Meine ersten Wochen in Thailand

Tips, wie man als Neuankömmling in Thailand und im Isaan besser zurecht kommen kann; Erfahrungsberichte
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koratwerner (†2012)
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Meine ersten Wochen in Thailand

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Do Aug 23, 2007 1:35 pm

Damals in Deutschland hätte ich es mir nie träumen lassen, später einmal in Thailand zu landen. Doch wie das Leben so spielt, Ereignisse und Lebensumstände und das Bestreben, das Beste für sich daraus zu machen sind Entscheidungsgrundlagen für die weitere Zukunft.

Nach 33jähriger Ehe stirbt im Spätsommer des Jahres 2004 meine Frau Gisela. Jetzt lebe ich mit meiner 90jährigen Mutter alleine. Sie ist pflegebedürftig und bedarf meiner Hilfe. Da ich bereits Rentner bin, geht das auch so einigermaßen, doch weil ich selber nicht mehr so ganz auf der Höhe bin, fällt es mir nicht leicht unser Häuschen und Mutter zu versorgen. Mit Mutters und meiner Rente kommen wir finanziell ganz gut über die Runden. Da fällt es mir auch nicht schwer monatlich die Hypothek für das Einfamilienhaus zu tilgen. Es geht uns finanziell so gut, dass wir sogar von der Zahlung der Pflegeversicherung einen Pflegedienst in Anspruch nehmen können.

Schon bevor sich mein Gesundheitszustand verschlechtert, schaue ich mich nach einer neuen Lebensge-fährtin um, auf die ich als 64jähriger nicht verzichten möchte. Alle Zeitungsanzeigen und die Suche im Internet bleiben erfolglos. Wer will denn auch schon einen nicht ganz gesunden Mann und dazu noch mit einem Pflegefall im Haus? Eines Tages finde ich im Internet die Homepage des Herrn Müller, der in Thailand Frauen vermittelt, die einen deutschen Mann suchen. Nach einigen Telefongesprächen scheint mir der Mann korrekt zu sein. Ich sende ihm meine Daten, teile ihm meine Wünsche mit und harre der Dinge, die da kommen sollen.

Um es kurz zu machen, nach vier Wochen hat er eine Frau gefunden, die zu mir passt und die erst einmal unverbindlich nach Deutschland kommen will. Vorerst beginnt aber in Thailand und Deutschland der Papierkrieg. Drei Monate später ist die Dame da und vierzehn Tage später ist sie wieder weg. Sie will nicht in Deutschland bleiben, weil sie ihre Familie nicht alleine lassen kann und weil ihr Vater hohe Bankschulden hat, soll ich ihr doch erst einmal 5.000 Euro geben. Außerdem kann sie auch die Kälte nicht vertragen.

Scheinbar hat sie dem Vermittler dick was vorgelogen und ist nur zu mir gekommen um mich abzuzocken. Der fällt aus allen Wolken und beteuert glaubhaft, diese Dame habe auch ihn reingelegt und belogen. Das kann ja vorkommen. Zumal mir über viele Berichte im Internet solche Methoden von thailändischen Frauen bekannt sind, beauftrage ich Herrn Müller weiter für mich nach einer geeigneten Frau Ausschau zu halten und er findet eine. Wieder beginnt der Papierkrieg und eines Tages hole ich Ket am Frankfurter Flughafen ab. Sie bleibt.

Als meine Mutter wenige Monate später stirbt, sind wir noch nicht verheiratet. Da ich jetzt über ein bedeutend geringeres Einkommen verfüge, Ket auch jeden Monat etwas Geld für ihre zwei Kinder und die Mutter in Thailand benötigt, wird es verdammt knapp. Kurz entschlossen spreche ich mit dem netten und zuvorkommenden Herrn Müller in Thailand. Er besorgt uns in Korat eine Wohnung, ich verkaufe mein Häuschen und am Silvesterabend 2004 klettern wir in den Flieger nach Bangkok.

In Korat sitze ich jetzt vor meinem PC, schaue die Tastatur an und warte auf den zündenden Funken. Der Ventilator rauscht sein eintöniges Lied und bläst eifrig die Luft durch den Raum. Der halbvolle Aschenbecher steht im Zugschatten, so dass die Asche meiner Zigaretten nicht vom Wind verweht wird. Der Ventilator leistet gute Dienste. Dadurch, dass die Luft über meinen Körper streicht, wird die sich langsam bildende Transpiration weggeblasen. Gut ist das, sehr gut, denn so entsteht auf der Haut ein angenehmer Kühleffekt. Sicher könnte ein Klimagerät bessere Dienste leisten, doch der Installateur kann erst in etwa vierzehn Tagen kommen. Dann wandert der Ventilator wieder in die Küche, denn da gehört er hin. In der Küche hat er eine andere Aufgabe zu erfüllen. Hier bläst er die Wärme der Gasflammen des Ofens und die Kochgerüche durch die offene Hintertür hinaus auf den Hof.

Die Kochgerüche, die sind so eine Sache, an die ich mich noch nicht gewöhnt habe. Ket kocht nur thailändische Gerichte. Je nachdem, welche heimischen Zutaten sie verwendet, bringt der fremdartige Geruch meine Nase zur Verzweifelung. In Deutschland hat Ket zwar auch thailändisch gekocht, doch da im Asia-Shop nicht die speziellen Kräuter und Gewürze wie hier im Isan vorrätig waren, musste sie sich zwangsläufig mit Knoblauch und Chili begnügen.

Wir wohnen jetzt seit einigen Wochen am Stadtrand von Korat. Die Stadt heißt offiziell Nakhon Ratchasima und ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Korat ist das Einkaufszentrum und der Hauptverkehrsknotenpunkt der nordöstlichen Provinzen. Hier treffen sich alle Fernbusse aus den weiter entfernt liegenden nordöstlichen Provinzen, die dann weiter in die nordöstlichen Provinzen nah Süden oder nach Westen in Richtung Bangkok und zurück fahren.

Von hier aus verläuft auch eine der wenigen Eisenbahnverbindungen Thailands in das etwa zweihundertfünfzig Kilometer entfernte Bangkok und zur anderen Seite weiter östlich bis zu den Provinzhauptstädten Ubon Ratchathani sowie in den Norden über Khon Kaen und Udon Thani bis zur laotischen Grenze.

Vor über hundert Jahren hat sie das damals noch autark regierende Königshaus von einem deutschen Ingenieur bauen lassen. Sie soll angeblich auch heute noch im Besitz der königlichen Familie sein. Weil dieses Bähnchen nicht gerade schnell fährt und die Personenzüge etwas nostalgisch, zudem in jedem kleinen Dörfchen anhalten, fährt man besser mit einem der modernen, klimatisierten Fernbusse, die von den zwei Busbahnhöfen in Korat, oft im Abstand von einer halben Stunde, nonstop nach Bangkok oder in den Norden und in den Osten des Landes fahren.

Allerdings gewinnt die Eisenbahn wieder zunehmend an Bedeutung für den Containertransport, denn der Warenverkehr der schnell wachsenden Industrie Korats und anderer Städte im Isan, kann kaum noch auf den überlasteten Fernstraßen bewältigt werden.

Da die alte Eisenbahn wenig Zuspruch findet, erfolgt also der rege Personenverkehr in Richtung Bangkok und zu den Städten im Norden und Osten des Isan überwiegend durch Busse. Die Fernbusse sind innen und außen sehr sauber, sie sind meistens blau-weiß lackiert und meist neuerer Bauart. Unter ihnen befinden sich sogar Busse mit dem Stern und welche aus Schweden. Die roten Busse, die die Busbahnhöfe in Korat anfahren, sind Zubringer aus dem Umkreis von etwa 100 km. Sie sind älterer Bauart und nicht klimatisiert. Meine Liebste rät mir davon ab, doch einmal muss ich ganz bestimmt einmal mit so einem Vehikel fahren. Das bin ich meiner Neugier schuldig.

In Korat gibt es 7 Kaufhäuser, darunter welche, über die manch europäische Stadt neidisch sein würde. Mit den Supermärkten, den vielen Märkten und den unzähligen kleinen Geschäften, ist Korat im Umkreis von über hundert Kilometer das Einkaufszentrum schlechthin. Es gibt 15 Banken, 38 Hotels, 23 Restaurants, unzählige Garküchen am Straßenrand, 7 Kliniken und alleine im Zentrum 11 buddhistische Tempel, die man hier in Thailand Wat nennt.

Korat ist eine relativ alte Stadt, die früher, als sie noch gegen Eindringlinge verteidigt werden musste, mit einem breiten Wassergraben gesichert war. Dieser Wassergraben umschließt heute noch an drei Seiten den alten Stadtkern. Ebenso sind mehrere große Stadttore erhalten, die dem Handelsverkehr in alle vier Himmelsrichtungen dienten. Heute herrscht in dieser Stadt ein reger Motorrad- und Autoverkehr. Spätestens am frühen Abend sind im Zentrum alle Straßen dicht. Wer hier abends wissen möchte, wo irgendetwas los ist, der braucht nur darauf zu achten, wo die Bürgersteige und alle Nischen zwischen den Häusern mit einer unübersehbaren Menge Motorräder zugestellt sind. Da ist er richtig. Wenn auch die Stadt Korat in der weiten Welt wenig bekannt ist, dann doch die Korat genannte Siamkatze, die ihre Rassebezeichnung nach dem Namen dieser Stadt erhalten hat. Die Stadt Korat ist stolz auf ihre Katzen mit den weißen Augen und führt deshalb ein Katzenkopf in ihrem Stadtwappen.

Am Rande dieser ländlichen Metropole wohnen wir hier in einer mehr oder weniger hübschen Siedlung. Weniger hübsch sind die vielen halbfertigen Einfamilienhäuser und verwilderten Baugrundstücke. Hübscher sind die bewohnten Häuschen und wir haben von denen eines der schönsten erwischt. Straßenseitig ist ein kunstvoll geschmiedetes Gitter, dessen Einfahrt sich, oh wie schön, mit einer Fernbedienung öffnen und schließen lässt. An den anderen drei Seiten wird das Grundstück von einer etwa zwei Meter hohen Mauer umschlossen. Das ist für mich arbeitsscheuen Menschen noch schöner, denn vor und hinter dem Häuschen stehen zwar ein Dutzend große Bäume und Büsche, doch das ganze Areal ist, bis auf eine kleine Fläche vor dem Haus, sehr pflegeleicht zubetoniert.

Nun, die anderen bewohnten Grundstücke sehen auch nicht so schlecht aus, doch das Brachland und die Bauruinen bieten fürwahr keinen schönen Anblick. Vor etwa zehn Jahren wurde das alles hier erschlossen, parzelliert und zum Teil bebaut. Doch dann kam in Asien in der zweiten Hälfte der 90ziger die große Wirtschaftskrise, in deren Folge der Bauträger auf seinem Spekulationsobjekt sitzen blieb. Und das, obwohl den Thailändern schon in der Schule eingetrichtert wird, dass sie zu den cleversten Menschen auf Erden zählen.

Da von unserer Siedlung aus kein Bus fährt und man bis zu nächsten Haltestelle fast zwei Kilometer laufen muss, ist man auf ein Fahrzeug angewiesen. Da ich eigentlich abwarten wollte, ob ich das feuchtwarme Klima während der Regenzeit im Sommer vertragen kann und gegebenenfalls wieder nach Deutschland fliege, haben wir uns erst einmal ein kleines Motorrad zugelegt. Das ist allerdings eine Fehlentscheidung denn in dem kleinen Warenkorb lässt sich noch nicht einmal ein Karton Bier transportieren. Da zudem die Regenzeit vor der Tür steht und wir fast täglich in die Stadt müssen, haben wir uns doch entschlossen einen gebrauchten Pick-Up zu kaufen. Ohne ein Auto geht es halt doch nicht so einfach.

Der Abschluss der ersten Stufe „Deutsch für Ausländer“ endete in Deutschland damals für meine Zukünftige am 17. Dezember 2004. Zu der Zeit ist ihr schon einmal verlängertes Visum bereits wieder abgelaufen. Da ich jedoch der Ausländerbehörde unsere Tickets nach Bangkok für den 31. Dezember vorlege, drückt man ein Auge zu.

Da alles seine Ordnung haben muss, gibt man mir ein Ausreiseformular, welches der Grenzbehörde bei der Ausreise übergeben werden soll. Die soll die Ausreise von Frau LaIad Supajan, so steht ihr Name im Reisepass, auf dem Papier bestätigen und es nach Duisburg senden. Hier wird dann ihre Ausreise im PC registriert und in der Ablage zu den Akten gelegt. Das ist gut so, meint Ket mit ihrem noch etwas holprigen Deutsch. Weil wir Ordnung in unser Leben bringen wollen, sprich so schell wie möglich heiraten, fliegen wir Silvester 2004 um siebzehn Uhr mit der LTU von Düsseldorf nach Bangkok.

Frag mich niemand danach mit welchem Aufwand ich meine Angelegenheiten in den vier mir verbleibenden Wochen erledigt habe. Frage mich auch niemand danach wie Herr Müller und seine thailändische Frau es geschafft haben für uns innerhalb von drei Wochen das Häuschen anzumieten. Und weil es zwei Jahre nicht bewohnt war, es auszumisten, von innen und außen zu renovieren, die wild wuchernden Bäume und Sträucher im Garten zu stutzen, usw. usw. Kurzum, bei unserer Ankunft finden wir ein bezugsfertiges Häuschen vor in dem sogar in jedem Zimmer alle Lampen brennen.

Am Neujahrstag 2006 nimmt uns die Familie Müller am Flughafen Bangkok in Empfang. Ohne Aufenthalt geht es über eine etwas relativ gute Autobahn nach Nakhon Ratchasima, unserem neuen Wohnsitz.

Jetzt sind wir schon fast zwei Monate in Thailand und beinahe jeder Tag ist von einer oder mehreren Überraschungen geprägt

Zu Anfang dreht sich natürlich alles um unser Häuschen mit den drei kleinen und einem großen Zimmer, dem Bad mit WC, dem Gäste-WC und der überdachten Terrasse. Herr Müller hat es für uns ausgesucht, Bilder vom Haus per Internet geschickt und unsere Zustimmung eingeholt. Da das Haus eine längere Zeit nicht bewohnt war, ist der Zustand trotz der Renovierung immer noch putz- und reinigungsbedürftig und den in den Räumen liegenden Geruch bekommen wir mit einigen Dosen Duft-Spray auch einigermaßen weg. Draußen staune ich über die vertrockneten Äste eines der großen Mangobäume, dessen Äste über die Mauer zum brachliegenden Nachbargrundstück ragen. Herr Müller grinst. Irgendjemand hat ganz eifrig den trockenen Gartenmüll unseres Grundstücks, einschließlich aller zurück geschnittenen Äste der schönen alten Bäume und Büsche über die Mauer geworfen und angezündet. Das gab ein lustiges Feuerchen. Als dann die dort wild wachsenden Büsche und Bäume ebenfalls Feuer fingen und Telefon- und Stromleitungen langsam anfingen zu schmoren, wurde die Feuerwehr angerufen. Zehn Minuten später ist die mit einem Löschwagen an Ort und Stelle und tritt in Aktion.

Da in dieser Gegend auf den abgeernteten Reisfeldern sehr viel gezündelt wird und diese Feuer oft außer Kontrolle geraten, die Thai jedoch kein Geld haben, um den Feuerwehreinsatz zu bezahlen, bleibt auch dieser Einsatz ohne finanzielle Folgen. Nur die freiliegende Telefonleitung scheint außer den schönen Ästen des Mangobaums etwas von den Flammen abbekommen zu haben. Vielleicht ist das der Grund, warum das Rauschen im Telefon ist und das Internet nicht funktioniert.

Familie Müller hat also das Häuschen instand setzen lassen. Zusätzlich wurden im Wohnzimmer und im Schlafzimmer Klimageräte einbaut. Außerdem wurde die Hauspumpe repariert, der elektrische Durchlauferhitzer im Bad installiert und alle Lampen außen und innen sowie alle Steckdosen funktionsfähig gemacht. Damit wir auch ein gutes Bild haben, steht jetzt auf einem Stahlmast hinter dem Haus sogar eine supermoderne Sattelitenantenne.

Da in Thailand von den Farang, also den Amerikanern, Australiern und Europäern, vielleicht doch einmal ein überhöhter Preis gefordert wird, hat Herr Müller vorher seine thailändische Frau vorgeschickt um alle Angebote einzuholen. Deshalb halten sich die Kosten in Grenzen. In Deutschland hätte ich bestimmt mehr als das fünffache für die vergleichbaren Arbeiten hinblättern müssen. Später habe ich dann erfahren, dass die Familie Müller mit uns nur da eingekauft hat, wo für sie auch eine Provision zu holen war.

Das Häuschen entspricht der typisch thailändischen neueren Bauart. Es besteht aus etwa 8 cm dicken nicht isolierten Wänden, in denen alle drei Meter in den Raum ragende Stützen zu sehen sind. Die tragen die Decke und das Dach. Die Decke besteht aus abgehängten Gipsplatten. Der Dachstuhl dagegen ist stabil gebaut. Er ist aus Stahlrohr. Diese Bauweise ist in Thailand üblich, denn zum einen ist hier Holz sehr teuer und zum anderen gibt es überall Termiten. Nur die Giebelseiten des Hauses sind mit Holz verkleidet und wir haben sogar den Luxus, dass der untere Abschluss des Firstes altem thailändischem Schnitzwerk nach empfunden ist und das für etwa 60 Euro Miete und 6 Euro Nebenkosten für Brauchwasser, Müllabfuhr und Kostenbeitrag für den Security. Kurz und gut, wir haben keine gravierenden Gründe, um zu meckern.

Wir haben sogar einige nette Untermieter, nämlich Geckos. In den Zimmern sind sie etwa 3 - 6 cm lang. Sie huschen sporadisch über die Wände und suchen nach Moskitos. Auf dem Dachboden leben zwei größere Exemplare dieser Spezies. Zwar haben wir sie noch nicht zu Gesicht bekommen, doch Ket meint, dass sie so an die dreißig Zentimeter lang sein müssen. Abends, wenn es dunkel ist, pumpt der eine oder andere sich manchmal schnaufend auf und dann erschalt unüberhörbar seine Stimme mit der er so an die vier- bis achtmal seinen Namen ruft. Gecko, Gecko, Gecko. So schallt es durch die Gipsplatten und Ket freut sich über die kleinen Kerle. Nach Ansicht der Thai bringt ein Gecko nämlich Glück ins Haus. Also sollen sie ruhig bleiben. Mich stören sie nicht. Außerdem fressen sie die Moskitos, die tagsüber auf dem Dachboden eine dunkle Herberge suchen.

Mit den Moskitos ist das so eine Sache. In Erwartung riesiger Horden Blut saugender Bestien fliegen hier nur so kleine Tierchen herum, die in etwa die Größe der in Deutschland beheimateten Mücken haben. Mit dem Blutsaugen ist es auch nicht sehr weit her. Trotzdem sie zu hunderten ins Haus fallen, wenn man Fenster und Türen auch nur einige Minuten während der Flugzeiten morgens und abends auflässt, haben die Tierchen mich bisher nur relativ wenig gepiesackt. Bis auf vorgestern. Da haben wir vergessen im Schlafzimmer Moskitospray zu versprühen. In der Nacht hat es mich dann ordentlich erwischt. Nach etwa zwei bis drei Stunden spüre ich zwar nichts mehr und die Rötungen sind verschwunden, doch am rechten Innenarm scheint sich eine Stelle zu entzünden. Jetzt kommt unsere aus Deutschland mitgebrachte Hausapotheke zu Ehren, in der wir unter all dem Zeugs auch eine Kortisonsalbe dabei haben. Sechs Stunden später ist die lästig juckende, und entzündliche Schwellung ebenso verschwunden, wie meine aufgekommene Angst vor einer Infektion oder Blutvergiftung.

Da es in dieser Gegend keine Malaria oder andere von Moskitos übertragbare Infektionskrankheiten gibt, sind einige Stiche dieser Tierchen nicht weiter schlimm. Aber lästig sind die Viecher. Erstaunlicherweise haben sie vor Kets asiatischem Blut großen Respekt, doch nicht vor meinem. Ich muss also höllisch darauf achten, dass zumindest im Schalzimmer diese Plagegeister abends eliminiert werden. Es ist auch unangenehm und keinesfalls hygienisch, wenn sich eine Horde Moskitos in der Küche herumtreibt oder beim Essen stört. In den nördlichen Provinzen Thailands soll das noch schlimmer sein. Dort sollen die Viecher um einiges größer sein und sogar Infektionskrankheiten übertragen können.

So etwa zum Ende der ersten Jahreshälfte sind die kleinen Mücken verschwunden, doch dann waren sie plötzlich da, die richtigen Moskitos und weil die nicht nur überaus lästig sind, sondern auch Infektionen verbreiten, fährt jetzt für einige Tage ununterbrochen ein Sprühwagen durch die grünen Randgebiete der Stadt und bläst ein gasförmiges Desinfektionsmittel auf die Grundstücke. Die Männer auf dem Sprühwagen tragen Schutzmasken und die Anwohner schließen blitzartig alle Türen und Fenster. Trotzdem dringt das Giftgas auch in die Wohnungen und einigen Leuten in der Siedlung ist es für mehrere Tage recht ü-bel.

Eigentlich werden ja den Reisenden, die nach Thailand kommen, einige Schutzimpfungen empfohlen. Ich habe mit meinem Hausarzt darüber gesprochen. Als Thailandkenner meinte der jedoch, da sei viel Angst-mache und Geldschneiderei im Spiel. Doch eine Hepatitis, ich habe vergessen, ob A oder B, die könnte ich mir vielleicht einfangen. Doch die dann auftretenden Beschwerden währen nur unwesentlich größer, als diejenigen nach einer Schutzimpfung. Außerdem hätte ich dann mein Leben lang Ruhe und brauchte nie wieder eine Auffrischung. Alles in allem doch sehr beruhigend, oder?

Zurück zu unserem Häuschen. Es steht auf einem eingefriedeten Grundstück, dass im Rechteck so etwa 800 qm misst. Die Umfriedungsmauer ist 2 m hoch und weiß gestrichen. Straßenseitig ist es mit einem noch etwa höheren, kunstschmiedeeisernen Zaun gesichert, dessen Tor sich mit einer Fernbedienung öffnen und schließen lässt. Da vor und hinter dem Haus einige immergrüne Mangobäume stehen, ist es den ganzen Tag über immer irgendwo schattig. Vor und hinter dem Haus steht auch jeweils ein Kandelaber mit fünf Lampen, die in der Dunkelheit das ganze Grundstück ausleuchten können und wenn das nicht reicht, sind am Haus an jeder Hofseite jeweils zwei Halogenlampen installiert. Die betonierte Fläche gefällt mir. Sie ist sehr zweckmäßig, denn zum einen kann man die laufend abgeworfenen Blätter der Bäume leicht zusammen fegen und zum anderen hat man nicht viel mit dem in der Regenzeit wild wucherndem Unkraut zu tun. Da man das Areal von drei Wasserhähnen aus gut bewässern kann, ist es auch leicht, den feineren Staub zu weg zu spülen. Leider ist die Betonfläche sehr verdreckt. Mit einem Hochdruckreiniger bekomme ich den Beton aber wieder schön sauber. Manch ein Biergarten in Deutschland würde ob dieser Anlage vor Neid erblassen.

Noch etwas über die Wasserversorgung. Wir unterscheiden hier nach Trink- und Brauchwasser. Das hygienisch einwandfreie Trinkwasser wird zweimal wöchentlich mit einem Pick Up in 10 Liter fassenden Kunststofflachen angeliefert. Das kostet uns umgerechnet etwa sechzig Cent bis zu einem Euro pro Woche. Für das Brauchwasser, also das Wasser zum Waschen, Duschen, für die Toilette und für die Außenbewässerung, haben wir in der Siedlung eine Gemeinschaftsanlage mit zwei Tiefbrunnen und zwei Wassertürmen. Da die Anlage allerdings störanfällig ist, steht neben dem Haus ein Edelstahlbehälter mit etwa tausend Liter Fassungsvermögen. Das ist unsere Wasserreserve Nr. 1. Der Druck in der Wasserleitung ist leider zu gering, um den elektrischen Durchlauferhitzer funktionsfähig zu halten. Deshalb haben wir zur Druckerhöhung neben dem Haus noch eine kleine Pumpe. Für den Betrieb der Gemeinschaftsanlage bezahlen wir etwa sechs Euro im Monat und derzeit noch zwei Euro für die Bildung einer Instandhaltungsrücklage. Wir können also mit der Wasserversorgung zufrieden sein. Ket hat allerdings noch eine zusätzliche Notversorgung angelegt. Das ist ein mit Brauchwasser gefülltes großes Tonfass, aus dem man bei Bedarf auf etwa zwanzig Eimer Wasser zurückgreifen kann. Das ist unsere zweite Reserve. Die Angelegenheit mit dem Wasserfass ist in Thailand in allen ländlichen Gebieten nicht nur angebracht, sondern zwingend notwendig. Hier gibt es keine Brunnen, geschweige denn eine Wasserleitung.

Die Menschen sind ausschließlich auf das Regenwasser angewiesen. Deshalb stehen auf allen bebauten Grundstücken amphorenartige riesige Tontöpfe, die etwa zwei Meter hoch sind und an ihrer größten Stelle etwa hundertfünfzig cm Durchmesser haben. Bei jedem Haus findet man mehrere dieser Behälter in die während der Regenzeit das vom Dach ablaufende Wasser gesammelt wird und über die mehrere Monate dauernde Trockenzeit hinweg, als Trink- und Kochwasser reichen muss. Ein Farang sollte sich hüten, von diesem Wasser jemals etwas zu trinken. Magen- und Darmkrämpfe sind das Geringste, was er davon bekommen kann. Das Brauchwasser für die Toilettenspülung ist auf dem Land auch meist Regenwasser, welches in ein gemauertes Becken oder ein Fass geleitet wird. Bei Bedarf entnimmt man dann mit einer Schüssel etwas Wasser zum Nachspülen und da man kein Toilettenpapier kennt oder weil es zu teuer ist, auch zum Waschen der beschmutzten Extremitäten. Über die Abwasserbeseitigung können wir uns auch nicht zu beklagen. Es existiert eine gut funktionierende Kanalisation an der nicht nur das Häuschen, sondern auch sechs Gullys für die Hofentwässerung angeschlossen sind. Sechs Gullys meint Herr Müller, die sind bei der Fläche schon erforderlich, denn wenn die Regenzeit kommt wird sonst das Grundstück in wenigen Minuten total überschwemmt. Wie in Deutschland, gibt es auch bei uns Müllbehälter. Nur sind diese hier kugelförmig, aus Gummi und haben eine entfernte Ähnlichkeit mit antiken Gefäßen, in denen damals das Getreide aufbewahrt wurde. Etwa jeden zweiten Tag werden diese Kugeln von Dscharean geleert und mit dem Fahrradanhänger zu einer Sammelstelle gebracht. Von hier wird dann der Müll jede Woche einmal von der städtischen Müllabfuhr abgeholt. Alle Achtung!

Nach unserer Ankunft wohnen wir die ersten drei Tage in einem Hotel. Gott sei Dank ist das Zimmer klimatisiert und vom achten Stockwerk haben wir einem guten Überblick über die quirlige Stadt. Städte ähneln sich auf der ganzen Welt, doch hier fallen mir die sehr unterschiedlichen Gebäudehöhen, der Baustil und besonders die Wellblechdächer von Hütten und kleinen Stelzenhäusern auf, die immer wieder inmitten von größeren Geschäfts- und Wohnhäusern stehen.

Von Farbe halten die Thai auch nicht besonders viel, die meisten Gebäude sind zwar verputzt und vielleicht einmal getüncht worden, doch eine haltbare Schutzfarbe ist hier offensichtlich unbekannt, oder zu teuer. Nur einige Straßenzüge weiter leuchtet es weiß aus einem Palmenhain und einige bunte Türmchen ragen über das Grün der Bäume hinaus. Das ist ein Wat, sagt Ket und sucht weiter in ihrem deutschen Wortschatz nach passenden Formulierungen. Da wohnt Buddha, sagt sie dann noch.

Wenn wundert es? Nach der schlaflosen Anreise und dem doch mehr oder weniger aufregenden Tag, der von so vielen Eindrücken geprägt ist, gehen wir bei Eintritt der Dämmerung schlafen. Nach dem amerikanischen Frühstück holt uns Herr Müller ab und los geht’s zum Shopping. In Erwartung eines Möbelhauses, bin ich etwas erstaunt, als Herr Müller an der uns schon bekannten Ausfallstraße an einem Geschäft hält, wo vor dem Gebäude eine Menge einfacher Plastikstühle aufgebaut sind. Von Schaufenstern mit Ausstellungstücken ist nichts zu sehen, die gesamte Front ist offen und man geht von der Straße aus, direkt in die Verkaufsräume. Sofort sind wir von mehreren jungen Verkäuferinnen und Verkäufern umringt, die munter plappernd auf uns einreden. Ich verstehe kein Wort. Doch wofür habe ich denn Ket? Sowohl Ket, als auch Herr Müller spielen Übersetzer und das macht offensichtlich allen Leutchen Spaß. Spaß, das heißt Sanuk und das ist eins der wenigen thailändischen Worte, die ich kenne.

Unaufgefordert bietet uns eine Verkäuferin Eiswasser an und wir greifen erfreut zu. Dann geht es ans Aussuchen. Da sich das bessere Mobiliar in Thailand nur unwesentlich von den deutschen Möbeln unterscheidet, außer der Qualität, will ich auf dieses Thema nicht näher eingehen. Eins fällt mir auf, so an die 80% des Angebotes entspricht in etwa dem der Billiganbieter, wie wir sie in Deutschland haben. Der Rest ist etwas besser, doch Sitz- und Schlafmöbel mit Federkernmatratzen gibt es hier nicht. Das ist das beste Geschäft hier, sagt Herr Müller auf meine diesbezügliche Frage. Also, wir nehmen das was da ist. Weil der Verkaufsraum straßenseitig auf einer Front von etwa 60 m völlig offen ist, weht der Wind unaufhörlich jede Menge Staub auf die schönen Möbel. Das sorgt für Arbeitsplätze. Vier Leute sehe ich, die nur damit beschäftigt sind Staub zu wischen. Wenn sie hinten fertig sind, sorgt an der anderen Seite der neue Staub für eine permanente Beschäftigung. Die Möbel vor Staub schützen? Das ist nur bei den Polstern der Sitzmöbel und den Matratzen der Fall, die sind sämtlich in durchaus stabilem Plastik gehüllt.

Was brauchen wir nun am nötigsten? Ein Schlafzimmer, eine Sitzgarnitur mit Tisch, ein Esstisch mit vier Stühlen, eine Spüle und weil die Küche relativ klein ist, einen Hängeschrank. Den Gasofen kaufen wir woanders, der ist hier zu teuer, sagt Herr Müller. Bevor sich Ket für das eine oder andere Teil entscheidet, trinke ich noch so drei bis vier Gläser Eiswasser und Herr Müller erzählt mir, dass die Möbel in anderen Geschäften, nicht wie hier, mit Preisen ausgezeichnet sind und dort die Verkäufer von den Europäern einen weitaus höheren Preis fordern, als das bei den Thai der Fall ist.

Irgendwann muss ich ein Machtwort sprechen, denn Ket kann sich, wie wahrscheinlich alle Frauen, nicht entscheiden. Dann geht’s ans Bezahlen und wieder werden wir mit wirklich köstlichem Wasser versorgt. Mitten im Verkaufsraum ist ein Büro aufgebaut und hinter einem Schreibtisch sitzt mit ernstem Gesicht eine gestandene Dame. Wann sollen wir liefern, sagt sie und wir einigen uns auf fünf Uhr nachmittags. Dafür gibt es keinen Aufpreis und die Kosten für das montieren der Möbel werden auch nicht berechnet. Anhand der Preise, die hier noch nicht einmal 40 % dessen betragen, was das Zeugs in Deutschland gekostet hätte, bin ich einigermaßen zufrieden.

Diensteifrig tippt dann die, ach so ernsthafte Perle, die Preise, die ihr die jeweils zuständigen Verkäuferinnen nennen, in einen PC. Sechs Mädels stehen um sie herum und nicken zustimmend, sobald sie sehr sorgfältig den nächsten Posten in die Tasten getippt hat. Dann schnurrt der Drucker und ich erhalte von der ernsthaften Dame die Rechnung. Mein Blick geht auf dem Papier nach unten und da sehe ich, dass die Buchhalterin oder was sie sonst auch immer sein mag, 10 % Rabatt abgezogen hat. Herr Müller grinst beifällig und die bis dahin sehr ernsthafte Dame lächelt mich so freundlich und strahlend an, wie es nur eine Thai kann. Als ich zurück lächele, was ja eigentlich selbstverständlich ist, verschwindet sie schnell in der Tiefe des Ladens und kommt mit zwei Sofakissen zurück, die sie mir freudestrahlend schenkt.

Pünktlich zur vereinbarten Zeit stehen drei voll beladene Pik Up vor dem Haus. Die Möbel werden abgeladen, an Ort und Stelle gebracht und montiert. Weil beim Wohnzimmerschrank Komplikationen mit den Türhalterungen auftreten, kann die letzte Schraube erst so gegen 21 Uhr festgezogen werden. Die haben wirklich einen guten Service, meint Herr Müller. Normalerweise lassen die Thai nämlich spätestens um 17 Uhr den Hammer fallen und verschwinden.

Jetzt fehlt uns noch ein Fernseher, eine Waschmaschine, ein Toaster, ein Kühlschrank, ein Ventilator und Ket möchte für die Küche einen elektrischen Wasserkocher und einen Reiskocher haben. Auch für diese Dinge kennt Herr Müller in Korat ein Fachgeschäft und ich muss gestehen, ich fühle mich wieder nicht übervorteilt. Die Siemens Waschmaschine für umgerechnet 400 Euro, gibt es für diesen Preis in Deutschland auch nicht.

Im Preis ist natürlich die Anlieferung und Montage enthalten. Dann kaufen wir einen Fernseher, bei dem das Fernsehtischchen selbstverständlich kostenlos mitgeliefert wird. In Thailand gibt es so etwas. Jetzt wird noch eine Kühl- Gefrierkombination und ein großer Ventilator ausgesucht und wir sind fertig.

Auch für diese Sachen ist die Anlieferung und Aufstellung kostenlos und es gibt auf die Großgeräte fünf Jahre Garantie. Die Verpackung, die man in Deutschland selber entsorgen muss, wird anstandslos wieder auf den Pik Up geladen und man hat nichts mehr damit zu tun. Herr Müller ist darüber sehr verärgert, denn es gibt genügend private Entsorger, denen man außer Papier und Pappe auch Glas und Plastik verkaufen kann. Das gibt dann ein par Bath von denen sich die Kinder Süßigkeiten oder eine Limo kaufen können.

Beim Kauf dieser Dinge geht es ähnlich zu, wie beim Kauf der Möbel. Wir werden nach allen Regeln der Kunst beraten, mit Getränken versorgt und ich habe den Eindruck, dass all die adretten Verkäuferinnen stolz darauf sind uns ihr überaus großes Sortiment zeigen zu können. Ein Service, den es in Deutschland in den ersten Nachkriegsjahren auch einmal gab. Nach einigen Wochen brauchten wir noch ein Tischen und die Möblierung für das Gästezimmer. Weil der Weg relativ weit bis zu unserem bekannten Möbelladen ist, fahren wir einfach zu einem nahe liegenden Möbelhaus, welches von Herrn Müller als Schrotthandel bezeichnet wurde. Hier sehen wir erstaunlicherweise das gleiche Sortiment, wie in dem uns bereits bekanntem Möbelhaus, nur mit dem Unterschied, dass hier alles 20 bis 30% weniger kostet. Bei diesem Händler war wohl sicherlich keine Provision für die Familie Müller drin.

Das Ehepaar Müller ist sehr geschäftstüchtig. Später, als ich bei meinem Umzug den Lieferanten der Klimageräte beauftrage den Abbau zu übernehmen und die Kältemaschinen im neuen Haus wieder zu installieren, komme ich ihnen hinter die Schliche. Hat doch Frau Müller den guten Mann genötigt, statt 10.500 Baht eine fingierte Rechnung über 20.000 pro Gerät auszustellen, die mir dann bei der Abrechnung vorgelegt wurde. Man soll eben in Thailand keinem Landsmann vertrauen, Glauben schenken und ihm niemals die Möglichkeit geben, mit seinem Geld Geschäfte abzuwickeln.

Entgegen aller wohlgemeinten Information im Internet bin ich trotzdem leichtgläubig auf einen Landsmann rein gefallen. Jetzt erst, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist und ich einiges an Geld verloren habe, will ich zukünftig doch etwas vorsichtiger sein.

Doch nicht nur das. Weil Herr Müller und seine Frau doch so nette und hilfsbereite Leute sind, die an und für sich unverschuldet in großer Not leben, habe ich ihnen auch finanziell unter die Arme gegriffen.

Herr Müller hat in seinem Leben nur Pech gehabt. In Deutschland verlor er bei einem Arbeitsunfall seine linke Hand und an der rechten Hand drei Finger. Da sich aber zwei Berufsgenossenschaften nicht einigen konnten, wer nun letztlich die fällige Unfallrente zu zahlen hatte, lagen sie und liegen heute noch vor Gericht. Beide Berufsgenossenschaften haben allerdings kein Interesse daran, dass der Vorgang zügig bearbeitet wird, denn schließlich muss ja einer bezahlen. Doch solange der Fall in der Schwebe ist, braucht niemand zahlen. Also wird der Fall Müller von Instanz zu Instanz gejagt und bis letztlich das Bundesarbeitsgericht in Kassel ein Urteil fällt, vergehen vermutlich noch Jahre.

Herr Müller sieht sich also gezwungen, den Fall selber voran zu treiben. Da er aber mittellos ist und zudem im fernen Thailand lebt, passiert kaum etwas. Doch jetzt, so sagt er, steht sein Fall beim Arbeitsgericht vor der Verhandlung und in drei oder vier Monaten bekommt er eine dicke Nachzahlung und auch seine Unfallrente.

Bisher hat er ja davon gelebt, dass er Thaifrauen nach Deutschland vermittelt hat. Doch wie das leben so spielt. Bei einer Frau hat das nun mal nicht geklappt. Der Mann in Deutschland hat sie einfach wieder zurück geschickt. Das kann ja mal passieren, doch diese Frau hat ihr Sparguthaben für den Flug nach Deutschland aufgebraucht und der Heiratsaspirant in Deutschland hat es ihr nicht wieder gegeben. Nur den Rückflug hat er ihr bezahlt. Jetzt ist sie zur Polizei gegangen und hat den hilfsbereiten Herrn Müller wegen verbotenem Menschenhandel angezeigt und auf Schadensersatz verklagt.

Und was macht die Polizei? Sie verbietet Herrn Müller, bzw. seiner Frau, über deren Namen die Vermittlungsaktionen abgewickelt werden, jede weitere Tätigkeit. Bums, und wenn noch eine einzige Frau von den beiden vermittelt wird, droht dem guten Herrn Müller die Ausweisung. Nun ja, wo er mir doch so geholfen, was soll ich machen? Ket rät mir davon ab, doch ich leihe dem Pärchen Geld für das Notwendigste. Für die Miete ihres Hauses, für essen und trinken, Schulgeld für die Kinder und für die auf die lange Bank geschobenen Reparaturen ihres Autos.

In wenigen Wochen bin ich mehr als 200.000 Bath los. Herr Müller ist dankbar und hilft mir bei jeder sich bietenden Möglichkeit. Er hilft mir auch, als ich mir einen gebrauchten Pick Up kaufen will. 420.000 Tausend Bath soll er kosten. Der Verkäufer ist ein Privatmann und braucht dringend Geld. Deshalb ist der erst ein Jahr alte Isuzu auch so preiswert, sagt Herr Müller.

Ich lasse mir den Kaufpreis von Deutschland aus überweisen und ab geht es mit einem Köfferchen zum Verkäufer. Hier wird der Kaufvertrag aufgesetzt und Frau Müller, eine attraktive und gewandte Frau, übersetzt meine Fragen und prüft den Kaufvertrag.

Als ich nun nach den Wagenpapieren frage, also den vergleichbaren Kraftfahrzeugbrief einsehen will, erklärt mir Herr Müller, dass das in Thailand ganz anders sei. Das Dokument liegt auch noch bei der Bank, erklärt er mir. Der Mann zahlt nachher noch den fälligen Restbetrag ein und dann geht ihr beide zum Straßenverkehrsamt und der Wagen wird umgemeldet. Und wenn er das nicht macht, frage ich argwöhnisch. Dann hast du erstens den Wagen und zweitens den rechtskräftigen Kaufvertrag, klärt er mich auf.

Ich unterschreibe, bezahle und erhalte eine Quittung sowie den Wagenschlüssel. Stolz fahre ich nach Hause und freue mich, endlich vernünftig motorisiert zu sein. Am nächsten Tag passiert nichts, am übernächsten auch nicht. Weil der Verkäufer auch nicht ans Telefon geht, packe ich mir Herrn Müller am dritten tag in den Wagen, um den Verkäufer aufzusuchen. Der ist angeblich in Bangkok im Krankenhaus. Vielleicht hat er die Papiere und seine Unterschrift schon beim Straßenverkehrsamt abgegeben, meint der jetzt etwas kleinlaut gewordene Herr Müller. Wir fahren hin, doch da ist nichts dergleichen.

Keine Angst, meint Herr Müller, wenn der Verkäufer wieder aus dem Krankenhaus zurück ist, wird bestimmt alles sofort erledigt. Dann geht er nach Hause und eine halbe Stunde später bringt mir eines seiner Kinder einen Brief, in dem er mir schreibt, er möchte von mir in Zukunft nicht mehr mit meinen Problemen belästigt werden.

Was macht man in solch einem Fall? In Deutschland geht man schnellstens zur Polizei und erstattet Anzeige. In Thailand auch. Das wird mir in Korat in einem Restaurant geraten. Die Lebensgefährtin des Wirtes kennt sogar einen hohen Polizeioffizier, doch damit der sich um die Sache kümmert, kostet das erst einmal was. Ich zögere, denn mit Schmiergeld kann ich mich einfach nicht anfreunden.

Eine halbe Stunde später, als ich mich noch von einigen deutschen Gästen beraten lasse, erscheint Herr Knopf auf der Bildfläche. Herr Knopf palavert nicht lange herum und bietet sich an mit mir zur Polizei zu gehen. Er spricht ja auch gut Thai und kennt zudem aus langjähriger Erfahrung die Gepflogenheiten, wie man so etwas anpackt
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

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Re: Meine ersten Wochen in Thailand

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Do Aug 23, 2007 1:39 pm

Ist wirklich toll, mit welcher Selbstironie Du das erzählen kannst. Überhaupt nicht wie die Helden- oder Jammergeschichten, die man sonst überall hört.

Gibt's 'ne Fortsetzung, zu Herrn Knopf und was auf der Polizei passierte?
Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es! Erich Kästner, 1899 - 1974


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