Abscheu und Scham

Für alles Wichtige aus dem Isaan und auch ein bisschen weiter weg. Was beim Isaan-Tourismus, dem Reisen in der Region von Bedeutung sein könnte, oder was die Gemüter der Expats erregt. Politik, Kultur, Wirtschaft etc.
khithen (?2015)
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Abscheu und Scham

Ungelesener Beitragvon khithen (?2015) » Do Jun 24, 2010 8:48 pm

(Mark Teufel) Mehr als ein Monat ist vergangen, seit die Armee Ratchaprasong stürmte. Und inzwischen sind sogar Bilder eines einzelnen Bewaffneten aufgetaucht, der auf die mit Feuerstößen vordringenden Soldaten mit Schüssen geantwortet hatte, wodurch die Regierung die Ermordungen von ca. 100 unbewaffneten Zivilisten als gerechtfertigt ansieht. Mit einer Mischung von Abscheu und Scham liest man die Nachrichten über Thailand, die alles bestätigen, was seit dem Coup von 2006 befürchtet werden musste. Abscheu, weil dieser Rückfall in die Barbarei, in der der Stärkere dem Schwächeren mit Waffengewalt seinen Willen aufzwingt zu dem geführt hat, was zu befürchten war, nämlich zu einer Diktatur von dem langsam der Putz der Propaganda abbröckelt. Und voller Scham, weil die so genannten freien Länder der Welt, die sicherlich diese Entwicklung auch erkennen konnten, absolut nichts getan hatten, um den Menschen Thailands dabei zu helfen, eine auf Menschenrechten basierte demokratische Ordnung aufzubauen.

BESTANDSAUFNAHME


Schauen wir uns an, wo die Gesellschaft Thailands derzeit steht: Durch die Ermordung von Zivilisten durch Sicherheitskräfte, die u.a. damit begründet wurden, dass China schließlich auch dazu legitimiert war, tausende von Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Interesse der Sicherheit des Staates zu töten, wurde die Spaltung des Landes zu einer unüberwindbaren Kluft. Während der Menschen verachtende Sprecher des Krisenzentrums, Oberst Sansern, trotz wiederholter Falschaussagen in aller Öffentlichkeit, von einem Modemagazin als coolster Oberst des Landes gefeiert und auf die Titelseite gehoben wird, schwören die zurück in den Isaan gefahrenen Demonstranten und die Angehörigen der Toten und ca. 2000 Verletzten dieser Regierung Rache. Sie haben kein Geld um teure Modemagazine zu kaufen. Und vermutlich auch kein Geld um sich Waffen illegal auf dem Schwarzmarkt zu beschaffen. Aber das hatte die Aufständischen im Süden auch nicht daran gehindert sich zu bewaffnen und den Sicherheitskräften seit vielen Jahren einen blutigen Krieg zu liefern. Einen Krieg, der den Mächtigen trotz aller Lippenbekenntnisse sehr wohl ins Konzept passt. Zeigt er doch der Nation ein ständiges Drohszenario, schafft er doch die Voraussetzung um noch größere und gewaltigere Militärbudgets abzuzweigen und macht er das Militär doch in Teilen des Landes zum Herrn über Leben und Tod.

Seit langem ist bereits bekannt, dass längst nicht alle Anschläge im Süden von Aufständischen begangen wurden. Die Polizei hatte zum Beispiel nach einem Anschlag auf eine Moschee mit 11 Toten festgestellt, dass es eine paramilitärische Gruppe „zum Schutz des Buddhismus und der Monarchie“ war, die dem Militär nahe stand, die für das Massaker verantwortlich war. Seitdem hörte man nichts mehr von der Angelegenheit. Da die Polizei immer stärker unter die Kontrolle des Militärs gestellt wird, werden solche „Pannen“ vermutlich in Zukunft nicht mehr vorkommen.

Aber das gleiche Szenario wie im Süden droht nun auch im Norden und Nordosten. Und die Regierung und das Militär scheinen sich schon seit dem Coup von 2006 darauf vorzubereiten, zuletzt durch eine neue gepanzerte Armeeeinheit die in der Region aufgestellt werden soll, offensichtlich in Erwartung eines Aufstandes. Und so wie die einzelnen Hitzköpfe unter den Wachen der Demonstranten, die sich „nicht wie Hühnchen abschlachten lassen wollten wie 1976 und 1992“ wie einer von ihnen sagte, die Legitimierung für das Töten von Hunderten und Verletzen von Tausenden durch die Regierung liefern, so werden demnächst die Unruhen in den Provinzen des Nordens und Nordostens die Legitimierung für noch mehr Militär, für Ausnahmezustand und das Aussetzung von Wahlen für mindestens 10 Jahren liefern.

DÜSTERE ZUKUNFT STEHT BEVOR


Das Militär hat mit dem Coup von 2006 den Menschen Thailands gezeigt, dass Veränderungen in Thailands Gesellschaft mit Waffengewalt legitim sind. Dass aber die Forderung nach Neuwahlen, ausgedrückt durch gewaltfreie Proteste illegitim sind. Die Gerichte und Bürokratie hat durch ihre tausendfachen Beweise von „doppelten Standards“ jede Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft verloren und die Monarchie wurde durch die Protagonisten des Coups und seiner Folgen für ihre politischen Zwecke missbraucht und dadurch zur Partei und zum Teil des Problems in den Augen von immer mehr Menschen.

Aber auch die internationale Gemeinschaft hat Thailands Menschen enttäuscht. Nicht zuletzt wirkt die Tatsache, dass Thailand den Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat übernommen hat wie in Schlag ins Gesicht der Menschen, die unter Militärcoup und seinen Folgen litten, die Angehörige oder Freund verloren haben. Und die sehen, wie eine krakenartige Diktatur alle Bereiche des öffentlichen Lebens mit Zensur, Denunziantentum und Verfolgung von Dissidenten ausfüllt.

Schon einmal, nämlich nach dem Massaker von 1976 hatte Thailands Elite die anders Denkenden so unter Druck gesetzt, ermordet, verfolgt und kriminalisiert, was einen Exodus der besten Köpfe des Landes zur maoistischen CPT oder ins Ausland trieb. Auch dieses Mal wurden über 800 Haftbefehle ausgestellt, hunderte wurden interniert, hunderte werden angeklagt oder verfolgt. Ein spezielles Amt zur Verfolgung von Internetstraftaten wurde eingerichtet, um Dissidenten endgültig und effektiv mundtot zu machen, alle liberalen oder „roten“ Medien wurden verboten. Und genau wie 1976 wird niemand für die Morde der Sicherheitskräfte zur Rechenschaft gezogen, sondern die Opfer werden zu Verfolgten. Und die Regierung kündigte an, die Mitglieder der UDD, deren Zahl in die Hunderttausende geht, in ihrem zu Hause zu besuchen, um sie über „die Wahrheit zu informieren“.

Dissidenten sind in den Untergrund gegangen und radikale Kräfte, die schon im voraus gewarnt hatten, dass die Elite Thailands nicht bereit wäre, einer friedlichen Transformation der Macht auf eine gewählte Regierung zu zustimmen, erhalten Auftrieb und Zulauf.

Wie im Süden des Landes baut sich auch im Norden und Nordosten des Landes das Gefühl aus, dass Bangkok die Provinzen wie Kolonien betrachtet. Die Rede ist von der Kolonialisierung des eigenen Landes. Und alleine gelassen von Institutionen und der internationalen Gemeinschaft baut sich die Ansicht auf, dass nur mit Waffengewalt gegen die Waffen des Militärs gewonnen werden kann. Denn diejenigen, die über deren Waffen die Macht haben, sind bereit, diese auch skrupellos einzusetzen.

Aber die Elite tut Nichts um die Entwicklung zu stoppen. Vielmehr hat sie sie schon vorher gesehen und begonnen die bewusste zusätzliche Armeeeinheit zu planen und aufzubauen. Und unter dem Eindruck des beginnenden Widerstandes wird auch diese Armeeeinheit schneller aufgebaut werden als geplant. Und wieder hat das Militär und die Elite ein weiteres Ziel erreicht, nämlich noch mehr Waffen, noch mehr Militär im Land verteilt zu haben, um jederzeit die Menschen überall mit Waffen unterdrücken zu können. Und gleichzeitig liefert diese Entwicklung den Grund dafür zu behaupten, dass kein normaler Wahlkampf möglich wäre, weshalb auf absehbare Zeit keine Wahlen stattfinden werden. Zumindest so lange nicht, bis die Herrschenden sicher sind, dass durch die Angst der Menschen vor dem Aufstand und auf Grund ihrer Propaganda und Unterdrückung jeder abweichenden Meinung die Mehrheit der Wähler schließlich auf die Linie von Law und Order einschwenken. Und damit das Militär und ihre Mäntelchen auch eine „demokratische“ Legitimation durch Wahlen erhalten. Oder sich durch die unbeschränkt zur Verfügung stehenden Geldmittel, eine ausreichende Zahl von Abgeordneten kaufen können.

DIE REAKTION DER NICHTRADIKALEN


Bisher gab es eine politische Spaltung des Landes. Das wird sich nun ändern in eine Aufspaltung in Radikale und eine noch breitere Schicht Uninteressierte und den Staat ignorierenden Menschen, die nun in die innere Immigration gehen und die Gruppe derjenigen vergrößern, die schon lange sagte: „Hat ja doch keinen Sinn“. Diese Gruppe wird sich in ihre Familien zurückziehen, versuchen den Staat zu betrügen, wo es möglich ist und ansonsten Politik in jeder Art ablehnen. Und auch dies war Teil des gewünschten Ergebnisses der Herrschenden. Damit ist das Ziel des Coups von 2006 erreicht worden. Wir erinnern uns daran, was der Coup im Jahr 2006 ändern sollte:

Die Massen der Wähler in Thailand waren aufgewacht und hatten festgestellt, dass sie mit ihrer Stimme an der Wahlurne tatsächlich etwas bewirken konnten. Nämlich dass eine Partei die Politik bestimmte, die ihnen direkt und spürbar Vorteile zukommen ließ. Dieses erwachte Massenbewusstsein musste wieder unterdrückt werden. Der Geist sollte zurück in die Flasche des Untertanentums und der Almosenakzeptanz.

Es hat über 100 Tote und 2000 Verwundete gebraucht und die Ignoranz des Auslandes, um das Ziel zu erreichen. Aber nun ist es fast erreicht.

GIBT ES EINEN HOFFNUNGSSSCHIMMER FÜR DEMOKRATIE?


Da der Kampf für Demokratie von unten gescheitert ist, bliebe nur eine Einführung „von oben“. D.h. nach einem Ableben der nun über 90 bzw. 80-jährigen Hauptprotagonisten der derzeitigen politischen Situation könnten die Karten neu gemischt werden, falls einer oder mehrere der nachrückenden Mächtigen den Willen dazu hätte.

Wir wissen, dass zumindest einer dazu bereit wäre. Nicht aus Liebe zur Demokratie, sondern aus Bequemlichkeit und Sorge um sein persönliches Wohlergehen. Nicht ohne Grund hatte der jetzt als „Terrorist“ verfolgte ehemalige Premierminister Thaksin Shinawatra jenen über den Klee gelobt. Aber das Interessengeflecht der Elite ist zu eng gewoben, als dass ein Einzelner oder eine kleine Gruppe wirklich das Muster der Herrschaft ernsthaft ändern könnten. Weshalb zu vermuten ist, dass eine solche Hoffnung vergeblich sein wird.

Beobachten wir in der Zwischenzeit die Seifenoper der thailändischen Politik, in der die Drehbücher von Leuten geschrieben werden, die in keinem Abspann auftauchen. Während das US-Außenministerium „alle Parteien Thailands auffordert, die Konflikte über die demokratischen Institutionen“ zu lösen, gerade so als ob es solche überhaupt noch geben würde.


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dogmai
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Re: Abscheu und Scham

Ungelesener Beitragvon dogmai » Fr Jun 25, 2010 12:35 am

Eine typisch einseitige und nicht diffenrenzierende Betrachtungsweise, aufgenommen natürlich gerade von schoenes-thailand.de. Und das wundert mich nicht, haben die Macher schon immer durch Einseitigkeit geglänzt, und sie sind natürlich froh um einen Kommentar, der in diese ihre Einseitigkeit paßt..
Frühes Aufstehen ist der erste Schritt in die falsche Richtung.
Nostalgie: https://www.thailand-seite.de/Thailandnostalgie/


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