Gesichtsverlust

Tips, wie man als Neuankömmling in Thailand und im Isaan besser zurecht kommen kann; Erfahrungsberichte
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koratwerner (†2012)
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Gesichtsverlust

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Mo Aug 04, 2008 11:04 am

Nur nicht blamieren


In Thailand lebende Europäer wollen grundsätzlich immer Recht haben. Die Thais hingegen wollen nie zugeben, dass sie etwas falsch gemacht oder etwas nicht verstanden haben. Deshalb setzen sie alles daran, sich nicht zu blamieren, nicht ihr Gesicht zu verlieren.

Vor wenigen Tagen traf ich einen total deprimierten deutschen Landsmann. Nach sechsjähriger Ehe hat ihn seine thailändische Frau mit ihrem gemeinsamen Kind verlassen. Warum nur? Er hat ihr doch immer all ihre Wünsche erfüllt. Ein großes Haus hat er bauen lassen, in dem sie gemeinsam wohnten. 70.000 Baht Haushaltsgeld (in Worten siebzigtausend) hat er ihr jeden Monat gegeben und jetzt hat sie ihn von Heute auf Morgen einfach verlassen und ist zu ihrer Familie gezogen. Warum? Sie hatte es doch so gut bei ihm, war finanziell viel besser gestellt, als die meisten anderen Thaifrauen, die einen Farang geheiratet haben.

Typisch Thaifrau aus dem Isaan, war der Kommentar eines Zuhörers. Erst einen älteren Farang heiraten der genügend Geld hat, auf seine Kosten ein Haus unter den Nagel reißen und dann einen Tritt in den Allerwertesten geben.

Stimmt, flüstert mir ein anderer Zuhörer leise zu, sie ist abgehauen. Doch er sagt natürlich nicht, warum seine Frau ausgezogen ist und ihm jetzt Schwierigkeiten macht. Auf meinen fragenden Blick hin erklärt er mir dann, dass er sie mit einem jungen Mädchen aus der Familie betrügen wollte, während seine Frau für einige Tage abwesend war. Das Mädchen hat geplaudert und die Familie und das ganze Dorf hat davon erfahren. Die Familie schämt sich und das Dorf amüsiert sich. Die beinahe betrogene Ehefrau hat ihr Gesicht verloren und fühlt sich gedemütigt.

Vielleicht demütigen wir Farang unsere thailändischen Frauen über Jahre hinweg und ahnen nichts, aber auch gar nichts, von ihrem stillen Leiden. Demütigungen, die unter thailändischen Partnern an der Tagesordnung sind, schlagen bei uns gravierend ins Gewicht. Als unsere Frauen uns nämlich heirateten, haben viele von ihnen mit diesem Schritt auch ihr Sozialprestige in ihrer Familie und Gesellschaft gewaltig gesteigert. Sie haben sich mit einem Farang liiert und das ist in ihren Augen und den ihrer Landsleute immer noch etwas Besonderes. Wenn nun das Verhalten des Farang dazu angetan ist sie von ihrem Thron zu stürzen, sieht sie nur ihr Heil in der Trennung, um zumindest noch etwas Gesicht zu bewahren und jeder wird ihr wieder Achtung entgegenbringen, wenn sie den Farang bei dieser Gelegenheit noch tüchtig ausnimmt.

Nun, ich höre an dieser Stelle die Unkenrufe, die da sagen, dass der Farang nur seines Geldes wegen von einer thailändischen Frau geheiratet wird und die Liebe nur geheuchelt ist. Mag es geben, mag es ganz gewiss geben. Verallgemeinern kann man das jedoch keinesfalls, ansonsten würde es doch nicht so viele Mischehen geben, die schon fünfzehn oder mehr Jahre Bestand haben und oft sogar ohne große materielle Vorteile der Frau und ihrer Familie gut funktionieren.

Für Unternehmer und deren Mitarbeiter, die Geschäftsverbindungen im asiatischen Raum pflegen, ist das Wissen über die negativen Folgen eines Gesichtsverlusts ein wesentlicher Faktor für eine gedeihliche Geschäftsverbindung. Richtige Verhaltensmaßnamen zu erlernen und zu beachten, ist deshalb sogar Inhalt vieler einschlägiger Seminare und Beratungsgespräche.

Doch als Tourist und den in Thailand lebenden Ausländer, der oft in dem Familienklan seiner thailändischen Frau lebt und nicht zuletzt seinem Verhalten seiner Frau gegenüber, sollte man in allen Situationen sein eigenes Gesicht wahren und keinem Menschen ein Gesichtsverlust, also eine Beleidigung, zufügen.

Thais sind sehr empfindlich und nachtragend. Hat man sie beleidigt, vergessen sie diese Schmach nie. Man wird das selten bemerken, denn sie sind weiterhin freundlich, höflich und zuvorkommend, doch man darf sich nicht wundern, wenn man bei ihnen auf eine lächelnde Ablehnung trifft.

Als Gast oder Mitglied in der thailändischen Gesellschaft benimmt man sich wie sie, freundlich und positiv. Weil man aus einem anderen Kulturkreis kommt, wird man kleine Fehler übersehen. Das gehört zur Höflichkeit und ist keine Speichelleckerei um von dem Reichtum des Ausländers etwas abzubekommen.

Befindet man sich beispielsweise in einem Restaurant in Gesellschaft von Thais, wird man wie selbstverständlich die komplette Rechnung erhalten. Es ist auch für Thais untereinander eine Selbstverständlichkeit, dass immer derjenige bezahlt, der das meiste Geld hat. Da ein Ausländer nicht nur in den Augen der Thais, sondern in der Regel tatsächlich über das meiste Geld verfügt, ist es nicht nur eine Höflichkeit, sondern auch eine in diesem Land gepflogene Selbstverständlichkeit, dass er bezahlt. Ansonsten droht ihm sein Gesichtsverlust und er verliert seine Achtung.

Auch wenn einem im Umgang mit Thais etwas nicht passt, man wahrt sein Gesicht. Thailänder leben möglichst ohne Stress, weil sie es nicht gelernt haben, Probleme zu bewältigen. Deshalb wird in Thailand in allen Gesellschaftsschichten nicht lautstark gestritten, geschimpft und gepöbelt. Hektik und Drängeln sind unbekannt. Sei es im Kaufhaus auf der Rolltreppe oder im Straßenverkehr, nur selten wird jemand versuchen unter Einsatz seiner Ellenbogen sich ein Vorteil zu verschaffen und wenn doch, dann lässt man denjenigen ruhig Platz sich einzuordnen, wenn der gedankenlos die Vorfahrtsregel missachtet.

Ausländer laufen in dem warmen Klima Thailands gerne leicht bekleidet herum und scheinbar stört sich niemand daran. Außer in den Touristenorten ist jedoch eine unkorrekte oder gar beschmutzte Kleidung verpönt und führt unweigerlich zum Gesichtsverlust.

Trotzdem Thais wenig transpirieren und sich daher kaum ein Körpergeruch entwickelt, duschen sie täglich mindestens zweimal. Wenn sie auch getrockneten Fisch essen, der in unseren Nasen wie der Teufel stinkt, der Geruch von Körperschweiß eines Menschen ist den Thais ein Gräuel. Gesichtsverlust? Unvermeidlich!

Sexuelle Anmache verbietet sich von selbst, wobei man allerdings sagen muss, dass Frauen unter sich kaum ein interessanteres Gesprächsthema haben.

Höflichkeit und Hilfsbereitschaft ist eine Tugend aller Thailänder. Selbst wenn jemand etwas nicht weiß oder kann, wird er helfen wollen. Oft, wenn ich nach dem richtigen Weg gefragt habe oder wissen wollte, wo es was zu kaufen gibt, bekam ich eine falsche Antwort. Thais können einfach nicht zugeben etwas nicht zu können oder nicht zu wissen. Der Gesichtsverlust droht und wenn der Unwissende erst einmal weg ist, wird er sicher noch einmal irgendwo fragen und das sollte man beherzigen.

Im Zusammenleben mit der Thaifamilie und thailändischen Bekannten, kann man eine terminierte Planung gleich vergessen. Ist man ärgerlich, weil ein Termin nicht eingehalten wird, stößt man auf kein Verständnis. Wenn auch das Essen auf dem Ofen verschmort oder kalt wird. Wenn auch ein Termin überhaupt nicht eingehalten wird, ohne das eine Absage erfolgt, das macht doch nichts. Da muss man doch Verständnis haben, dass andere Dinge kurzfristig bedeutend wichtiger sind und verliert deshalb nicht sein Gesicht.

Ähnlich verhält es sich mit vagen Andeutungen. Wenn jemand sagt, er müsse sich dies oder das noch einmal überlegen, dann sind das in der Regel höfliche Absagen. Kein Grund ärgerlich zu reagieren.

Thais lächeln in solchen und ähnlichen Situationen. Man steht immer über den Dingen. Man lächelt auch über eigene Fehler und gewinnt damit Verständnis und Vertrauen. In allen Situationen lächeln zeugt von Reife und Toleranz. Man bewahrt sein Gesicht und kränkt niemanden.

Thais lächeln sogar, wenn jemandem ein Unglück widerfährt. Das ist keine Schadenfreude, sondern der aufmunternde Ausdruck von Mitgefühl. Es wird schon wieder, bedeutet das, du schaffst es schon. Wenn man jemanden bedauert, dann ist das keine Hilfe, sondern ein Zeichen der eigenen Schwäche. Ein Schwächling jedoch hat kein Gesicht, kein Charisma.

Bei jedem Besuch bringt man irgendeine Kleinigkeit mit. Etwas Obst, ein Stück Kuchen oder irgendetwas für die Kinder. Beim Besuch der armen Verwandtschaft auf dem Land darf es selbstverständlich etwas mehr sein. Vielleicht eine Flasche Whisky für den Vater der nichts trinkt, weil er kein Geld dafür hat und für die ganze Familie Obst und Fleisch, etwas, was die da lebenden Menschen sich nicht leisten können. Tut man das nicht, verliert man die Achtung, sein Gesicht.

Keinesfalls aber sollte man es übertreiben und die Familie in ein Restaurant einladen. Das ist für die armen Leute eine unnütze Geldausgabe, ein Zeichen dafür, dass man mit seinem und dem Geld seiner Frau nicht umgehen kann.

Nicht selten wird man gefragt, was man verdient. Für einen Europäer eine indiskrete Frage. Das ist auch keine Frage der Thais, um den Ausländer abzuklopfen, ob bei ihm vielleicht was zu holen ist. Die Leute möchten einfach nur wissen, ob es einem gut geht. Wenn man andeutet, dass man soviel hat um gut leben zu können, hat man sein Gesicht gewahrt.

Etwas umstritten ist es mit der thailändischen Begrüßungszeremonie, dem Wai. Da man als Ausländer die Regeln nur unvollständig kennt, ist es ratsam möglichst sparsam damit umzugehen. Im Restaurant, im Kaufhaus und von jüngeren Leuten damit begrüßt (und geehrt), genügt es freundlich zurück zu lächeln. Lediglich beim Besuch eines Klosters gebührt dem Abt ein ehrfurchtsvoller Wai, vielleicht auch den Schwiegereltern. Beim Besuch einer Behörde kann man den Wai andeuten und damit seinen Respekt vor der Stellung einer Person bezeugen und damit hat es sich. Erwidert man jeden ihm gebotenen Wai, macht man sich unweigerlich lächerlich und die armselige Bettlerin, die sich ehrfürchtig für die Gabe von 10 Cent bedankt, versteht die Welt nicht mehr.

Thailand nimmt langsam westliche Züge an. Deshalb kann es auch schon einmal passieren, dass einem jemand zur Begrüßung die Hand hinstreckt. Für mich ist das immer ein kleiner Schock, denn ich erwarte beim Kennen lernen einer Person immer den landesüblichen Wai und überlege, ob ich ihn erwidere oder lediglich lächelnd mit dem Kopf nicke. Die Geste des Händeschüttelns ist dem Thai im Grunde genommen nicht angenehm. Macht er es trotzdem, dann ist das nicht nur ein Ausdruck größter Hochachtung, sondern auch eine Dokumentation erworbener Kenntnis der Sitten und Gebräuche eines anderen Kulturkreises.

Thais, zumal die Menschen auf dem Lande, lieben es gemeinsam auf der Erde zu hocken. Das fällt einem Ausländer nicht leicht und wenn er sich mühsam zusammengefaltet hat, weiß er immer noch nicht, wohin er seine Beine zu stecken hat. Um sich nicht lächerlich zu machen, verzichtet er besser auf den Schneidersitz. Keiner wird ihm verübeln, wenn er um einen Stuhl bittet, denn auch in Thailand begeben sich angesehene Personen nicht auf die Erde. Sie stehen über den Dingen und wenn sie sich in die hockende Niederung begeben, verlieren sie ihr Ansehen und damit auch ihr Gesicht.

Bereits Kleinigkeiten können zum Gesichtsverlust führen. Beispielsweise beim Einkauf. Erscheint einem der Preis für eine Ware zu hoch, beleidigt man den Verkäufer umgehend, wenn man ihm sagt, er sei zu teuer. Stattdessen bedeutet man ihm, leider nicht soviel Geld dabei zu haben. So haben beide nicht ihr Gesicht verloren und wenn man wieder einmal zu dem gleichen Verkäufer kommt, wird er wahrscheinlich für eine andere Ware einen reellen Preis fordern.

Dass man den König achtet und keine dummen Bemerkungen über sein Bild an der Wand macht, ist wohl für jeden eine Selbstverständlichkeit. Thais sehen höflich über manchen Fehler eines Ausländers hinweg, doch wenn man ihren König beleidigt, kränkt man sie in ihrem Nationalstolz. Der Gesichtsverlust ist unausbleiblich.

Es gibt noch viele Situationen in denen der Gesichtsverlust für die eine oder andere Seite oder gar für beide Seiten droht. Als Fremder kann man gar nicht um all diese Dinge wissen. Deshalb ist es am besten immer einen kühlen Kopf zu behalten, nicht zu provozieren und sich nicht um jeden Preis bemühen, das Wohlwollen der Menschen zu gewinnen.

Anhang 1

Peinlich

Der Gesichtsverlust einer Person oder gar einer ganzen Familie kann für das friedliche Zusammenleben in einem Dorf zu einer großen Belastung werden. In der folgenden Geschichte ist zwar ein Farang nur am Rande mit diesem Problem konfrontiert, doch zeigen die Folgen, welche Auswirkungen der Gesichtverlust in einer Dorfgemeinschaft im Isaan haben kann.

Mein Freund Helmut wohnt schon seit vielen Jahren in dem kleinen Dörfchen Ban Hua Bong im Amphoe Nong Thai, also mitten im Isaan. Warum seine Stieftochter Saraphi und damit auch beinahe die ganze Familie das Gesicht verloren hätten, liegt an der Schwatzsüchtigkeit, die den Frauen wohl schon in der Wiege mitgegeben worden ist.

In den Dörfern des Isaan gibt es so etwas wie eine Buschtrommel. Sobald es irgendwo eine Neuigkeit gibt die interessant zu sein scheint, dringt die Nachricht umgehend bis in die kleinste Hütte. So ließ es sich nicht verheimlichen, dass die 16 jährige Nachbarstochter des Exbürgermeisters, der vor wenige Wochen mit großem Genuss von einer anderen Sippe des Dorfes abgewählt wurde, schwanger ward.

Schon an der Schande, dass der Bürgermeister abgewählt wurde, trugen er und seine Familie sehr schwer. Dass jetzt auch noch die 16 jährige Tochter schwanger ist, sollte deshalb unter allen Umständen verheimlicht werden. Niemand sollte davon erfahren um darüber spotten zu können. Doch wie das nun einmal so ist. Irgendjemand aus der Familie konnte seinen Mund nicht halten und schon wusste das ganze Dorf davon.

Schadenfreude ist die reinste Freude und deshalb wurde das Pech des Exbürgermeisters genüsslich breit getreten und jeder wartete darauf, was jetzt wohl passieren würde. Die einen tippten auf eine baldige Heirat, andere meinten, eine Heirat komme nicht in frage und wieder andere mutmaßten, die werdende Mutter würde in die Anonymität der Stadt zu ihrem Onkel nach Korat übersiedeln.

Da Helmuts Tochter Saraphi und die Tochter des Exbürgermeisters die gleiche Schule in der Kreisstadt besuchen, viel es Saraphi auf, dass das junge Mädel mehrere Tage nicht mit ihr im Schulbus saß, eines Tages jedoch mit einer Reisetasche an der Hand in der Kreisstadt in den Bus kletterte, um in ihr Dorf zu fahren. Wo warst du denn solange, fragte sie das Nachbarskind. In Bangkok, erhielt sie als Antwort. Na und, Kind jetzt weg, hinterfragte Saraphi, worauf das Nachbarskind beleidigt aufstand und den Platz wechselte.

Zuhause angekommen, wurde alsbald mein Freund Helmut von lautem Geschrei aus dem Nachbarhaus, aus seinem Nachmittagsschlaf gerissen. Dann stürmte die beinahe werdende Großmutter wutentbrannt aus dem Haus und verschwand in der Wohnung des neuen Bürgermeisters. Umgehend drang von dort aus neues Geschrei und Gezeter bis in die umliegenden Häuser, so das jeder mitbekam, dass da ein riesengroßer Streit ausgetragen wurde.

Neugierig geworden verließen die Menschen ihre Behausungen und versammelten sich, der kommenden Dinge harrend, vor dem Haus des neuen Bürgermeisters. Alsbald stürmte die Frau des Exbürgermeisters mit versteinertem Gesicht an der wartenden Dorfbevölkerung vorbei, verfolgt von der Freu des neuen Bürgermeisters, wieder heim in ihre Behausung. Hier ging der Streit weiter und wieder wartete die Menge, was jetzt passieren würde.

Nach etwa einer viertel Stunde erschien dann die Frau des neuen Bürgermeisters und enterte die Wohnung meines Freundes Helmut. Der erfuhr jetzt, was nun eigentlich los war. Hatte doch seine Stieftochter nichts ahnend ausgeplaudert, dass das ganze Dorf von der Schwangerschaft wusste, was doch niemand wissen sollte.

Doch nicht sie ist Schuld an dem Dilemma, sondern die Frau des neuen Bürgermeisters, weil sie angeblich davon erfahren und breitgetreten hat, um den alten Bürgermeister eins auszuwischen und seinen angekratzten Ruf noch weiter zu ruinieren.

Langsam aber stetig versammelt sich in der nächsten Stunde die Sippschaft beider Familien und beschimpft sich gegenseitig. Da der Streit zu eskalieren droht, wird die Polizei aus der Kreisstadt Nong Sun herbeigerufen. Die aber erklärt sich nach Anhörung der gegenseitigen Vorwürfe für nicht zuständig. Da sie aber für Ruhe und Ordnung sorgen will, empfiehlt sie den bei solchen Streitigkeiten zuständigen Pu Yai Baan, den Dorfbürgermeister als Schlichter anzurufen. Der ist aber in diesem Fall Partei und kann infolge dessen nicht tätig werden.

Was tun? Es wird weiter lautstark geschimpft und Vorwürfe fliegen von der einen Gruppe zur anderen und zurück. Das ganze Dorf ist in Aufruhr und weil es da nur zwei Sippen gibt, ist jeder betroffen. Helmut, der einen kühlen Kopf behalten hat, empfiehlt nun der Polizei doch einmal zu prüfen, ob der Pu Yai Baan des Nachbardorfes den Streit zu schlichten gewillt ist.

Ist er. Alsbald machen sich beide Sippen bei der einbrechenden Dunkelheit auf den Weg ins Nachbardorf, wo jede Partei dem Pu Yai Baan ihren Standpunkt darlegt. Der ist völlig ratlos und schlicht überfordert. Er ist noch ratloser, als die Sippe des Exbürgermeisters Geld als Entschädigung für die erlittene Schmach und Schande fordert. 80.000 Baht soll die andere Sippe bezahlen. Die lehnt natürlich ab, denn sie ist sich keiner Schuld bewusst.

Auch nach einer Stunde hin und her gibt es kein Aufweichen der verhärteten Front. Sippe eins behauptet, die Tochter des Exbürgermeisters sei nicht schwanger gewesen und hätte dementsprechend auch nicht abtreiben können, alles sei erlogen. Sippe zwei dagegen bleibt dabei, dass die Tochter des Exbürgermeisters doch schwanger war und abgetrieben hat.

Helmut, der inmitten beider Sippen seit Jahren lebt, glaubt an die Schwangerschaft. Während sich die Sippen weiter streiten, zieht er sich mit dem Frieden stiftenden Bürgermeister des Nachbardorfes zurück und empfiehlt ihm sehr weise zu entscheiden, so wie er es ja immer in Streitfällen tun würde. Der schaut ihn fragend an und Helmut erklärt ihm, er würde seine Sippe dazu überreden die geforderten 80.000 Baht zu bezahlen, aber erst wenn eine ärztliche Untersuchung der Städtischen Klinik in Korat bestätigen würde, dass an dem Mädchen keine Abtreibung vollzogen wurde. Was recht ist, muss eben Recht bleiben, ergänzt er seinen Vorschlag.

Alsbald bedeutet der Frieden stiftende Mann den streitenden Sippen ihn anzuhören. Als er erklärt, Sippe 2 würde die geforderte Summe von 80.000 Baht bezahlen, erhebt sich unter Sippe 1 ein Freudengeheul. Als er weiter erläutert, dass jedoch vorher eine amtliche Untersuchung der mutmaßlichen Mutter erfolgen müsse, versteinern sich die Gesichter der Sippe eins und Sippe 2 beginnt darauf hin genüsslich zu grinsen.

Seit diesem Tag hat der jetzt zweimal gekränkte Exbürgermeister sein Haus nicht mehr verlassen. Gesichtsverlust nennt man das in Thailand, doch die Kluft zwischen den beiden Sippen hat sich vergrößert und die Feinseligkeit wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit überschwappen. Mein Freund Helmut überlegt sich ernsthaft mit seiner Frau und den drei Kindern die untereinander verfeindeten Sippen der Dorfbevölkerung zu verlassen.
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

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