Don, meine Zukünftige

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koratwerner (†2012)
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Don, meine Zukünftige

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Sa Aug 09, 2008 10:14 am

Vor einigen Tagen war der 17. Juni. Wenn ich mich recht erinnere, war dieser Tag früher in Deutschland ein Feiertag, der Tag der deutschen Einheit. Für mich war das immer ein ganz besonderer Tag, nicht wegen der deutschen Einheit, sondern weil dann der Geflügelzuchtverein, in dem Vater Kassierer war, immer den Jahresausflug machte. An diesem ereignisreichen Tag wurde dann die Kasse auf den Kopp gehauen und weil es ja was umsonst gab, trachtete jeder Hühnerzüchter danach, dabei zu sein. Ich hielt zwar keine Hühner, doch weil Vater ja ein hohes Tier war, durfte ich immer mit.

Wir wohnten im Sauerland. Von da aus ging die Tour meistens zum Rhein, zur Mosel oder zur Aar. Weiter weg zu fahren war nicht sinnvoll, denn je weiter, desto teuerer war der Bus und demzufolge stand weniger Geld für den unumgänglichen gemeinsamen Umtrunk zur Verfügung. Also Rhein, Mosel oder Aar.

Bereits einige Tage vorher klapperten Adolf, der erste Vorsitzende und mein Vater, sowie ihre Ehefrauen die geplante Reiseroute ab. Beide waren nicht motorisiert und ich durfte sie deshalb fahren. Zuerst wurde auf der Strecke ein Lokal zum Frühstücken ausgesucht und getestet. Viel das Frühstück gut aus und das war immer der Fall, wurde für den Tag X festgelegt, was aufgetischt werden sollte und für etwa 50 Personen gebucht. Meistens verzichtete dann der Gastwirt darauf uns eine Rechnung zu stellen. Es wurde auch ausgemacht, dass der Busfahrer und seine Begleitung nichts zu bezahlen hatten. Mit der Begleitung war natürlich ich gemeint. Beim Mittag- und Abendessen, sowie bei der Übernachtung wurde genau so verfahren und wenn alles unter Dach und Fach war, hatten wir fünf ein schönes und billiges Wochenende hinter uns, denn die Benzinkosten übernahm selbstverständlich die Vereinskasse.

Es ist lange her und jetzt sitze ich schon am frühen Morgen bei eingeschalteter Air in Thailand vor dem PC und versuche meine erinnerungsreichen Gedanken auf ein anderes Thema zu lenken. Don, mit der ich jetzt bald 10 Monate zusammen lebe, ist schon mit ihren Klamotten ins Stadtzentrum gefahren. Sie und ihre Tochter verkaufen ihren Modeschmuck an der Straße in der Nähe der viel besuchten Statue der Thao Suranaree. An den schulfreien Samstagen und Sonntagen ist hier immer Hochbetrieb. Dann kommen aus der näheren und weiteren Umgebung die einheimischen Wochenendausflügler hier her, wie seinerzeit die Menschen in Deutschland wie die Fliegen an Rhein, Mosel und Aar eingefallen sind. Am Samstag und Sonntag wird also auch verkauft, denn dann läuft das Geschäft.

Don stammt aus dem tiefsten Isan, aus einem kleinen Dorf am Ende der Welt, von dem aus es nur noch wenige km weiter über staubige, bzw. schlammige Feldwege in die Reisfelder geht. Nur wenige Jahre hat sie da die kleine Dorfschule besucht, in der sie kaum lesen und schreiben gelernt hat und das natürlich in dem damals noch vorherrschendem laotischem Dialekt. Ihre Mutter war Alkoholikerin und fast jeden Tag betrunken, mau, wie man hier sagt. Irgendwann hat sie der Vater rausgeschmissen und sie zog mit ihrer kleinen Tochter in die mehr oder weniger große Anonymität der Stadt Korat. Hier haben sich beide mit Gelegenheitsarbeiten durchgeschlagen und mühsam ihr Leben gefristet.

Als Dons Mutter auf Grund ihrer Trinkerei und vielleicht auch wegen dem ewigem Chili Verzehr vermutlich an Magenkrebs starb, klammerte sich die inzwischen 17jährige an einen Mann, der als fliegender Händler billige Armbanduhren auf den Märkten verkaufte. Don war selbstverständlich mit im Geschäft, welches gar nicht so schlecht lief, denn nach wenigen Jahren konnte ein kleines Häuschen am Stadtrand von Korat gebaut werden. Wie zu erwarten, erhofft und gewünscht stellte sich auch alsbald Nachwuchs ein. Bo heißt sie und die jetzt 23jährige Tochter hilft jetzt ihrer Mutter beim Verkauf.

Nach achtjährigem Zusammenleben wurde dann formell geheiratet und alsdann begann für Don eine Leidenszeit. Ihr Mann wurde infolge eines geistigen Defekts immer mehr und mehr gewalttätig, schlug und misshandelte seine Frau aus jedem kleinen Anlass. Don spricht nicht darüber, doch oft massiert sie drei Finger ihrer rechten Hand, die ihr Ex ihr bei einer Auseinandersetzung einmal in rasender Wut gebrochen hat.

Irgendwann vernachlässigte der Mann seine Arbeit und blieb einfach lethargisch im Haus. Don musste das Uhrengeschäft alleine betreiben und wenn nicht genügend Geld ins Haus kam, gab es Vorwürfe und Schläge. Vier Jahre nach der Heirat betrieb Don dann die Scheidung und erhielt die Hälfte des gemeinsamen Vermögens, also die Hälfte des Hauses, in dem aber ihr Ex weiterhin wohnen darf. Bo, ihre gemeinsame Tochter soll es später erben und deshalb wohnt sie heute noch hier, versorgt nach der täglich 12stündigen Arbeit ihren inzwischen als geisteskrank deklarierten Vater, und sorgt dafür, dass er regelmäßig die ihm verschriebenen Psychopharmaka einnimmt.

Nach der Trennung konnte Don mit einer Sicherheitsleistung in Form ihres halben Hauses bei einer Bank einen Kredit bekommen, mit dem sie ihr jetziges Geschäft finanzierte. Jeden Monat zahlte sie etwas zurück. Das wurde jeweils in ihrem Bankbuch vermerkt. Das Bankbuch ist heute abgegriffen und zerfledert und doch der größte Schatz, den Don nach ihrer Tochter ihr Eigen nennt. Sie hat es mir einmal gezeigt und da konnte ich sehen, wie über mehrere Jahre hinweg ihre Schuldsumme immer geringer wurde und eines Tages die Zahlen vom Minus ins Plus hinüberwechselten.

Langsam, ganz langsam, wurden die Zahlen immer länger. Heute weiß Don, dass sie eigenes Geld auf der Bank hat, doch bereits jenseits von zehntausend Bath hat sie kaum noch ein Begriff, über was für ein kleines Vermögen sie verfügt. Sie weiß nur, dass sie nach den thailändischen Begriffen der armen Bevölkerung reich ist. Darauf ist sie stolz. Sie spart ihr Geld fürs Alter, denn irgendwann kann sie ja nicht mehr arbeiten und ihr Geschäft steht zudem ja auch noch auf tönernen Füssen, weil die Stadtväter von Korat den Straßenhandel rund um das Denkmal der Thao Suranaree am liebsten untersagen würden.

Für mich unbegreiflich, doch überaus erfreulich, Don haut mit Ihrem Geld nicht auf den Putz. Die meisten Thaifrauen stellen ihr Vermögen zur Schau, um ihr Sozialprestige aufzupolieren. Sobald es nur irgendwie geht, hängen sie sich eine möglichst dicke Goldkette um den Hals, polieren sich auf und laufen mit den neuesten Kleidern herum. Don macht nichts dergleichen. Sie wieselt mit alten Jenas durch die Gegend, kennt keinen teueren Friseur, trägt noch nicht einmal ein Stück von ihrem billigen Modeschmuck, geschweige denn Gold, ist unzufrieden, wenn ich mal mit ihr in ein teueres Restaurant gehe und ernährt sich am liebsten immer noch von Reis und frischen Kräutern, denen sie mit Hilfe des scheinst unentbehrlichen Chilis die Würze der armseligen Küche der Reisbauern des Isan verleiht.

Wenn ich jetzt zehn Monate zurückschaue, dann wundere ich mich sehr darüber, dass sie damals so Knall auf Fall zu mir gezogen ist. Zu Anfang habe ich angenommen, dass sie, wie so viele Thaifrauen, nur materiell versorgt sein will. Heute zweifele ich daran, denn außer etwas Taschengeld, mit dem sie ihren Warenbestand so nach und nach erhöht oder es zur Bank bringt, will sie nichts. Trotzdem wir uns mehr leisten könnten, lebt sie bislang genau so bescheiden weiter, wie sie vorher gelebt hat.

Das muss für sie gar nicht so leicht sein, denn sie hat ja einen Farang. Einen Farang zu haben ist in den Augen aller Thais gleichbedeutend damit, nicht mehr arbeiten zu müssen. Vor allen Dingen reiben ihr das die anderen Straßenhändler in ihrer Nähe Tag für Tag unter die Nase und würden natürlich liebend gerne sehen, sie als lästige Konkurrenz so schnell wie möglich los zu werden. Sie jedoch macht eisern weiter und erklärt den missgünstigen Neidern, dass ihr Farang selber nicht viel Geld hat und das er sie auch sitzen lassen könnte und da er auch auf keinem Fall für ihre Tochter sorgen könnte und sie schon alleine deshalb ihren Laden weiter betreiben müsste. Das reicht dann meistens bis zum nächsten Tag, denn dann wird von den lieben Kolleginnen und Kollegen aufs Neue gehetzt und gestichelt.

Wie schon gesagt, Don hat nur eine geringe Schulbildung, doch ihr hartes Leben, sich durchbeißen und behaupten zu müssen, hat sie gelehrt. Sie kann kaum rechnen, kennt keine Verlust- und Gewinnrechnung und ich werde den Teufel tun, ihr in ihren Kram rein zu reden. Ihre Kalkulation ist einfach. All das, was sie alle par Wochen auf dem Großmarkt einkauft, der in der Nacht von 4 bis 7 Uhr in den Gassen des Chinatown in Bangkok statt findet, muss mit einem Preis ausgezeichnet sein. Den Einkaufspreis verdoppelt sie und wenn sie das bunte Zeugs in Korat gut verkaufen kann, stimmt ihre kleine Welt.

Von dem Erlös bezahlt sie dann die Standmiete an die Stadtverwaltung und den Fahrer des Tuk Tuk, der morgens schon gegen 7 Uhr ihre Ware und den mobilen Stand bei uns Zuhause abholt und wenn es wie-der dunkel ist, zurück bringt. Etwas von ihren Einnahmen wird fürs Essen abgezweigt, Bo bekommt Benzingeld fürs Motorrad und ich vermute auch etwas um ihren Vater zu ernähren und der Rest wandert abends in eine Schublade. Hin und wieder zählt sie dann ihr Betriebskapital, packt die einzelnen Scheine in Päckchen zu jeweils tausend Bath und wenn sie dann so an die 15 bis 20 Bündelchen zusammen hat, ist dass das Signal, wieder in Bangkok neue Ware einkaufen zu müssen.

Schon einige Tage vorher zählt sie immer wieder ihre Barschaft und fängt an zu planen. Planen? Natürlich, sie plant ihre Fahrt, denn die soll ja möglichst bequem sein und möglichst wenig kosten. Da ich ihr ausgeredet habe selber ein Pik Up zu kaufen, weil wir ja einen haben, mit dem ich allerdings nicht nach Bangkok fahren darf, weil es nach ihrer Meinung zu anstrengend für mich ist und außerdem auch wegen dem hohen Spritpreis zu teuer ist, sucht sie nach einer Mitfahrgelegenheit. Meistens wendet sie sich an einen jungen Mann, der in Korat in zwei oder drei Geschäften die hier allseits so beliebten Gummilatschen verkauft.

Der junge Mann hat einen nagelneuen Pik Up und freut sich, wenn er jemanden mitnehmen kann, der sich an den Spritkosten beteiligt. Don ist etwas bissig auf ihn, denn er hat nicht nur einen schönen Pik Up, sondern auch ein neues Haus für seine junge Familie gebaut. Der verdient viel Geld, meint sie, und immer wenn wir in Bangkok sind, kauft er für seine Frau so schöne Sachen. Er hat auch so viel Geld, dass er unterwegs immer in einem teueren Restaurant leckere Sachen essen kann, sagt sie dann noch und ich merke ihr an, dass sie doch etwas neidisch sein kann.

Am Einkaufstag kommt abends ihre Tochter Bo zu uns. Bis gegen 24 Uhr dann der Schuhhändler kommt und beide abholt, wird wieder geplant und überlegt, was eingekauft werden muss. Bo hat meistens schon ein Wunschzettelchen angelegt. Don mäkelt daran herum, denn mit diesem Kinderkrams will sie sich nicht abgeben. Es wird palavert und Bo überzeugt sie letztlich doch davon, dass sich dieses kleine Kinderspielzeug doch gut verkaufen lässt. Später hängt sie dann die bunten Sachen in Sichthöhe der kleinen Kinder, die mit ihrer Mutter am Stand vorbeikommen und der Erfolg gibt ihr Recht.

Da Bo etwas kräftiger ist, wie Don, darf sie bei der Einkaufstour in Bangkok den immer schwerer werdenden Rucksack tragen. Don, die schon länger im Geschäft ist, feilscht derweil mit den Verkäufern, doch meistens vergeblich. Da in dem Gedränge der vielen Menschen sich auch Taschendiebe tummeln, hat sie ihr Geld in ihren Hosentaschen verteilt. Im Falle eines Falles ist dann wenigstens nicht alles weg. Bo trägt wegen der Diebe den Rucksack sogar auf der Brust, so dass niemand mal eben ungesehen da hineingreifen und etwas verschwinden lassen kann. Am Ende ihrer Einkaufstour schleppen dann beide so an die 30 kg Ketten Ringe, Armbänder und was weiß ich noch für Krims Kram zu dem irgendwo in einer Seitenstraße abgestellten Auto.

Da außer Don und Bo fast immer auch noch eine oder zwei weitere Frauen als zahlende Beifahrer zum Einkaufen mit fahren, muss der Fahrer unterwegs drei bis vier mal an einer Tankstelle anhalten. Auf jeden Fall kurz vor Bangkok, denn die Damen haben scheinst eine schwache Blase und da es außerdem nächtens auf dem Markt keine Toilette gibt, ist das halt erforderlich. Irgendwann am Nachmittag sind dann alle wieder kaputt und müde in Korat. Don und Bo sortieren jetzt noch ihre Einkäufe, bringen die neuen Preisschildchen an und dann ist der Tag gelaufen.

Leider lief ihre letzte Einkaufstour etwas schief. Trotz der Zusage des Schuhhändlers konnte er nicht fah-ren. Weil er all zu lange mit den Raten in Rückstand gelangt war, hatte doch die Finanzierungsgesellschaft einfach den schönen neune Pik Up eingezogen und die Bank hatte sogar Hand auf das schöne neue Häuschen gelegt. Die Mama des Schuhhändlers, die wohl gebürgt hatte, war auch nicht mehr in der Lage einzuspringen und das große Elend war da. Gegen Mitternacht musste ich meine Lieben also zum Busbahnhof bringen. Beide setzten ein belämmertes Gesicht auf, doch was sein muss, muss eben sein. Die Fahrt mit dem Bus ist zwar nicht unbequemer, doch weil in Bangkok angekommen, vom Busbahnhof Moschit aus ein Taxi genommen werden muss, ebenso bei der Rückfahrt, betragen die Fahrtkosten halt den doppelten Betrag.

Für Don ist die bedauerliche Pechsträhne des Schuhverkäufers eine Lehre. Insgeheim träumt sie ja auch von einem Pik Up für ihre Tochter und sie träumt auch von einem neuen schönen Häuschen und ihre Bank hat ihr ja schon angeboten das alles weitgehend zu finanzieren. Jetzt sieht sie, wie schnell doch solche nicht bar bezahlten Träume platzen können und sie sieht auch ein, dass im Falle eines Falles all ihr, über Jahre hinweg eisern gespartes Geld, verloren ist.

Don möchte, dass wir so bald wie möglich heiraten. Ihr ist es zwar egal wenn wir ohne Trauschein leben, doch da ist ihre Familie. Ihre 12 Geschwister sind alle ordentlich verheiratet oder korrekt geschieden. Das heißt, außer der buddhistischen Hochzeit wurde auch jede Trauung vor einem thailändischen Standesamt vollzogen bzw. aufgelöst. Und da ist ja auch noch ihr jetzt 89jähriger Papa. Auch er legt Wert auf eine richtige Trauung vor einem Standesbeamten und dann will er Don ein Grundstück schenken, damit sie darauf später mal in ihrem Heimatdorf ein Häuschen bauen kann. Doch nicht deshalb, nur der Ordnung halber und weil sie vielleicht später einmal eine Witwenrente erhält, was ich ihr aber noch verschweige, wollen wir heiraten. Sie gefällt mir und ich mag sie. Ich glaube, sie mag mich auch. Warum also nicht sogar gemeinsam ein Häuschen bauen? Don spricht oft davon. Ein eigenes Haus ist für jede Thaifrau ein großer Wunsch. Für eine Thaifrau, die mit einem Ausländer verheiratet ist, ist das eigene Haus sogar so etwas wie ein Muss. Erfüllt er ihr nicht diesen Wunsch, dann taugt er nichts.

Don wird also bald meine zweite Frau in Thailand. Ich warte nur noch auf mein Ehefähigkeitszeugnis aus Deutschland und dann laufen wir in den Hafen der Ehe ein. Dann gibt es auch für sie ein Haus, doch nicht in der Einöde des Isan, sondern in Korat.
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

tuktuk
Gast

Re: Don, meine Zukünftige

Ungelesener Beitragvon tuktuk » Mi Sep 17, 2008 8:51 am

Hallo Werner,
ich gratuliere Dir zu solch einer Frau und zu solch einem Bericht.Du hast mir sie, aber auch Eure Beziehung sehr deutlich und lebendig nahegebracht. :wave


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