Thailands erster Weinberg
Verfasst: Sa Feb 28, 2009 6:46 pm
Thailands erster Weinberg
Tropische Tropfen: Früher wurde Thaiwein belächelt, heute bietet Südostasiens größte Weinkellerei exzellente Rot- und Weißweine. Im Februar ist Weinlese
Wahrscheinlich hat er diesen Satz schon unzählige Male formuliert. Dennoch wirken die Worte des in Thailand lebenden Deutschen Heribert Gaksch keineswegs einstudiert, sondern frisch wie dieser Vormittag am Rande des Khao-Yai-Nationalparks, 150 Kilometer nordöstlich von Bangkok. "Willkommen in der Toskana!" Und: "Da drüben gibt es Tiger." Nicht zu vergessen die Frage, ob zum Lunch Rot- oder Weißwein gewünscht werde: Shiraz, Chenin Blanc oder ein kräftiger Tempranillo.
Anderthalb Autostunden nordöstlich von Bangkok liegt Thailands größte Weinregion: die Khao Yai Winery. Knirschender, weißer Kies in der Auffahrt, ein lang gestreckter, offener und teilweise verglaster Holzbau mit asiatisch geschwungenem, toskanisch-rotem Schindeldach. Und das gesamte Idyll eingerahmt von den grünen Hügeln und Bergen des Khao-Yai-Nationalparks, Heimstatt jener Tiger, Leoparden und Elefanten.
Es scheint die Sonne durch die Blätter der Mango- und Flammenbäume, es weht eine leichte Brise. Heribert Gaksch, in Reit im Winkl aufgewachsener und nun bereits seit Jahrzehnten in Thailand wirkender Catering,- Hotel- und PR-Manager, stapft die zwei Treppenstufen hoch, hält jedoch auf dem Terrazzoboden der kleinen Vorhalle plötzlich inne. "Wir sollten schon einmal das Mittagessen bestellen: Wie wäre es mit einem leichten Nudel-Shrimp-Omelett? Es gäbe auch sonnengetrocknetes Schweinefleisch, passend zu einem roten Shiraz. Oder möchten Sie lieber die Menükarte? Nur keine Sorge, die Küche ist auf Gäste eingestellt."
Das ist eine charmante Untertreibung - tatsächlich ist das Weinbergrestaurant "The Great Hornbill Grill" mit seinem Pizzaholzofen und der ausgesuchten Thaiküche längst zum öffentlichen Geheimtipp für Bangkoks Genießer und jene Weintouristen geworden, die hier, in subtropischem Klima, die perfekte Melange suchen: Toskana trifft Thailand trifft Kalifornien. Und Deutschland.
Wenige Minuten zuvor am landesweit größten Weinberg in der Größe von 358 Hektar angekommen, fühlen wir uns nämlich durchaus wie in einem Film für Freunde feiner Tröpfchen. Schon haben wir im Weinladen prüfend mehrere Flaschen mit dem Etikett "PB Valley" aus dem Regal geholt (das Rätsel wird sich später lösen), schon nimmt hinter den Fenstern eine sanft ansteigende Rebenlandschaft den Blick gefangen.
"Grüß Gottle, wo kommet's her?", ruft Thailands erster Sommelier, Prayut Piangbunta. Sein Schwäbisch ist perfekt, die robuste Frage gemildert durch Gesten graziler Höflichkeit. Der Kellermeister hat zweieinhalb Jahre in Weinsberg bei Heilbronn verbracht und dort sein Handwerk gelernt.
Wir stehen vor französischen Eichenholzfässern in der wohltuenden Kühle von Südostasiens größter Kellerei, und falls wir für einen Moment an "Na ja, diese Geschichte könnte überall spielen" gedacht haben sollten, erzählt Prayut Piangbunta den Werdegang eines gar nicht so kleinen Weinwunders.
Begonnen hatte alles vor genau 20 Jahren mit einer Idee, einem Wunschtraum. 1989 hatte Doktor Piya Bhirombhakdi (man achte auf die Initialen!), einer der millionenschweren Hauptaktionäre der weltweit berühmten Singha-Brauerei, endgültig genug vom Genuss des einheimischen süßlichen Fruchtweingesöffs und ausländischer Importe, so gut diese auch sein mochten. Dennoch dauerte es eine Weile, bis ein klimatisch günstiger Anbauort und fruchtbare Lehmböden gefunden waren und aus den importierten Weinstöcken von 60 Rebsorten die mundigste ausgesucht worden war.
Die Sorten Riesling und Müller-Thurgau funktionierten nämlich schon einmal nicht, womöglich verschreckt von südostasiatischer Geschwindigkeit: Benötigt ein Rebstock in Deutschland sechs Jahre für sein Wachstum, sind es hier nur zwölf Monate. Wohingegen die Zeit vom Zurückschneiden der Rebstöcke bis zur Weinlese bloß 150 Tage beträgt - also 30 Tage weniger als in Mitteleuropa. Bewährt haben sich die Rebsorten Shiraz und Chenin Blanc.
Dafür muss die Kühl- und Bewässerungstechnik ungleich ausgefeilter sein, können die Trauben nur nachts geerntet werden, wenn Thailands Sonne einmal pausiert. Eine beinahe amerikanische Erfolgsgeschichte, denn inzwischen ist bereits der zehnte Jahrgang unter der Regie des schwäbisch sozialisierten Herrn Piangbunta geerntet worden - die Lese beginnt hier im Februar - und werden Rot- und Weißweine von Khao Yai erfolgreich nach Japan, Singapur, Großbritannien, Holland und Dänemark exportiert. Und nach Deutschland? "Bis jetzt nur in der Luft", sagt Heribert Gaksch, "auf den Flügen von Thai Airways."
Womit wir - inzwischen haben wir auch die hypermoderne Abfüllhalle besucht, den imkerartig verhüllten Traubenpflückern über die Schulter geschaut und sind nun auf dem Weg zurück zum Weinbergrestaurant - bei der Frage von Image und Psychologie wären. PB Valley, benannt nach dem Erfinder anstatt nach der Region, hat sich inzwischen mit etwa 180 000 Flaschen jährlich eine geachtete Marktposition gesichert. Als im Januar 1998 die Kellerei eröffnet wurde, geschah dies durch die Schwester von Thailands König Bhumibol. Der Wein wurde als Gastgeschenk von Thailands Königin mit zum Staatsbesuch nach China genommen, bei Wettbewerben ausgezeichnet und auch in Fachzeitschriften gepriesen.
Trotzdem hat das Weingut mit Vorurteilen zu kämpfen. Nur wenige Reisende wissen, dass aus Thailand Jahrgangsweine kommen. "Wissen Sie", sagt der Sommelier, "gern würden wir von Korken auf Schraubverschluss umstellen, ganz nach internationalem Trend. Nur wagen wir es im Moment noch nicht angesichts der erwartbaren Konsumentenskepsis: Thaiwein? Und dazu auch noch mit Schraubverschluss? Das Klischee, dass in unseren Breitengraden kein Qualitätswein gedeihen könne, sitzt mancherorts noch tief. Trotzdem spricht sich herum, dass unser Wein einer der ersten vom 14. Grad nördlicher Breite ist und ein exzellentes Ergebnis erzielt."
Noch einmal ein "Kommet's", und schon sitzen wir an einem mit Bastdeckchen und Jasminblüten drapierten Holztisch im Angesicht einer Kulisse, die nun weder Toskana noch Kalifornien ist, sondern ungleich eindrucksvoller: das Hellblau des Himmels, das Grün der Hügel, ein Windhauch, Zikadensummen und dazu das sanfte Thaigezwitscher aus der Küche. Und die Weine. Schnuppern und probieren, sich noch einmal nachschenken lassen (war es der Shiraz oder der Tempranillo?), nachschmecken und ein Geständnis wagen: Leider nämlich ist der Besucher von auswärts zwar Genießer, aber kein richtiger Experte, jedenfalls keiner jener Prosakünstler in Sachen fein ziselierender Rebsortenbeschreibung. Glücklicherweise beginnt Herr Gaksch wieder mal zu lachen: "Aber einen ausgezeichneten Wein können Sie von einem durchschnittlichen unterscheiden?" Gewiss doch, nur ist es mit den prätentiös preisenden Vokabeln so eine Sache. Vielleicht also sollte man sagen: ein Wein wie diese Gegend, ein Wein wie dieser harmonische Tag - ein Wein des perfekten Augenblicks.
Und wenn man über Nacht bleiben will? "Auf einer Freifläche sollen Indianerzelte entstehen", sagt Herr Gaksch. "Boutique-Unterkünfte mit allem Komfort. Sagen Sie jetzt nur nicht, das klingt irre! So etwas wurde schon orakelt, als der Weinberg entstand ..." Die hohe Stunde geht unmerklich in den frühen Nachmittag über. Ein Augenblick wie ein guter Wein.
Welt online 28. Feb. 2009
Tropische Tropfen: Früher wurde Thaiwein belächelt, heute bietet Südostasiens größte Weinkellerei exzellente Rot- und Weißweine. Im Februar ist Weinlese
Wahrscheinlich hat er diesen Satz schon unzählige Male formuliert. Dennoch wirken die Worte des in Thailand lebenden Deutschen Heribert Gaksch keineswegs einstudiert, sondern frisch wie dieser Vormittag am Rande des Khao-Yai-Nationalparks, 150 Kilometer nordöstlich von Bangkok. "Willkommen in der Toskana!" Und: "Da drüben gibt es Tiger." Nicht zu vergessen die Frage, ob zum Lunch Rot- oder Weißwein gewünscht werde: Shiraz, Chenin Blanc oder ein kräftiger Tempranillo.
Anderthalb Autostunden nordöstlich von Bangkok liegt Thailands größte Weinregion: die Khao Yai Winery. Knirschender, weißer Kies in der Auffahrt, ein lang gestreckter, offener und teilweise verglaster Holzbau mit asiatisch geschwungenem, toskanisch-rotem Schindeldach. Und das gesamte Idyll eingerahmt von den grünen Hügeln und Bergen des Khao-Yai-Nationalparks, Heimstatt jener Tiger, Leoparden und Elefanten.
Es scheint die Sonne durch die Blätter der Mango- und Flammenbäume, es weht eine leichte Brise. Heribert Gaksch, in Reit im Winkl aufgewachsener und nun bereits seit Jahrzehnten in Thailand wirkender Catering,- Hotel- und PR-Manager, stapft die zwei Treppenstufen hoch, hält jedoch auf dem Terrazzoboden der kleinen Vorhalle plötzlich inne. "Wir sollten schon einmal das Mittagessen bestellen: Wie wäre es mit einem leichten Nudel-Shrimp-Omelett? Es gäbe auch sonnengetrocknetes Schweinefleisch, passend zu einem roten Shiraz. Oder möchten Sie lieber die Menükarte? Nur keine Sorge, die Küche ist auf Gäste eingestellt."
Das ist eine charmante Untertreibung - tatsächlich ist das Weinbergrestaurant "The Great Hornbill Grill" mit seinem Pizzaholzofen und der ausgesuchten Thaiküche längst zum öffentlichen Geheimtipp für Bangkoks Genießer und jene Weintouristen geworden, die hier, in subtropischem Klima, die perfekte Melange suchen: Toskana trifft Thailand trifft Kalifornien. Und Deutschland.
Wenige Minuten zuvor am landesweit größten Weinberg in der Größe von 358 Hektar angekommen, fühlen wir uns nämlich durchaus wie in einem Film für Freunde feiner Tröpfchen. Schon haben wir im Weinladen prüfend mehrere Flaschen mit dem Etikett "PB Valley" aus dem Regal geholt (das Rätsel wird sich später lösen), schon nimmt hinter den Fenstern eine sanft ansteigende Rebenlandschaft den Blick gefangen.
"Grüß Gottle, wo kommet's her?", ruft Thailands erster Sommelier, Prayut Piangbunta. Sein Schwäbisch ist perfekt, die robuste Frage gemildert durch Gesten graziler Höflichkeit. Der Kellermeister hat zweieinhalb Jahre in Weinsberg bei Heilbronn verbracht und dort sein Handwerk gelernt.
Wir stehen vor französischen Eichenholzfässern in der wohltuenden Kühle von Südostasiens größter Kellerei, und falls wir für einen Moment an "Na ja, diese Geschichte könnte überall spielen" gedacht haben sollten, erzählt Prayut Piangbunta den Werdegang eines gar nicht so kleinen Weinwunders.
Begonnen hatte alles vor genau 20 Jahren mit einer Idee, einem Wunschtraum. 1989 hatte Doktor Piya Bhirombhakdi (man achte auf die Initialen!), einer der millionenschweren Hauptaktionäre der weltweit berühmten Singha-Brauerei, endgültig genug vom Genuss des einheimischen süßlichen Fruchtweingesöffs und ausländischer Importe, so gut diese auch sein mochten. Dennoch dauerte es eine Weile, bis ein klimatisch günstiger Anbauort und fruchtbare Lehmböden gefunden waren und aus den importierten Weinstöcken von 60 Rebsorten die mundigste ausgesucht worden war.
Die Sorten Riesling und Müller-Thurgau funktionierten nämlich schon einmal nicht, womöglich verschreckt von südostasiatischer Geschwindigkeit: Benötigt ein Rebstock in Deutschland sechs Jahre für sein Wachstum, sind es hier nur zwölf Monate. Wohingegen die Zeit vom Zurückschneiden der Rebstöcke bis zur Weinlese bloß 150 Tage beträgt - also 30 Tage weniger als in Mitteleuropa. Bewährt haben sich die Rebsorten Shiraz und Chenin Blanc.
Dafür muss die Kühl- und Bewässerungstechnik ungleich ausgefeilter sein, können die Trauben nur nachts geerntet werden, wenn Thailands Sonne einmal pausiert. Eine beinahe amerikanische Erfolgsgeschichte, denn inzwischen ist bereits der zehnte Jahrgang unter der Regie des schwäbisch sozialisierten Herrn Piangbunta geerntet worden - die Lese beginnt hier im Februar - und werden Rot- und Weißweine von Khao Yai erfolgreich nach Japan, Singapur, Großbritannien, Holland und Dänemark exportiert. Und nach Deutschland? "Bis jetzt nur in der Luft", sagt Heribert Gaksch, "auf den Flügen von Thai Airways."
Womit wir - inzwischen haben wir auch die hypermoderne Abfüllhalle besucht, den imkerartig verhüllten Traubenpflückern über die Schulter geschaut und sind nun auf dem Weg zurück zum Weinbergrestaurant - bei der Frage von Image und Psychologie wären. PB Valley, benannt nach dem Erfinder anstatt nach der Region, hat sich inzwischen mit etwa 180 000 Flaschen jährlich eine geachtete Marktposition gesichert. Als im Januar 1998 die Kellerei eröffnet wurde, geschah dies durch die Schwester von Thailands König Bhumibol. Der Wein wurde als Gastgeschenk von Thailands Königin mit zum Staatsbesuch nach China genommen, bei Wettbewerben ausgezeichnet und auch in Fachzeitschriften gepriesen.
Trotzdem hat das Weingut mit Vorurteilen zu kämpfen. Nur wenige Reisende wissen, dass aus Thailand Jahrgangsweine kommen. "Wissen Sie", sagt der Sommelier, "gern würden wir von Korken auf Schraubverschluss umstellen, ganz nach internationalem Trend. Nur wagen wir es im Moment noch nicht angesichts der erwartbaren Konsumentenskepsis: Thaiwein? Und dazu auch noch mit Schraubverschluss? Das Klischee, dass in unseren Breitengraden kein Qualitätswein gedeihen könne, sitzt mancherorts noch tief. Trotzdem spricht sich herum, dass unser Wein einer der ersten vom 14. Grad nördlicher Breite ist und ein exzellentes Ergebnis erzielt."
Noch einmal ein "Kommet's", und schon sitzen wir an einem mit Bastdeckchen und Jasminblüten drapierten Holztisch im Angesicht einer Kulisse, die nun weder Toskana noch Kalifornien ist, sondern ungleich eindrucksvoller: das Hellblau des Himmels, das Grün der Hügel, ein Windhauch, Zikadensummen und dazu das sanfte Thaigezwitscher aus der Küche. Und die Weine. Schnuppern und probieren, sich noch einmal nachschenken lassen (war es der Shiraz oder der Tempranillo?), nachschmecken und ein Geständnis wagen: Leider nämlich ist der Besucher von auswärts zwar Genießer, aber kein richtiger Experte, jedenfalls keiner jener Prosakünstler in Sachen fein ziselierender Rebsortenbeschreibung. Glücklicherweise beginnt Herr Gaksch wieder mal zu lachen: "Aber einen ausgezeichneten Wein können Sie von einem durchschnittlichen unterscheiden?" Gewiss doch, nur ist es mit den prätentiös preisenden Vokabeln so eine Sache. Vielleicht also sollte man sagen: ein Wein wie diese Gegend, ein Wein wie dieser harmonische Tag - ein Wein des perfekten Augenblicks.
Und wenn man über Nacht bleiben will? "Auf einer Freifläche sollen Indianerzelte entstehen", sagt Herr Gaksch. "Boutique-Unterkünfte mit allem Komfort. Sagen Sie jetzt nur nicht, das klingt irre! So etwas wurde schon orakelt, als der Weinberg entstand ..." Die hohe Stunde geht unmerklich in den frühen Nachmittag über. Ein Augenblick wie ein guter Wein.
Welt online 28. Feb. 2009