Asien fürchtet Hungersnot

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koratwerner (†2012)
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Asien fürchtet Hungersnot

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Fr Jan 21, 2011 5:27 pm

Preisexplosion bei Lebensmitteln

In Deutschland werden Lebensmittel immer teurer,
doch das ist nichts im Vergleich zu Asien: In Indien kosten
manche Produkte drei Mal so viel wie vor einem Jahr, in Bangladesch
können sich die Ärmsten nicht mal mehr Milch leisten. Die Uno warnt vor
einer Hungerkatastrophe - und Gewaltexzessen.

"Es reicht gerade so", sagt Moshikur Hasan über seinen Verdienst.
Er kramt in seiner Geldbörse und zieht ein paar uralte, zerbröselnde
Geldscheine hervor. 200 Taka hat der 30-Jährige an diesem Tag
eingenommen, umgerechnet zwei Euro.

Hasan ist Fahrer einer Fahrradrikscha in Dhaka, der Hauptstadt von
Bangladesch. Auf dem Weg nach Hause, in ein Armenviertel am Stadtrand,
wird er an einem Gemüsestand halten und für 150 Taka Gemüse und eine
Handvoll Reis kaufen, damit seine Frau, die drei Kinder und er etwas zu
essen haben. "Wir haben uns längst daran gewöhnt, auf Fleisch, Eier und
Milchprodukte zu verzichten."

In weiten Teilen Asiens grassiert eine Inflation, die Lebensmittel
fast unbezahlbar macht. Zwar sind die Preise für Nahrungsmittel weltweit
auf Rekordniveau geklettert - höher als bei der Lebensmittelkrise im
Frühjahr 2008 -, aber so starke Steigerungen wie in Bangladesch, Indien
und Pakistan sind kaum woanders zu verzeichnen. Wie Moshikur Hasan
müssen die meisten Menschen in diesen Ländern 80 Prozent und mehr ihres
Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden. Zum Vergleich: In Deutschland,
wo das Statistische Bundesamt gerade einen Preisschub bei Lebensmitteln
bekanntgab, sind es gerade einmal zehn Prozent.

Die Mehrheit in Asien lebt ohnehin in Armut, entsprechend hart trifft
die Teuerung die Menschen. In Indien, wo nach Uno-Schätzungen etwa 40
Prozent der rund 1,2 Milliarden Einwohner mit weniger als zwei Dollar am
Tag auskommen müssen, haben die Kosten für Lebensmittel im Vergleich
zum Vorjahr fast 20 Prozent zugenommen. Gemüse verteuerte sich sogar
noch stärker (siehe Tabelle).

Preissteigerung in Indien, zweites Quartal 2010*

Produktgruppe Preissteigerung in Prozent
Inflation gesamt 8,8
Lebensmittel 20
Eier 20
Fleisch 20
Fisch 20
Gemüse 25
Zwiebeln 300

* Statistikbehörde, aktuellere Zahlen liegen nicht vor, zum Teil Schätzungen

Was dies bedeutet, macht ein einfaches Rechenbeispiel deutlich: Wenn man
weniger als 100 Euro im Monat verdient wie die große Masse der Menschen
in Indien, und wenn man 80 Prozent seines Einkommens für Lebensmittel
ausgeben muss - dann geht eine Preissteigerung um 20 Prozent wirklich an
die Substanz.

Die Entwicklung bringt Politiker in die Bredouille, die täglich
versprechen, die Preise würden bald sinken. "Die Inflation bei den
Nahrungsmittelpreisen ist inakzeptabel", schimpfte Indiens
Finanzminister Pranab Mukherjee am Mittwoch und kündigte Gespräche mit
Politikern aus allen Teilen des Landes an.

"Zwiebelkrise" lässt indische Politiker zittern
Die indischen Zeitungen schreiben schon von einer "Zwiebelkrise", da
der Preis für dieses Gemüse sich innerhalb weniger Monate verdreifacht
hat. Zwiebeln sind eine Hauptzutat für die meisten Currys. Steigende
Zwiebelpreise alarmieren deshalb alle Politiker, sie können die Karriere
beenden. So musste der Regierungschef von Neu-Delhi, Sahib Singh Verma,
1998 zurücktreten, weil auch damals die Zwiebelpreise astronomisch
gestiegen waren. Verma hatte es gewagt, den Armen zu raten, ihr Essen
eben ohne Zwiebeln zu kochen.

Im Nachbarland Pakistan sind die Kosten für Mehl, Gemüse, Obst,
Speiseöl, Linsen, Milch, Eier und Fleisch so stark gestiegen, dass
manche Politiker von einer "existenziellen Krise" sprechen. Schon im
Frühjahr 2010 widmete sich das pakistanische Nachrichtenmagazin "Herald"
der Kostenexplosion auf dem Lebensmittelmarkt. "Die wahren Kosten der
Inflation" hieß die Titelgeschichte. Menschen würden an Mangelernährung
sterben, zitiert das Magazin einen Arzt in Islamabad. Und ein Polizist,
der nur 8500 Rupien im Monat, also etwa 70 Euro verdiene, sei geradezu
darauf angewiesen, Bestechungsgelder anzunehmen, um seine Familie zu
ernähren.

Ende Juli überrollte auch noch eine Flutkatastrophe Pakistan, etwa
ein Fünftel des Landes stand unter Wasser. Ackerflächen und Viehbestände
wurden zerstört, erneut stiegen die Preise für Nahrungsmittel
dramatisch: in der Regel um 100, in manchen Regionen um bis zu 300
Prozent. In diesem Jahr, wenn das ganze Ausmaß der Ernteausfälle
deutlich wird, dürften sie noch weiter nach oben klettern. Skrupellose
Geschäftsleute nutzen die Gelegenheit, zusätzlich etwas drauf zuschlagen
und das mit der Flut zu begründen.

"Risiko gewalttätiger Auseinandersetzungen"
Aber auch anderswo in Asien ist die Entwicklung besorgniserregend: In
Vietnam kostet Reis doppelt so viel wie vor wenigen Monaten, in China
hat die Regierung die steigenden Preise zur Chefsache erklärt und, wie
in Indien, Getreide und Reis aus staatlichen Reserven auf den Markt
geworfen, um das Angebot zu erhöhen und die Preise zu drücken.

Die Vereinten Nationen warnen bereits vor Unruhen wie zuletzt 2008,
als Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika auf die Straßen gingen
und ihrer Wut freien Lauf ließen. Anfang des Jahres sagte Abdolreza
Abbassian, Ökonom und Getreideexperte bei der Uno-Welternährungsorganisation FAO,
man müsse mit Ausschreitungen rechnen.

"Je länger die Preise oben sind, desto höher ist das Risiko,
dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen wegen nicht bezahlbarer
Nahrungsmittel kommt", sagte er der Nachrichtenagentur Dow Jones.
Sollten die hohen Preise weiter steigen, womit bis zum Sommer zu rechnen
ist, drohten in ärmeren Ländern Proteste und Unruhen, heißt es bei der
FAO. In vielen Ländern müsse man sich auf eine Hungersnot oder zumindest
eine Welle von Krankheiten durch Mangelernährung gefasst machen.

Hoffnungen auf sinkende Preise machen weder die Uno noch die
Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD):
In ihrem "Agricultural Outlook 2010" heißt es, dass die Preise für
Getreide bis 2020 je nach Sorte um durchschnittlich 15 bis 40 Prozent
zulegen würden.

Wachsende Weltbevölkerung, neue Essgewohnheiten
Für die hohen Preise macht die Uno vor allem die ungünstigen
Wetterbedingungen und die damit verbundenen Ernteausfälle
verantwortlich. Erosion, Versalzung und unzureichende Bewässerung
machten jährlich Hunderttausende von Hektar Anbaufläche unbrauchbar.
Naturkatastrophen wie die Überschwemmung in Pakistan und die Waldbrände in Russland
haben nach Angaben des Statistischen Bundesamts zu einer Verknappung
des Angebots im Großhandel mit Getreide, Saaten und Futtermittel geführt
- und damit zu einer Preissteigerung um durchschnittlich 20 Prozent
beigetragen. Hinzu kommt, dass der Anbau von Biokraftstoffen immer mehr
die Lebensmittelproduktion verdrängt. Außerdem verteuern gestiegene
Energiepreise die landwirtschaftliche Produktion und damit die Lebensmittel.

Experten sehen aber auch im wachsenden Wohlstand Asiens und den damit
veränderten Ernährungsgewohnheiten eine Ursache für die Verknappung.
In China wird beispielsweise fünf Mal mehr Fleisch verzehrt als vor drei
Jahrzehnten. Während die Produktion an Lebensmitteln global stagniert,
wächst die Weltbevölkerung um jährlich bis zu 80 Millionen Menschen. Ob
sich die Produktion mit Hilfe der Gentechnik ankurbeln lässt, ist umstritten.

Rikschafahrer Moshikur Hasan aus Dhaka hat, um sein Überleben zu
sichern, eine drastische Lösung gefunden: Seit ein paar Tagen bereitet
seine Frau nur noch zwei Mahlzeiten am Tag zu, Frühstück und Abendessen.
Das Frühstück besteht meist aus Fladenbrot, das am Vorabend übriggeblieben ist.

Quelle : http://www.spiegel.de/wirtschaft/unterne…,740601,00.html
Es ist nicht schwer zu wissen wie man etwas macht,
aber es ist schwer es auch zu tun!

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