KRAWALLE IN THAILAND
Warum die Roten die Gelben hassen
Thailand schlittert ins Chaos - und die beiden rivalisierenden Lager setzen gezielt Farben als Kampfsymbole ein. Königstreue Gelbe liefern sich heftige Straßenschlachten mit revolutionären Roten. Was steckt wirklich hinter dem Dauerkonflikt?
Bangkok - Rot ist in diesen Tagen die dominierende Farbe in Thailand. In roten Hemden demonstrieren die Gegner von Regierungschef Abhisit Vejjajiva - und fordern dessen Rücktritt. Am Samstag sprengten sie das Gipfeltreffen asiatischer Spitzenpolitiker, am Sonntag belagerten sie Regierungsbüros in Bangkok, und auch am Montag gehen die Proteste weiter.
Die Roten sind Anhänger des ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra. Er war im September 2006 vom Militär abgesetzt worden. Seitdem sind Massenproteste in Thailand fast an der Tagesordnung.
Gegenwärtig beherrschen die Roten das Straßenbild. Vor einiger Zeit waren jedoch die Gelben dominierend, die königstreuen Anhänger der jetzigen Regierung. Im vergangenen Herbst blockierten sie die Flughäfen Bangkoks, um gegen den damaligen Ministerpräsidenten, einen Schwager Thaksins, zu demonstrieren.
Nun jedoch hat Thaksin seine Anhänger mobilisiert, mit brennenden Blockaden und Wurfgeschossen drängen sie Abhisit zum Rücktritt. "Wir haben nichts zu verlieren. Abhisit ist ein Mistkerl und der schlimmste Tyrann", sagt Jakrapob Penkair, der die Proteste mit anführt.
Abhisit hatte das Amt des Regierungschefs erst Mitte Dezember übernommen. Der in Großbritannien geborene und exzellent ausgebildete 44-Jährige ist ein typischer Vertreter der alten Eliten in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Passenderweise bedeutet sein Name auf Thailändisch "Privileg".
Revolutionsaufruf aus dem Exil
Für die Anhänger von Ex-Regierungschef Thaksin, die vor allem den armen Schichten und der Landbevölkerung angehören, ist Abhisit schlicht nicht tragbar. Sie werfen ihm vor, eine Marionette der Berater von König Bhumibol Adulyadej und des Militärs zu sein. Abhisits Versprechen bei seinem Amtsanstritt, sich um nationale Aussöhnung zu bemühen, beeindruckt die Regierungsgegner nicht.
"Die Gräben innerhalb der thailändischen Gesellschaft werden sich weiter vertiefen", sagt Politikwissenschaftler Somchai Phagaphasvivat voraus. Wer das Land künftig regiere, sei ungewiss. Der Politologe will auch nicht ausschließen, dass wieder eine Militärjunta das Ruder übernimmt - wie Ende 2006 nach dem Putsch der Armee gegen Thaksin.
Damals war der Umsturz damit begründet worden, dass unter Thaksin Korruption und Vetternwirtschaft um sich griffen. Thaksin selbst war zu einem der reichsten Unternehmer des Landes aufgestiegen. Heute lebt der 59-Jährige im Exil, meist in Dubai. In der Heimat wurde er wegen Korruption zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Die "Rothemden" kämpfen trotzdem für seine Rückkehr. Mit Videobotschaften aus dem Ausland zieht der Ex-Premier immer noch die Fäden. Am Wochenende rief er zur Revolution in Thailand auf.
"Thailand bleibt in den kommenden Jahren instabil"
Aber auch Thaksins Gegner haben ihre Stärke bereits bewiesen. Die Gelben - offiziell heißen sie Volksallianz für die Demokratie - riefen im November zum "letzten Kampf" gegen den damaligen Regierungschef Somchai Wongsawat auf, den Schwager Thaksins. Gelb ist die Farbe von König Bhumibol.
Damals belagerten die Demonstranten eine Woche lang die beiden Flughäfen in Bangkok und trafen damit eine wichtige Branche des Landes, den Tourismus. Anfang Dezember zwang das Verfassungsgericht Somchai zum Rücktritt und verbot dessen Partei der Volksmacht. Abhisit wurde daraufhin neuer Ministerpräsident - doch das Land kam nicht zur Ruhe.
Für Michael Nelson von der Chulalongkorn-Universität in Bangkok liegt das Grundproblem darin, dass Politik in Thailand traditionell "keine öffentliche Angelegenheit" sei. Vielmehr bestimmten die Interessen von "Familien und Cliquen" die Geschicke des Landes. Politologe Somchai ist ebenfalls skeptisch. "Thailand wird auch in den kommenden Jahren instabil bleiben", prophezeit er.
Spiegel online 13. pril 2009