Thailands Binnenwirtschaft in der Krise

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Thailands Binnenwirtschaft in der Krise

Ungelesener Beitragvon newsclip » Fr Dez 28, 2007 11:03 am

Thailands Binnenwirtschaft in der Krise

Gigantische Aufgaben für die neue Regierung

Selbstbeherrschung war gefragt am Treffen in dieser Woche, als praktisch das ganze «Who is who» der Wirtschaft des Landes sich in den Räumen der Federation of Thai Industries (FTI) ein Stelldichein gab. Es war der erste solche Anlass nach den Wahlen, die Thailands Rückkehr zur Demokratie markierten. Gewiss, vorherrschender Gesichtsausdruck war wie meist in dieser aufs Vermeiden offener Konfrontation und direkter Kritik ausgerichteten Gesellschaft freundliches Lächeln. Dennoch war vielen der Firmenchefs und Verbandsvertreter die Enttäuschung über den Wahlausgang unschwer anzumerken.

Mit Lächeln übertünchte Skepsis

Manche von ihnen hätten dem Sieg der Thaksinistenpartei PPP einen Erfolg der Democrat Party (DP) klar vorgezogen. Auch wenn die DP traditionell gewissen Sektoren manchmal etwas zu wenig protektionistisch ist, steht sie doch im Allgemeinen für eine solide und zuverlässige marktorientierte Politik. Zwar ist man auch in den Thaksin-Jahren nicht unbedingt schlecht gefahren, doch das war häufig eher auf ein positives Umfeld auf der globalen Ebene zurückzuführen denn auf die populistischen Rezepte des ehemaligen Telekommunikations-Magnaten. Und gegenwärtig ist noch keineswegs klar, wohin der aufgewärmte Populismus von Thaksins Nachfolgern und Statthaltern das Königreich in wirtschaftspolitischer Hinsicht führen wird.

Vor allem aber, das brachten neben FTI-Präsident Santi Vilassakdanont auch viele der Firmenchefs unverblümt zum Ausdruck, habe Thailand nach mittlerweile bereits zwei Jahren innenpolitischer Wirren und einem Militärputsch eine stabile Regierung und eine längere Phase politischer Berechenbarkeit dringend nötig. Nur damit könnte das Vertrauen der inländischen Konsumenten sowie der einheimischen und ausländischen Investoren wiederhergestellt und dadurch mittelfristig die Binnenkonjunktur wieder angekurbelt werden. Was im besagten «nichtkonfrontativen» Stil bewusst aus allen Erklärungen ausgeklammert wurde, war die Einschätzung, dass es angesichts des Wahlresultats diese Rückkehr zur Stabilität eben kaum geben werde.

Hauptanwärter der PPP auf das Amt des Regierungschefs ist der 72-jährige Samak Sundaravej, der als Ausnahme unter Thailands Politikveteranen kratzbürstige Arroganz und Schroffheit geradezu zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Falls er an dem Versprechen festhält, dem er ja schliesslich den Wahlerfolg zu verdanken hat, und somit dem letztes Jahr gestürzten Thaksin nicht nur zur Rückkehr aus dem Exil verhelfen, sondern ihn auch noch durch eine Amnestie vor den vielen Strafverfahren wegen Korruption und Machtmissbrauchs zu schützen versuchen wird, so wird man den Ausbruch neuer Strassenproteste in der Hauptstadt, ja sogar einen neuen Putsch zumindest nicht ausschliessen können.

Sollte es hingegen wider Erwarten die bei der Wahl klar unterlegene DP doch anstelle der PPP schaffen, eine regierungsfähige Koalition zusammenzustellen, so wäre diese angesichts der grossen Zahl verschiedener Partnerparteien mit Sicherheit aber nicht stabil, sondern würde wohl schon nach Monaten wieder auseinanderbrechen. Oder übertreiben es die Verbands- und Konzernvertreter mit ihrer Skepsis vielleicht etwas?

Vordergründig jedenfalls scheint es so. Eben gerade hat das Statistikbüro NESDB die Konjunkturdaten für einmal nach oben statt nach unten korrigiert; nach seinen Prognosen dürfte Thailands Bruttoinlandprodukt im ganzen Jahr 2007 um 4,9% statt, wie vorher veranschlagt, nur um 4% bis 4,5% gewachsen sein. Laut Angaben aus der Industrie haben sich auch die Autoverkäufe, ein Barometer für die Befindlichkeit des städtischen Mittelstandes, nach der starken putschbedingten Einbusse stabilisiert. Zudem scheint der Maschinenlärm, der in Bangkok den Bau zahlloser neuer Bürohäuser und Wohnsiedlungen begleitet, zumindest nicht auf eine Wirtschaftskrise hinzudeuten.

Exporterfolge hellen das Bild auf

Dennoch, die BIP-Daten und die äusseren Eindrücke verzerren das Bild. Das Wachstum von 4,9% kann vielleicht in europäischen Zusammenhängen als respektabler Wert gelten, aber in der südostasiatischen Wachstumsregion wird Thailands Volkswirtschaft dieses Jahr bereits zum zweiten Mal in Folge das Schlusslicht sein. Überdies ist dieses Wachstum praktisch ausschliesslich auf die Exportwirtschaft zurückzuführen.

Dieser Umstand entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Ausgerechnet jener Wirtschaftszweig, der in den letzten eineinhalb Jahren regelmässig durch die lautesten Beschwerden aufgefallen war, wonach ihm der Wertzerfall des amerikanischen Dollars gegenüber der heimischen Landeswährung Baht auf den globalen Märkten die Konkurrenzkraft zu entziehen drohe, hat sich nun per saldo als eine Stütze erwiesen, die die Volkswirtschaft vermutlich vor dem Abgleiten in eine Rezession bewahrt hat. In den letzten Quartalen wurden bei den Ausfuhren Monat für Monat beachtenswerte Zuwachsraten von 17% bis zu 24% registriert, für das Gesamtjahr wird der Wert der Exporte erstmals in der Geschichte Thailands die Grenze von 150 Mrd. $ übertreffen. Zugleich wird in der Aussenhandelsbilanz ein Positivsaldo von mindestens 12 Mrd. $ zu verbuchen sein, ein weiterer historischer Höchstwert.

Besorgniserregender Nudelumsatz

Andere Daten zeigen hingegen, dass Skepsis und Sorgen der Verbands- und Konzernvertreter durchaus berechtigt sind: Wie beim Mittelstand die Autoverkäufe, dienen bei den städtischen und ländlichen Unterschichten die Motorradverkäufe sowie der Absatz von Fertignudelgerichten als Indikatoren für Wirtschaftslage und Kauflust; zahlenmässig macht diese Gruppe weit über 60% der Bevölkerung aus. Und die Motorradverkäufe sind nach einem ersten Rückgang im Vorjahr nun um über 16% eingebrochen. Die Hersteller von Fertignudeln hingegen erfreuen sich eines anhaltend steigenden Umsatzes.

Erfahrungsgemäss ist dies stets dann der Fall, wenn Kaufkraft oder Kauflust der städtischen Unterschicht so schwach geworden sind, dass diese billigste der Ernährungsweisen dem teureren eigenhändigen Zubereiten eingekaufter Lebensmittel oder gar dem Essen im Restaurant vorgezogen wird. Bis die zu Recht als ausgesprochene Feinschmecker geltenden Thais zu solchen Schritten bereit sind, braucht es einiges. Vermutlich ist Thailands Binnenwirtschaft, für sich allein betrachtet, in den letzten 12 Monaten tatsächlich schon in eine Rezession abgerutscht. Diese zu überwinden, die Konjunktur wieder anzukurbeln, wird eine gigantische Aufgabe für die neue Regierung sein, wer immer sie schliesslich bilden wird.

Neue Zürcher Zeitung 28. Dez. 2007

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koratwerner (†2012)
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Re: Thailands Binnenwirtschaft in der Krise

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Sa Dez 29, 2007 3:28 pm

Besorgnis erregender Nudelumsatz

Finde ich verblüffend. Fertignudeln als Indikator zur Beurteilung der Wirtschaftslage. Unzählige Wirtschaftswissenschaftler, Banker und Politiker befassen sich weltweit mit komplizierten Methoden, um die Wirtschaftslage eines Landes zu beurteilen. Hurra, hurra!Hoffentlich lässt sich diese Methode auch weltweit anwenden.

Laut der Neue Züricher Zeitung genügt es den Nudelumsatz als Indikator zu betrachten und schon weiß man, zumindest für Thailand, wie sich die Binnenwirtschaft entwickelt. Mehr Reis, der um einiges billiger als Nudeln ist, wurde in Thailand scheinbar nicht gegessen, oder zählt Reis schon zum nicht erschwinglichen Lebensmittel?

Ein weiterer Indikator für die Beurteilung der Binnenwirtschaft ist der Motorradumsatz. Da verzeichnet Thailand einen Rückgang um 16%. Von einer möglichen Sättigung des Marktes ist keine Rede. Das gleiche Problem hatten wir in Deutschland auch schon einmal. Da haben die Motorradhersteller sogar ihre Produktion einstellen müssen. Neuwagen sieht man in Thailand allerdings noch recht häufig. Vielleicht werden die aber auch nur von den reichen Farangs gekauft oder eine Tochter, die im Ausland lebt, schickt das Geld.

Die Neue Züricher Zeitung schreibt nichts darüber, auch nicht über die Auslastung des Baugewerbes und andere Branchen, die zum Wachstum und damit zur Binnennachfrage beitragen.

Dumme Frage, hab ich etwas falsch interpretiert?
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!


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