Thailand – Kambodscha: Eine Hassliebe

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koratwerner (†2012)
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Thailand – Kambodscha: Eine Hassliebe

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » So Sep 06, 2009 11:21 am

Für das Verstehen der Rivalitäten zwischen Thailand und Kambodscha und die immer wieder aufflackernden Auseinandersetzungen, ist diese grundlegende Information wichtig, ebenso, wie für das Verständnis von Sitten und Gebräuchen, über die wir in der Zukunft berichten werden.

Die Tumulte in Phnom Penh, die am 29. Januar 2003 im Niederbrennen der thailändischen Botschaft gipfelten, waren damals sowohl unerwartet als auch schockierend. Die Unruhen verursachten nicht nur großen Sachschaden an der Botschaft (glücklicherweise kam niemand zu Tode) sondern belasteten die thai-kambodschanischen Beziehungen aufs Schwerste. Aufs Neue gibt es nun schwere Belastungen wegen der (provozierten?) Krise um Preah Vihar .

Um die tiefer liegenden Gründe, die zu diesen Ereignissen führten, zu verstehen und auch um in Zukunft derartige Ereignisse zu verhindern, bedarf es eines Ausflugs in die Geschichte der Beziehungen beider Länder

Unter den Nachbarländern Thailands gleicht keines mehr Thailand als Kambodscha, nicht einmal Laos. Beide Länder teilen die selben Bräuche, Sitten, Traditionen und Lebensart. Dies gilt insbesondere für die königlichen Bräuche, Sprache, Schrift, Vokabular, Literatur und Künste.

Bei all dieser Übereinstimmung ist es daher eigentlich überraschend, dass die Beziehungen zwischen Thailand und Kambodscha gekennzeichnet sind von tiefer Ignoranz, Missverständnissen und Vorurteilen. Tatsächlich gibt es so etwas wie eine Hassliebe zwischen den beiden Ländern.

Das mangelhafte Verständnis spiegelt sich im Denken eines erheblichen Teils der thailändischen Bildungsschicht und der herrschenden Klasse wieder, die zwischen Khom und Khmer unterscheiden, ja sie als zwei verschiedene ethnische Gruppen darstellen. Sie behaupten, dass es die Khom und nicht die Khmer waren, die die Tempelkomplexe von Angkor Wat und Angkor Thom bauten und ein Weltreich gründeten.

Sie behaupten ferner, die Khmer-Kultur, z.B. mit ihren verschiedenen Formen der Maskentänze, sei lediglich ein Derivat der Thai-Kultur. Sie behaupten all dies wohl wissend, dass das Wort „Khom“ aus dem Alt-Thai „Khmer krom“ kommt und soviel wie „Flachland-Khmer“ heißt. In der Umgangssprache wurde das Wort Khmer nach und nach weggelassen, und aus „krom“ wurde im Laufe der Zeit „klom, khalom“, später dann Khom.

Die über 800 km lange gemeinsame Grenze zwischen beiden Ländern ist ein Symbol der geschichtlichen Beziehungen zwischen Thai und Khom-Khmer, beginnend bereits vor der Gründung des Sukothai Reichs im 13. Jahrhundert, auch ein Beginn der Hassliebe...

Eine recht ähnliche Beziehung existiert zwischen Japanern und Koreanern. Vieles von dem, was heute die japanische Kultur ausmacht, ist unter dem Einfluss oder direkt aus dem koreanischen Kulturerbe entstanden. Buddhismus, Seidenherstellung, Lackierkunst, Architektur – viele Dinge, die die Japaner den Chinesen zuordnen kamen erst über Korea zu ihnen. Aber wegen seines erfolgreichen Aufstiegs zu einer Industrie-Großmacht übersieht Japan dieses Erbe und behandelt Korea als geringerwertig – oder hat dies zumindest in der Vergangenheit getan.

Diejenigen Elemente der Thai-Kultur, von denen man glaubt, sie seien aus Indien, wie z.B. Buddhismus, Architektur und sogar ein nicht unerheblicher Teil des Thai-Lexikons, kamen nicht direkt aus Indien nach Thailand. Vielmehr kamen sie sozusagen aus zweiter Hand, nämlich über die Tamilen in Sri Lanka, die Mon und die Khmer.

Kukrit Pramoj, ein bekannter Intellektueller und früherer Premierminister in Thailand sagt:
„Sogar das Konzept des Gott-Königtums (devaraja) und ein erheblicher Anteil des besonderen Vokabulars welches am Königshaus verwendet wurde und wird sind ein Derivat aus Kambodscha.“

Dabei waren in der Vergangenheit die Thaiführer durchaus voller Bewunderung für alles was Khom-Khmer war. Khun Pha Muang, Oberhaupt der Stadt Muang Rad, irgendwo im heutigen Nordthailand gelegen, maßgeblich beteiligt an der Gründung des Sukhothai Königreichs, erhielt den Titel „Sri Intrabodintrathit“, später in „ Sri Intrathit“ umbenannt. Er wurde ihm verliehen vom „phee fah“ der Stadt Sothonpura. Dies geht aus einer Inschrift auf einem Stein aus Sukhothai aus dem 14. Jahrhundert hervor, eine Inschrift, deren Authentizität nie bestritten wurde. Der Thai Ausdruck „phee fah“ (königlich) und der Ausdruck „Sri Sothonpura“ beziehen sich direkt auf einen Khom-Khmer König und seine Hauptstadt, nämlich Angkor.

Mit anderen Worten, die frühesten königlichen Titel der Thai – König Sri Intrabodintrathit, das Pra Khan Jayasri Schwert, und seine Gemahlin Sikara Maha Devi wurden aus der Khmer Zivilisation übernommen, zu dem Zeitpunkt eine der hoch entwickelten Kulturen Asiens und eine Quelle des Wissens für die Thai.

Der Respekt und die Bewunderung für alles was Khmer war charakterisierte auch die Ayutthaya Periode vom 14. Jahrhundert an. Bemerkenswert ist, dass die Blüte der Khmer Kunst und Kultur am Hofe des thailändischen Königshauses das Resultat eines Krieges war, eines Krieges in welchem die Sieger die Kultur der Besiegten übernahmen.
Die einst so prächtige Zivilisation der Khmer verfiel endgültig, nachdem Sri Sothonpura (Angkor Thom) dreimal hintereinander von Thai Heeren überfallen und zerstört wurde, zuerst durch König U Thong 1369, dann durch König Ramesuan 1388/89 und schließlich 1431 durch König Sam Phraya.

Auch in der Periode nach Ayutthaya war die Bewunderung der herrschenden Klasse für die Khmer Kultur ungebrochen. König Rama IV. (oder König Mongkut ), der von 1851-1868 regierte, befahl, einen kompletten Tempel in Angkor abzubauen und in Thailand wieder aufzubauen.

“The Royal Chronicles of King Rama IV” berichtet:
„Nach einer Reise in die alte Khmer Hauptstadt berichtete Phra Suphanphisan dem König, dass das Unternehmen undurchführbar sei, da die alten Steine zu mächtig und schwer seien, um transportiert werden zu können. Als der König dies hörte, befahl er, stattdessen den kleineren Tempel Prasat Ta Prohm abzubauen und zu transportieren. Vier Gruppen von je 500 Leuten wurden ausgesandt, um den Tempel am 9. Tag des 6. Mondmonats abzubauen.“


Das geschah 1860, einige Jahre bevor Thailand die Souveränität über Kambodscha an die Franzosen abtreten musste. Warum König Mongkut unbedingt einen echten Khmer Tempel in Thailand haben wollte, ist unklar. Jedoch scheiterte der Plan daran, dass einige 300 Khmer die 2000 Thai angriffen und in die Flucht schlugen. Auf diesen Vorfall hin gab König Mongkut seinen Plan auf und ließ ein kleines Modell des Angkor Wat Tempelkomplexes bauen.

Die Chronik berichtet:
„Handwerker bauten ein Modell des Angkor Wat und installierten es im Wat Phra Sri Ratanasasadaram ( der Tempel des Smaragd Buddhas), wo es noch heute zu sehen ist.“


Trotz aller Zuneigung und Bewunderung haben die Thai aber auch gelegentlich Hass gegen die Khmer entwickelt, was sich sehr gut durch ein Ritual mit Namen phithi pathomkam belegen lässt. Während Ayutthaya damit beschäftigt war, die Angriffe der Burmesen zurückzuschlagen nahm der Khmer König Satha die Gelegenheit wahr, Ayutthaya vom Osten her anzugreifen. Chroniken berichten, dass König Naresuan seine Gefangennahme befahl um ihn zu enthaupten und seine Füße in seinem Blut zu baden. Das pithi patomkam Ritual ist eine Aufführung dieser Geschichte. (ANMERKUNG: Inzwischen ist sicher gestellt, dass diese Version der Geschichte unzutreffend ist. König Satha kehrte unbeschadet zurück.)

Nach allgemeiner Ansicht von Thais heute sind Khmer Verräter und Undankbare. Diese Lesart wurde von König Vajiravudh, oder Rama VI (1910-1925) im Rahmen seiner Nationalismus Kampagne verbreitet.Sie wurde dann in den dreißiger bis vierziger Jahren von Feldmarschall Phinbun und Luang Wichit weiter entwickelt, als Thailand den Franzosen, mit Hilfe Japans, Siemreap und Battambang abnahmen.

Als der internationale Gerichtshof Kambodscha den Phrea Vihar Tempel zusprach wurde diese Feindschaft durch den Diktator Feldmarschall Sarit noch weiter geschürt. Auch der pro-Amerikanismus Thailands während des kalten Krieges, im Gegensatz zur Neutralität Kambodschas unter Sihanouk, war nicht förderlich für eine Versöhnung.

Die Geschichte Thailands und seiner Nachbarn, insbesondere Burma, Laos und Kambodscha hat positive und negative Elemente – es gab Hass wie bei den Thais gegenüber den Burmesen und es gab und gibt Überlegenheitsgefühle der Thais gegenüber Laos und Kambodscha, die zu starken Irritationen in diesen Ländern geführt haben.

Dieser Artikel beruht in großen Teilen auf der Arbeit des Thai Historikers Charnvit Kasetsiri, in der englischen Übersetzung nachzulesen unter

http://kunkhmerwarrior.com/history
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

Bernd
Korat-Isaan-Forum-Gast

Re: Thailand – Kambodscha: Eine Hassliebe

Ungelesener Beitragvon Bernd » So Sep 06, 2009 5:45 pm

Die Geschichte Thailands und seiner Nachbarn ...


Vielen Dank für diesen schönen Artikel.

Da ich ebenfalls an diesem Thema interessiert bin, freue ich mich umso mehr etwas Konkretes hierzu lesen zu dürfen. Die Informationen sind normalerweise eher dürftig. Wer sich wenigstens einen kleinen Überblick verschaffen möchte, kann auch gerne hier mal reinschauen ... http://www.siam-infocenter.de/


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