Fünf Schweinsköpfe für einen Ehemann

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koratwerner (†2012)
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Fünf Schweinsköpfe für einen Ehemann

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Mo Nov 15, 2010 9:48 am

Eindrücke aus der Region Nakon Ratchasima im Isaan


29. Oktober 2010, Neue Zürcher Zeitung
Christian Güntlisberger

Rund ein Drittel aller Einwohner Thailands lebt im Isaan, dem Armenhaus des Landes. Die Menschen hier unterscheiden sich in Sitten und Gebräuchen deutlich von den übrigen Thailändern. Und der Isaan hat erstaunlich viel an Natur zu bieten.

Ning betet; die Finger auf Stirnhöhe zum Wat gefaltet, der höchsten Ehrerbietung, fleht sie die Grossmutter an, ihr zu helfen. Die Grossmutter und Ning sind nicht blutsverwandt – denn die Angebetete ist aus Holz geschnitzt und schaut stumm lächelnd aus dem Geisterhaus des Dorfes heraus. Jede Siedlung im Isaan hat so ein San Jaow Mae. Die Figur erinnert an eine verstorbene Frau, die zu Lebzeiten viel Gutes für die Gemeinschaft und das Dorf getan hat. Werden die Geister der Verstorbenen angerufen, davon sind die Thailänder überzeugt, kommt bestimmt Hilfe, die das harte Landleben erträglicher macht und die Dörfler von manchen Sorgen und Nöten des Alltags befreit.

Geisterhafte Partnersuche

Aus Ban Pinthong, etwa drei Autostunden von der Provinzhauptstadt Nakon Ratchasima entfernt, kommt Ning, die in ihrem jungen Leben schon einiges hat erdulden müssen – vor allem von den einheimischen Männern. Die 25-Jährige musste hart arbeiten und für die Kosten des täglichen Lebens aufkommen, derweil ihr Freund dem Alkohol frönte und sich die Zeit mit Nichtstun oder Kartenspielen vertrieb. Das wollte sich Ning nicht länger bieten lassen. Ein neuer Mann musste her! Doch im traditionsbewussten Isaan ist sie mit ihren 25 Lebensjahren eine reife Frau, die längst unter der Haube und die Mutter vieler Kinder sein müsste: Nachkommen stellen die einzige Altersversicherung dar.

Einen Thailänder zu finden, der sie trotz ihrem Alter zur Frau nimmt, ist schier unmöglich. Und da sie schon etliche Freunde hatte, ist die Suche erst recht aussichtslos. So hat sich Ning entschlossen, das San Jaow Mae aufzusuchen und die hölzerne Grossmutter um einen «Farang», einen Ausländer, zu bitten. Damit ihr Wunsch auch bestimmt erfüllt wird, hat sie der Verehrten den im Isaan gängigen Dankes-Tarif für einen ausländischen Ehemann versprochen – fünf Schweinsköpfe.

Nakon Ratchasima, das Tor zum Isaan, befindet sich 260 Kilometer nordöstlich von Bangkok. Es ist die grösste der 19 Provinzen und liegt auf einer Hochebene mit bis zu 1300 Meter hohen Bergen. Die Provinzhauptstadt trägt denselben Namen wie die Region, wird inzwischen jedoch meist Korat genannt. Über 200 000 Einwohner leben hier: Weitläufig ziehen sich die Wohn- und Geschäftsviertel hin. Wolkenkratzer gibt es keine, traditionelle Holzhäuser zieren das Stadtbild. Nur wenige neue Bauten stören die althergebrachte Architektur. Sauber sind die Strassen, von Hand gewischt, immer wieder, und zwar vornehmlich von Frauen, die das Gesicht vor Staub und Sonne mit einem Tuch verhüllen. Rikschafahrer, meist alte Männer, warten am Strassenrand auf Kundschaft, um das Einkommen, das sie als Reisbauern auf dem Lande verdienen, aufzubessern. Tuktuks, die dreirädrigen, lauten Motorradtaxis, verdrängen erst allmählich das umweltfreundliche, aber langsame Velovehikel.

Isaaner Gaumenfreuden

Es geht noch gemächlich zu und her in Nakon Ratchasima alias Korat. Einzig auf dem Markt herrscht schon morgens um sieben Uhr emsiges Treiben. Es wird geschwatzt, getratscht, kleine und grössere Geschäfte werden gemacht, und an jedem Stand bieten Händler Esswaren zum Probieren an. Sie halten auch Kräuterschnäpse gegen jedes körperliche Leiden und für jedes menschliche Verlangen feil. Doch aufgepasst: Schon beim Genuss von wenigen Tropfen können Sehstörungen auftreten; wer grössere Mengen einnimmt, riskiert nebst einem heftigen Schwips sogar Blindheit.

Froschfleisch ist eine beliebte Delikatesse im Isaan. Auf Eis zum Verkauf angeboten, hauchen die Tiere langsam in der offenen Markthalle ihr Leben aus. Verspeist werden auch Ratten; nicht die kranken, haarlosen aus den dunklen Seitensträsschen von Bangkok, wird uns versichert. Nur die gesunden und fetten Nager aus den Feldern der Region genügen den verwöhnten Gaumen der Korater: Das ist Bio «made in Isaan». Denn was nicht schnell genug weglaufen oder wegfliegen kann, steht zuoberst auf dem Speisezettel. Populär ist zudem der Klebreis in allen Varianten. In dieser Gegend lässt man sich die Essenszeiten nicht von der Uhr diktieren: Unzählige Male am Tag schieben fünf blosse Finger der rechten Hand den Reis zusammen mit scharfen Köstlichkeiten in einen hungrigen Isaaner Mund.

Die schöne, tapfere Moh

Bekannteste Repräsentantin aus Nakon Ratchasima ist Khun Ying Moh. Sie lebte von 1772 bis 1852 in Korat und wird noch heute landesweit verehrt. Ihr Denkmal steht vor dem alten Stadttor. Abends pilgern die Korater und die wenigen Touristen zur Statue, um sie anzubeten oder um sich an ihrer Geschichte zu erfreuen. Als 1826 der laotische König mit seinen Truppen die Stadt eroberte, bezirzte die schöne Gouverneursfrau mit ihrem makellosen Körper das Oberhaupt des nördlichen Nachbarlands – eine List. Sie veranstaltete zusammen mit anderen Frauen ein Trinkgelage und machte den Anführer und dessen Soldaten betrunken. Innert eines Monats konnten die Laoten, noch immer im Alkoholrausch schwebend, aus der Stadt hinausgeworfen und wie räudige Hunde verjagt werden.

Vor siebenhundert Jahren war das Reich der Khmer, zu dem Nakon Ratchasima und der restliche Isaan einst gehörten, zerfallen. Im 17. Jahrhundert ging der Isaan an Siam über, das heutige Thailand. Die berühmten Tempelruinen aus der Zeit der Khmer-Herrschaft, Angkor Wat, sind nur vier Autostunden von Korat entfernt, im kambodschanischen Siem Reap. Und 60 Kilometer von Korat liegt Prasat Hin Phimai: Die vielleicht schönste Khmer-Tempelanlage ausserhalb Kambodschas gehört zu den eindrücklichsten Sehenswürdigkeiten der Provinz Nakon Ratchasima . Beide Städte, Phimai und Angkor, waren in ihrer Blütezeit mit der sogenannten «Strasse der Könige» verbunden.

Wir fahren eindreiviertel Stunden aus der Stadt hinaus zu einem weiteren Highlight der Region: Ban Prasat. Nicht wirklich echt wirkt dieses Vorzeigedorf mit seinen rund 60 Häusern. Die Einwohner machen den Eindruck von Laiendarstellern ohne Feierabend, gehen uralten, traditionellen Handwerken nach und lassen sich und ihre einfachen Behausungen regelrecht von uns begaffen. Tür und Tor steht jedem Touristen offen. Die Häuser sind mit Namensschildern in Thai und in Englisch angeschrieben. Übernachtungen und das Kennenlernen des einfachen Landlebens sind gegen Bezahlung möglich und erwünscht. Schulmädchen, jung, hübsch und keck, machen das Victory-Zeichen und wollen fotografiert werden, während die alte Frau ihre Seidenraupen füttert, die gelben Kokons zeigt und sich dann demonstrativ wieder an den Webstuhl setzt und weiterarbeitet.

Ban Prasat ist aber auch eine Stätte archäologischer Funde. Mitten im Dorf sind in einem Museum über 60 menschliche Skelette und Tongefässe zu bestaunen; der Beweis dafür, dass die Korat-Hochebene schon vor 3000 Jahren besiedelt war.

Der älteste Nationalpark

Nichts Geringeres als ein Weltkulturerbe ist schliesslich der Nationalpark Khao Yai mit seinem riesigen Tropenwald. Immergrüne Trocken-, Regen- und Nebelwälder oder Graslandschaften beeindrucken alle Gäste. Über 2000 verschiedene Pflanzenarten sind hier zu finden, falls man im Dickicht des Parks überhaupt noch etwas zu erkennen vermag. Grün- und Brauntöne, in vielen Schattierungen und Varianten, dominieren die Fauna rund um uns herum – und wir hoffen, dass wir nicht von einem der letzten asiatischen Tiger angegriffen werden. Die Temperatur im Park ist konstant um die 26 Grad, also ideal für die heimischen Tiere. Es leben noch 200 wilde Elefanten in diesem Refugium, die in vielen Teilen Südostasiens bereits ausgerottet sind. Ein Trekking wird jedoch nur mit einem Guide gestattet; zu gross ist die Gefahr, dass man sich verlaufen und nicht gefunden werden könnte.

Später, als wir währschaft müde aus dem Dschungel wieder wohlbehalten nach Korat zurückgekehrt sind, fragen wir uns, was wohl in der Zwischenzeit aus unserer jungen Freundin in Ban Pinthong geworden sei, die wir gleich zu Beginn der Reise kennengelernt hatten. Ning hat nämlich versprochen, sie werde es allen Besuchern gerne erzählen, sobald ihr Wunsch nach einem «Farang», der fünf Schweinsköpfe wert ist, in Erfüllung gegangen sei.


Gut zu wissen:

Anreise: Von Bangkok aus verkehren täglich mehrere Busse nach Nakon Ratchasima / Korat. Taxis sind empfehlenswert.

Unterkunft Korat: Dusit Princess Korat, komfortables 4-Sterne-Hotel, Telefon 0066 44 25 66 29, www.dusit.com.

Klima: Im November bis Februar wird es tagsüber bis über 30 Grad und nachts kühl. März bis Mai steigen die Temperaturen auf 40 Grad. Von Juni bis Oktober ist Regenzeit mit viel Niederschlag.

Nationalpark Khao Yai: Im Halbstundentakt fahren Busse von Bangkok und Korat aus zum Besucherzentrum des Parks. www.dnp.go.th/parkreserve
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

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