Maniok aus dem Isaan

Für all die Fragen und Erfahrungen mit dem was auf Eurem Acker im Isaan oder auch im Garten in Korat wächst. Oder auch, welche Nutztiere man hier halten kann etc.
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koratwerner (†2012)
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Maniok aus dem Isaan

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Sa Feb 09, 2008 5:17 pm

Vor einigen Tagen war es soweit. Auf dem großen Feld an der Rückseite unseres Hauses fährt ein kleiner Lastwagen vor, auf dem sich so an die zehn Arbeiter auf der Pritsche an der schwankenden Verkleidung festhalten. Gegen die Sonne gut behütet und teilweise mit lockeren Tüchern ihr Gesicht vermummt, steigen sie ab und beginnen mit der Ernte. Der vor etwa einem Jahr gepflanzte Maniok ist ausgereift.

Nach Reis und Zuckerrohr steht Maniok in Thailand wertmäßig an dritter Stelle der Agrarproduktion. Maniok, was ist das, habe ich mir seinerzeit gedacht, als ich zum ersten male die großen Felder im südlichen Issan gesehen habe. Die Bevölkerung nennt diese Pflanze einfach nur „Man“, wie „Man Farang“, wie die Kartoffeln hier genannt werden. Der Vergleich ist in etwa sogar angebracht, denn die Maniokfrucht ähnelt der Kartoffel und wächst wie diese unsichtbar unter der Erde.

Maniok dient in Thailand der Bevölkerung allerdings nicht als Nahungsmittel, wie das in Afrika oder Südamerika der Fall ist, sondern die längliche Wurzelknolle wird industriell geschält, gekocht, getrocknet, gemahlen und exportiert. Kaum jemand, der diese Pflanze anbaut, weiß was er da eigentlich aus der Erde holt. Doch jeder weiß, dass diese Knollen nicht roh gegessen werden können, weil sich in ihnen bei der Berührung mit der Luft ein starkes Gift entwickelt. Blausäure, und deshalb landet diese kohlenhydratreiche Frucht in Thailand nicht auf den Tisch. Dies auch unter der Prämisse, dass Thailänder alles Gemüse am liebsten roh oder halb gegart essen, Maniok also für sie ungeeignet ist.

Der Maniok stammt ursprünglich aus Brasilien und war bereits vor dem Eintreffen der europäischen Kolonisatoren in Südamerika, Mexiko und auf den Antillen verbreitet. Durch portugiesische Sklavenhändler wurde Maniok im Laufe des 16. Jahrhunderts nach Afrika sowie später bis nach Indonesien verbreitet. Heute stellt der Maniok für etwa 500 Millionen Menschen in tropischen und subtropischen Gebieten der Erde das wichtigste Grundnahrungsmittel dar und befindet sich damit in einer Rangliste der menschlichen Nahrungsmittel auf dem prominenten 6. Platz.

Maniok, lat. Manihot esculenta, mit dem Synonym: Cassava, Kassava, oder Mandioka gehört zur Familie der Wolfsmilchgewächse. Bis zu 4 m hoch kann der buschige Strauch mit seinen handförmig geteilten Blättern werden, dessen längliche, spitz zulaufende Wurzelknollen 5 bis 10 cm dick und bis zu 50 cm lang werden können. Je nach Bodenbeschaffenheit ist die raue bis glatte Schale in Braunstufen gefärbt, hier im Isaan hat sie jedoch oft die rote Farbe des Bodens angenommen.

Der Maniok ist äußerst reich an Stärke und enthält reichlich Eiweiß und Mineralstoffe wie Kalium, Kalzium und Eisen sowie Vitamin C. Sämtliche Pflanzenteile des Maniok sind von Milchröhren durchzogen, der Milchsaft enthält ein giftiges Blausäureglykosid namens „Linamarin“ aus dem bei Verletzung Blausäure frei wird und das durch Hitzeeinwirkung zerstört werden kann. Deshalb wird die Ernte so schnell wie möglich zur Weiterverarbeitung an eine der darauf spezialisierten Industriebetriebe verkauft.

Was die Thailänder nicht verzehren, steht allerdings in Deutschland in den Regalen der Supermärkte. Hier wird das verarbeitete Produkt Tapioca genannt. Wie jeder weiß, gibt es einige Tapioca Produkte, unter denen auch den beliebten Sago.

Das asiatische Thailand betrachtet die EU immer mehr als einen interessanten Absatzmarkt für die Tierfutterindustrie. Darunter sind Deutschland und die Niederlande die wichtigsten Abnehmer Thailands.

Kritiker dieser Handelsbeziehungen befürchten, dass den lokalen Bauern in Asien lebensnotwendiges Ackerland geraubt wird und deshalb das soziale und ökonomische Gleichgewicht zerstört wird. Die für den Export angelegten Monokulturen in Thailand sind nach meinem Verständnis jedoch nur da angelegt, wo der traditionelle Reisanbau aus Gründen der Wasserversorgung auf abschüssigen Feldern nicht so ohne weiteres möglich ist. Der Anbau von Maniok führt in Thailand derzeit nicht zu einer ernsten Nahrungsmittelknappheit.

Wenn allerdings in Folge der Ölverteuerung Maniok zu Ethanol verarbeitet wird, ist mit einer Ausweitung des Anbaus mit einem Senken des Grundwassers und der Abholzung weiterer Flächen zu rechnen. Diese drohenden Missstände machen zwar wenige Profiteure superreich, stürzen aber ganze Länder in Importabhängigkeit, Verarmung und Verschuldung.

Direkt hinter unserem Haus beginnt also derzeit die Maniokernte. So an die 10 Arbeiter schlagen am ersten Tag mit einer Machete so tief wie möglich die bis zu drei cm dicken Büsche ab, entfernen die abseits ragenden Äste, kürzen die Stiele auf etwa 120 cm Länge, bündeln sie und stellen sie dann, ähnlich wie es früher unsere Bauern mit dem Korn machten, zu größeren Haufen zusammen.

Am nächsten Tag erscheint früh am Morgen ein Traktor, der mit einem hinten angehängten großen Haken den ausgetrockneten Boden zwischen den in schnurgeraden Reihen angebauten Pflanzen aufreißt und so die links und rechts gewachsenen Wurzelstöcke des Maniok frei legt.

Etwas später erscheint dann wieder die vermummte Brigade vom gestrigen Tag. Heute werden von den Arbeitern die länglichen Maniokknollen säuberlich von den Wurzelstücken getrennt. Dabei blitzen die Klingen ihre scharfen Haumesser wieder in der gleißenden Sonne. Dabei werden die einzelnen Knollen, auf den Abtransport wartend, auf Haufen geworfen.

Nach der Mittagspause wird das bunte Wägelchen aufs Feld gefahren und schleppt hinter sich ein schmales Brett, dass von der Pritsche schräg bis zum Boden reicht. Ein Teil der Arbeiter beginnt jetzt mit dem Auflagen. Die einzelnen Häufchen werden in große Körbe gefüllt, die von starken Männern auf den Rücken geschultert über den schmalen Brettersteg auf die Ladefläche getragen und ausgeschüttet werden. Ich schätze, dass jeder Korb so an die 50 Kilo wiegt und möchte ganz bestimmt nicht bei dieser Hitze in der Haut der Schlepper stecken.

Das Wägelchen fährt von Haufen zu Haufen und als er voll geladen ist, wird der Steck abgenommen, die hintere Bracke wird hochgeklappt und die Karre tuckert von dannen. Vor etwa einem Jahr bekamen die Bauern von den aufkaufenden Fabriken etwas mehr als 1 Bath für das Kilo. Der Weltmarktpreis für Maniok scheint gestiegen zu sein. Letztlich stand der Preis für die Rohware auf über 2 Bath. Man kann das im Vorbeifahren an den Fabriken sehr schön lesen, denn da wird immer der Tagespreis angezeigt und die Bauern können ablesen, bei wem sie am meisten Geld erhalten. Allerdings, ihren Diesel und die Fahrzeit müssen sie dem gegenüber halten.

Das Wägelchen scheint nicht den erst besten Aufkäufer angefahren zu haben, denn es erscheint erst spät am Nachmittag wieder, um die Arbeiter abzuholen.

So geht es einige Tage weiter und jetzt ist das Feld abgeerntet. Nur die gebündelten Stämmchen stehen noch schön verteilt herum. Was jetzt noch passiert, kenne ich. Bald wird ein großer Tellerpflug erscheinen, die Reste der liegen gebliebenen Pflanzen zerkleinern und so gut es mit dem vielleicht vorher aufgebrachten Naturdünger aus den großen Geflügelzuchtbetrieben so gut es eben geht in den Acker einpflügen.

Darauf hin erscheint dann die Arbeitsbrigade wieder, schneidet die Stämmchen in etwa 30 cm Länge und steckt die Stücke fein säuberlich im Abstand von etwa 50 cm in langen Reihen schnurgrade etwa 15 cm tief in die aufgebrochene Erde.

Im Gegensatz zu Kartoffeln, von denen die besten Knollen aufbewahrt werden und als Setzlinge dienen, genügt dem Maniok solch ein kleiner Trieb. Der schlägt umgehend Wurzeln und schon nach wenigen Tagen sprießen die ersten Blättchen.

Maniok wird übrigens in Thailand fast das ganze Jahr über angepflanzt, vorausgesetzt, die Landwirte verfügen über genügend Felder. Auch erfolgt die Ernte nicht überall so, wie es hier beschrieben ist. So ist der Einsatz von Maschinen in kleineren Familienbetrieben nicht immer gegeben und die festsitzenden Wurzelknollen müssen mühselig von Hand aus dem Boden geholt werden.

Wenn auch die Maniokpflanze als solcher wegen dem in ihr enthaltenen Linamarin einen gewissen Selbstschutz vor Schädlingen hat, werden doch im Laufe des Wachstums mehrmals Pflanzenschutzmittel gespritzt, von denen Reste in das Grundwasser gelangen könnten.

Grundwasser ist jedoch der Lieferant für unsere Brauchwasseranlage und Maniokfelder gibt es in weitem Umkreis einige auf den etwas abschüssigen Hängen. Also wird das Wasser aus der Leitung nur für die Toilette und zwangsläufig für die Waschmaschine und die Dusche verwendet.
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

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