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Rotwein für Daniel

Verfasst: Di Nov 03, 2009 6:54 pm
von koratwerner (†2012)
Heute ist der 3. November. Den ganzen Tag über weht ein kühler Ostwind über den Isaan. Seit zwei Tagen ist es deshalb schon bitter kalt in Korat. Was heißt bitter kalt? Doch ja, 20 Grad, das ist eine Temperatur, bei der man zittern kann oder man muss sich warm anziehen.

Der Kälteeinbruch kommt nicht unerwartet, denn die Ausläufer eines Taifuns, der sich über den Philippinen ausgetobt hat, ziehen über Vietnam und Kambodscha weiter gen Westen, um auch Thailand etwas Wind und Regen zu bescheren.

Gleich bricht die Dunkelheit herein und dann wird es noch etwas kühler. Dann ist die Zeit reif für einen Glühwein. Ja, Glühwein, richtigen Glühwein mit Nelken, Sternanis und etwas Zimt. Natürlich mit französischen Rotwein.

Französischer Rotwein. Bei diesem Gedanken muss ich innerlich schmunzeln und an eine kleine Geschichte denken, die sich hier in Korat zugetragen hat, als es seinerzeit kaum möglich war, hier einigermaßen preiswerten Rotwein aus Europa zu beziehen. Den gab es nur in geringer Menge in einem Supermarkt. Französischer Rotwein, abgefüllt in Flaschen zu 5 Litern.

Daniel, ein deutscher Emigrant war ein Liebhaber dieses Weines und immer wenn seine Rente überwiesen wurde, kaufte er sich mit dem frischen Geld eine Flasche.

Rotwein, das war sein Lieblingsgetränk, denn der erinnerte ihn immer wieder an die Zeit, die er als Söldner in der französischen Legion in Südfrankreich und Nordafrika verbracht hatte. Ja, er schwärmte von diesen schönen Zeiten und wenn er es sich leisten konnte, kaufte er sich eine Flasche von dem köstlichen Getränk und träumte beim genussvollen Trinken von vergangenen Zeiten.

Leider erzählte er in seinem Stammlokal von diesem Hobby und zog sogar den Wirt auf, weil der ihm nichts Gleichwertiges kredenzen konnte. Damit hatte er aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn der begab sich ein oder zwei Tage bevor Daniel wieder bei Kasse war in den entsprechenden Supermarkt und kaufte die noch vorhandenen Restbestände auf.

Daniel war darob natürlich betrübt, hatte sich doch seine Vorfreude auf den köstlichen Trunk in nichts aufgelöst. Davon erzählte er natürlich auch in seinem Stammlokal und erntete von seinem Wirt großes Bedauern und Mitleid. Doch dann kam das Schlitzohr von Wirt mit seinem Angebot rüber, er könnte ja ausnahmsweise mit einer Flasche aushelfen.

Doch so preiswert, wie der Supermarkt könnte er den Wein ja nicht abgeben. Daniel schwankte nun zwischen seinem Verlangen und 300 Bath, die der Wein bei seinem Wirt teuerer war. War das doch bei seiner kleinen Rente viel Geld.

Doch sein Verlangen trug den Sieg davon. Und so hatte der Wirt Monat für Monat eine kleine Nebeneinnahme, über die er sich köstlich amüsierte. Ich glaube, Daniel hat es nie erfahren, dass der Wirt ihn mit seiner Einkaufspolitik über viele Monate hinweg tüchtig geleimt hat.