Seelische Integration

Tips, wie man als Neuankömmling in Thailand und im Isaan besser zurecht kommen kann; Erfahrungsberichte
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koratwerner (†2012)
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Seelische Integration

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Mo Aug 04, 2008 11:17 am

6. Seelische Integration
Eingewöhnung


In diesen Tagen sitze ich oft vor meinem PC und schreibe mir alles von der Seele, was mir so in den Sinn kommt. Es sind viele Eindrücke, die auf mich einstürzen, Doch das Schreiben ist eine Beschäftigung, die die Erinnerung an Deutschland ein wenig verdrängt und mir das Einleben etwas erleichtert.

Das Schreiben hilft mir auch dabei das zu überwinden, was man den Kulturschock nennt. Treffender müsste man jedoch von aufkommenden Depressionen sprechen. Man kommt in ein fremdes Land, sieht alles, registriert all das Neue und steht doch irgendwie daneben. Manche vergleichen diese Situation, als ob sie sich in einem Glaskasten befinden oder in Watte gepackt sind. Körperlich ist man anwesend, intellektuell erfasst man alles Neue, doch seelisch identifiziert man sich noch nicht mit seiner neuen Umgebung, sondern befindet sich vergleichsweise zwischen den Welten in einem Niemandsland.

Manchmal sitze ich nun vor meinem PC, schaue die Tastatur an und warte auf den zündenden Funken. Der Ventilator rauscht sein eintöniges Lied und bläst eifrig die Luft durch den Raum. Der halbvolle Aschenbecher steht im Zugschatten, so dass die Asche meiner Zigaretten nicht vom Wind verweht wird. Der Ventilator leistet gute Dienste. Dadurch, dass die Luft über meinen Körper streicht, wird die sich langsam bildende Transpiration weggeblasen. Gut ist das, sehr gut, denn so entsteht auf der Haut ein angenehmer Kühleffekt. Sicher könnte ein Klimagerät bessere Dienste leisten, doch der Installateur kann erst in etwa vierzehn Tagen kommen. Dann wandert der Ventilator wieder in die Küche, denn da gehört er hin.

In der Küche hat er eine andere Aufgabe zu erfüllen. Hier bläst er die Wärme der Gasflammen des Ofens und die Kochgerüche durch die offene Hintertür hinaus auf den Hof. Die Kochgerüche, die sind so eine Sache, an die ich mich noch nicht gewöhnt habe. Meine Frau kocht nur thailändische Gerichte. Je nachdem, welche heimischen Zutaten sie verwendet, bringt der fremdartige Geruch meine Nase zur Verzweifelung. In Deutschland hat Meine Frau zwar auch thailändisch gekocht, doch da im Asia-Shop nicht die speziellen Kräuter und Gewürze des Isaan vorrätig waren, musste sie sich zwangsläufig mit Knoblauch und Chili begnügen.

Wir wohnen jetzt seit einigen Wochen am Stadtrand von Korat. Die Stadt heißt offiziell Nakhon Ratchasima und ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Korat ist ein Einkaufszentrum und der Hauptverkehrsknotenpunkt der nordöstlichen Provinzen. Hier treffen sich alle Fernbusse aus den weiter entfernt liegenden nordöstlichen Provinzen, die dann weiter in die nordöstlichen Provinzen nah Süden oder nach Westen in Richtung Bangkok und zurück fahren.

Von hier aus verläuft auch eine der wenigen Eisenbahnverbindungen Thailands in das etwa zweihundertfünfzig Kilometer entfernte Bangkok und zur anderen Seite weiter östlich bis zu den Provinzhauptstädten Udon Ratchathani sowie in den Norden über Kon Khaen und Udon Thani bis zur laotischen Grenze.

Vor über hundert Jahren hat sie das Königshaus von einem deutschen Ingenieur bauen lassen. Weil dieses Bähnchen nicht gerade schnell fährt und die Personenzüge etwas nostalgisch, zudem in jedem kleinen Dörfchen anhalten, fährt man besser mit einem der modernen, klimatisierten Fernbusse, die von den zwei Busbahnhöfen in Korat, oft im Abstand von einer halben Stunde, nonstop nach Bangkok oder in den Norden und in den Osten des Landes fahren. Allerdings gewinnt die Eisenbahn wieder zunehmen an Bedeutung für den Containertransport, denn der Warenverkehr der schnell wachsenden Industrie Korats und anderer Städte im Isaan, kann kaum noch auf den überlasteten Fernstraßen bewältigt werden.

Da die alte Eisenbahn wenig Zuspruch findet, erfolgt der rege Personenverkehr in Richtung Bangkok und zu den Städten im Norden und Osten des Isaan überwiegend durch Busse. Die Fernbusse sind innen und außen sehr sauber, sie sind meistens blau-weiß lackiert und neuerer Bauart. Unter ihnen befinden sich sogar Busse mit dem Stern und welche aus Schweden.

Die roten Busse, die die Busbahnhöfe in Korat anfahren, sind Zubringer aus dem Umkreis von etwa 100 km. Sie sind älterer Bauart und nicht klimatisiert. Meine Liebste rät mir davon ab, doch einmal muss ich ganz bestimmt einmal mit so einem Vehikel fahren. Das bin ich meiner Neugier schuldig.

In Korat gibt es 7 Kaufhäuser, darunter welche, über die manch europäische Stadt neidisch sein würde. Mit den Supermärkten, den vielen Märkten und den unzähligen kleinen Geschäften, ist Korat im Umkreis von über hundert Kilometer das Einkaufszentrum schlechthin. Es gibt 15 Banken, 38 Hotels, 23 Restaurants, unzählige Garküchen am Straßenrand, 7 Kliniken und alleine im Zentrum 11 buddhistische Tempel, die man hier in Thailand Wat nennt.

Korat ist eine relativ alte Stadt, die früher, als sie noch gegen Eindringlinge verteidigt werden musste, mit einem breiten Wassergraben gesichert war. Dieser Wassergraben umschließt heute noch an drei Seiten den alten Stadtkern. Ebenso sind die vier großen Tore erhalten, die dem Handelsverkehr in alle vier Himmelsrichtungen dienten.

Heute herrscht in dieser Stadt ein reger Motorrad- und Autoverkehr. Spätestens am frühen Abend sind im Zentrum alle Straßen dicht. Wer hier abends wissen möchte, wo irgendetwas los ist, der braucht nur darauf zu achten, wo die Bürgersteige und alle Nischen zwischen den Häusern mit einer unübersehbaren Menge Motorräder zugestellt sind. Da ist er richtig.

Wenn auch die Stadt Korat in der weiten Welt wenig bekannt ist, dann doch die Korat genannte Siamkatze, die ihre Rassebezeichnung nach dem Namen dieser Stadt erhalten hat. Die Stadt Korat ist stolz auf ihre Katzen mit den weißen Augen und führt deshalb ein Katzenkopf in ihrem Stadtwappen.

Am Rande dieser ländlichen Metropole wohnen wir hier in einer mehr oder weniger hübschen Siedlung. Weniger hübsch sind die vielen halbfertigen Einfamilienhäuser und verwilderten Baugrundstücke. Hübscher sind die bewohnten Häuschen und wir haben von denen eines der schönsten erwischt. Straßenseitig ist ein kunstvoll geschmiedetes Gitter, dessen Einfahrt sich, oh wie schön, mit einer Fernbedienung öffnen und schließen lässt. An den anderen drei Seiten wird das Grundstück von einer etwa zwei Meter hohen Mauer umschlossen. Das ist für mich arbeitsscheuen Menschen noch schöner, denn vor und hinter dem Häuschen stehen zwar ein Dutzend große Bäume und Büsche, doch das ganze Areal ist ja, bis auf eine kleine Fläche vor dem Haus, sehr pflegeleicht zubetoniert.

Nun, die anderen bewohnten Grundstücke sehen auch nicht so schlecht aus, doch das Brachland und die Bauruinen bieten fürwahr keinen schönen Anblick. Vor etwa zehn Jahren wurde das alles hier erschlossen, parzelliert und zum Teil bebaut. Doch dann kam in Asien in der zweiten Hälfte der 90ziger die große Wirtschaftskrise, in deren Folge der Bauträger auf seinem Spekulationsobjekt sitzen blieb. Und das, obwohl den Thailändern schon in der Schule eingetrichtert wird, dass sie zu den cleversten Menschen auf Erden zählen.

Da von unserer Siedlung aus kein Bus fährt und man bis zu nächsten Haltestelle fast zwei Kilometer laufen muss, ist man auf ein Fahrzeug angewiesen. Da ich eigentlich abwarten wollte, ob ich das feuchtwarme Klima während der Regenzeit im Sommer vertragen kann und gegebenenfalls wieder nach Deutschland fliege, haben wir uns erst einmal ein kleines Motorrad zu gelegt.

Das ist allerdings eine Fehlentscheidung denn in dem kleinen Warenkorb lässt sich noch nicht einmal ein Karton Bier transportieren. Da zudem die Regenzeit vor der Tür steht und wir fast täglich in die Stadt müssen, haben wir uns doch entschlossen einen gebrauchten Pick-Up zu kaufen. Ohne ein Auto geht es halt doch nicht so einfach.

Nachdem ich jetzt meine Umgebung etwas kennen gelernt habe, glaube ich die Eingewöhnungs- und Anpassungsphase gemeistert zu haben. Dass das ein Irrtum war, ist mir erst viel später klar geworden. Es hat länger als ein Jahr gedauert, bis auch meine Seele endlich akzeptiert hat, in Thailand zu sein.
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

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