wunderheiler gibt, der beim Licht brennender Kerzen Sprüche murmelnd und Wasser um sich spuckend die Wehwehchen zu vertreiben sucht, hier, wo es keine Wasserleitung, keine Kanalisation und die moderne Zivilisation gibt, hier draußen, wo der kleinste Fortschritt mit zugehaltenen Augen vorbeigegangen ist, da kann ich nicht wohnen.

Don versteht mich, denn sie selbst lebt schon viele Jahre in Korat, der wohl am besten strukturierten Stadt im Isan und doch würde sie gerne wieder nach Hause kommen, der Familie wegen. Was ich aber nicht verstehe, dass sind die vielen Farang, deren thailändische Frauen sie überredet haben mit ihr in das Dorf ihrer Eltern zu ziehen. Sicher, soweit sie noch rüstig sind, können sie sich als Farmer betätigen, Rinder züchten, Zuckerrohr anbauen, einen Fischweiher anlegen oder sich sonst irgendwie sinnvoll betätigen. Doch was sie nicht können, das ist die große Kluft zwischen Armut und Reichtum zu überbrücken. Mögen sie auch ein relativ geringes Einkommen haben, sie sind immer noch bedeutend reicher, als die hier wohnenden Einheimischen. Mit denen müssen sie zusammenleben, müssen mit ihnen sprechen und sehen jeden Tag deren Nöte.

Wie verkraften sie es, diese materielle Armut mit ansehen zu müssen, ohne alles zu geben und selbst völlig zu verarmen? Auch wenn die Menschen in den Dörfern des Isan scheinbar trotz ihrer materiellen Armut glücklich und zufrieden leben, mich würde es psychisch zu sehr belasten jeden Tag hinter die Kulissen das da wohnende Elend ansehen zu müssen.


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Setzlinge werden umgepfanzt

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Vorher wird das Feld mit solch einem Gerät noch einmal umgebrochen

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Nachts wohnt man auch schon mal am Reisfeld in solchen Hütten

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Hier wird im Nebenerwerb Holzkohle gebrannt

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oder man züchtet Enten und Kühe, die nur Reisstroh fressen

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und das sind die historisch wertvollen, gut durchlüfteten Stelzenhäuser der Reisbauern
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

robbi
Korat-Isaan-Forum-Gast

Ungelesener Beitragvon robbi » Fr Jun 15, 2007 11:46 am

.....Auch wenn die Menschen in den Dörfern des Isan scheinbar trotz ihrer materiellen Armut glücklich und zufrieden leben, mich würde es psychisch zu sehr belasten jeden Tag hinter die Kulissen das da wohnende Elend ansehen zu müssen.



...Na muesste man sich nicht fairerweise erstmal die Frage stellen wie es die Armen verkraften mit einem fuer Sie doch relativ reichen Falang ploetzlich taeglich zusammen leben zu muessen,dessen augenscheinlicher Reichtum Ihnen ja nun taeglich vor den Augen rumgaukelt....

Da scheinen die Thais aber aufgrund ihrer Neigung immer nur das Positive sehen zu wollen klar in Vorteil.... :lol:

Negatives Denken verursacht ja auch nur puat hua...besonders beim weiblichen Teil.. :D

Man kann auch sehr gut mit kleinen wohldosierten Hilfen dem ein oder anderen auf die Spruenge helfen....nur sollte man nie den Ergeiz entwickeln das System an sich zu aendern......dann is man sehr schnell pleite und das ist auch genau das was sehr haeuffig in den ....falang geht in den Isangeschichten ... passiert.....

pen songsan ....is schoen und gut,aber wer zu nah am wasser gebaut ist der hat im Isaan wahrscheinlich wirklich besser nix verloren...dazu is das landleben in ganz asien (und auch in anderen Teilen der Welt)einfach zu brutal.


PS die Stelzenhaeuser gehoeren wirklich unter Denkmalschutz.... :lol:
irgendwann wird es diese Haeuser nicht mehr geben,was nicht heissen soll,dass sie durch was besseres abgeloest werden,sondern eher durch was schlechteres aus verostetem wellblech und beton..


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