Überschwemmung im Isaan

Tips, wie man als Neuankömmling in Thailand und im Isaan besser zurecht kommen kann; Erfahrungsberichte
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koratwerner (†2012)
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Überschwemmung im Isaan

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » So Nov 09, 2008 10:51 am

Heute ist Samstag, ein ganz normaler Tag. Nach unbestätigten Meldungen darf der Asyl suchende thailändische Expräsident Thaksin nicht mehr nach England zurück und im Isaan sind u.a. nördlich von Korat einige Dörfer wegen Hochwasser von der Außenwelt abgeschlossen.

Letzteres erfahre ich nicht durch die Medien, ich habe es von Lutz gehört, der schon seit einigen Tagen seine kleine Insel, auf der sein Haus steht, nicht mehr verlassen kann. Nur noch die hochrädrigen Lot Idennt pflügen sich mühsam durch die endlos scheinende Wasserwüste, fahren früh am Morgen zur nächsten Kreisstadt und kommen am Nachmittag zurück. So werden wenigsten der Schulbetrieb und etwas Grundversorgung aufrechterhalten.

Vor seinem Haus strömt jetzt ein kleiner Fluss über die Straße. Das Wasser kommt irgendwo her von den Reisfeldern, passiert das Dorf und fließt wieder über die Reisfelder irgendwo hin. Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass das Hochwasser die Reisfelder bedroht.

Das erste Mal hat der Reis die Überschwemmung noch einigermaßen überstanden. Jetzt aber hat die Strömung die Halme geknickt und unter Wasser gedrückt. Einige Frauen stehen bis zum Bauch in den Fluten und versuchen gebückt die Halme zu ergreifen, auszureißen und in ein Boot zu packen. Das wird hin und wieder zu einer höher gelegenen Straßenstelle geschoben, wo die Reispflanzen mit ihren Ähren zum Trocknen ausgebreitet werden.

Die Menschen wollen retten, was zu retten ist und das ist bitter wenig. Nach den Wasserregulierungen in den letzten Jahrzehnten sollte zweimal im Jahr gesät und geerntet werden können. In diesem Jahr gibt es keine einzige Ernte. Die Arbeit war vergeblich und das eingesetzte Geld für Saatgut und Dünger ist dahin. Die Schulden der Bauern steigen wahrscheinlich weiter.

Noch steht Lutz sein Auto im Trockenen und teilt sich die überdachte Terrasse mit den Kühen und Hühnern der Großfamilie. Die meisten Kühe der Dorfbauern stehen jedoch schon einige Tage bis zum Bauch stumpfsinnig im Wasser. Bald werden sie nicht mehr gefüttert werden können, denn es fehlt an Nachschub, alles Grün steht unter Wasser.

Heute sind bereits sechs von ihnen vor Schwäche umgefallen und in den Fluten umgekommen. Die Menschen sind hilflos, ratlos und können dem Elend nur stumm und tatenlos zuschauen. In Bangkok wird weiter demonstriert. Bangkok ist fern, Hilfe auch.

Ebenerdig stehen die meisten Häuser ebenfalls unter Wasser. Sandsäcke vor den Türen haben dessen Eindringen nicht verhindern können. Es sickert durch die morschen Wände und den vielen Lüftungsschlitzen. Um auch das alles abzudichten, fehlt es an Material.

Die Menschen bewegen sich schon seit Tagen barfuss durch ihre überschwemmten Wohnungen. Jetzt häufen sich die Fälle, dass die ewig nassen Füße voller Ekzeme und Entzündungen sind. Das Wasser steckt voller Keime.

Vorhin brachte ein Lot Idennt einige Paar Gummistiefel mit. Viel zu wenig. Doch es gab nicht mehr. Die Läden in der Stadt sind leer gekauft.

Vor einigen Tagen schon wurden im Namen des Königs Lebensmittel an die Not leidende Bevölkerung verteilt. Überwiegend Fertiggerichte, die auch kalt verzehrt werden können und Fischkonserven. Dazu gab es ein schönes Bild vom König. Die Menschen waren dankbar und haben das Bild des Königs neben den schon vorhandenen Bildern an die Wand geheftet. Jetzt spendet es ihnen in ihrer Not Zuspruch und Mut.

Bangkok hat auch Sorgen, andere Sorgen. Die Barrikaden der PDS müssen gehalten werden. Nicht gegen Hochwasser, sondern wegen der politischen Gegner.

Nur die Dorfkinder sind unbekümmert. Sie toben in den Fluten herum und haben ihre Freude. Die Eltern haben es aufgegeben sie von dem verschmutzen Wasser fern zu halten. Lethargie breitet sich aus und legt sich wie ein dunkles Tuch über die betroffenen Dörfer.

Immer mehr und mehr Kinder erkrankten in den letzten Tagen an Darminfektionen. Da kein Arzt den Weg in diese Wasserwüste findet, fehlt es an Medikamenten. Die schlimmsten Fälle werden mit dem Lot Idennt in das nächste Krankenhaus gefahren. Ein stationärer Aufenthalt ist da nicht möglich. Sie werden notdürftig versorgt und kommen wieder zurück in die verseuchte Wasserwüste.

Viele rat- und geldlose Eltern tragen ihre erkrankten Kinder zu Lutz seinem Schwiegervater, einem um die Geister wissenden Mann. Der hat sich in seinem hoch liegenden und daher vom Wasser verschonten Reishaus verzogen. Trotz seiner stillen Ahnung, dass sein Tun nichts nützt, fuchtelt er segnend mit einem Reisstrohbesen herum. Die Eltern glauben, er würde ihren kranken Kindern helfen können. Er will ihnen diese Hoffnung nicht nehmen.

Außerhalb der überschwemmten Gebiete weiß man nichts von diesem Drama. Da will man vielleicht noch nicht einmal davon wissen. Die paar Bauern im Isaan, die werden das schon alleine schaffen. Das ist schon seit vielen Jahren so, solange man sich erinnern kann. Jeder muss sich selber helfen.

Wenn alles vorbei ist, werden wieder einige junge Leute aus den Dörfern ihre drei Habseligkeiten in eine Plastiktüte stecken und davon ziehen. Sie werden in den großen Industriegebieten oder im Touristikgewerbe auftauchen, vielleicht sogar das Land verlassen, um als Gastarbeiter irgendwo auf der Welt ein etwas besseres Leben suchen.

Sie sind nicht verwöhnt. Dafür bescheiden und genügsam. Nur ein Dach über dem Kopf und ein warmes Essen und wenn sie etwas Glück haben, noch etwas Geld für die daheim gebliebenen Kinder, Eltern und Geschwister.
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

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