Neuwahlen???

Für alles Wichtige aus dem Isaan und auch ein bisschen weiter weg. Was beim Isaan-Tourismus, dem Reisen in der Region von Bedeutung sein könnte, oder was die Gemüter der Expats erregt. Politik, Kultur, Wirtschaft etc.
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KoratCat
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Neuwahlen???

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Mo Dez 29, 2008 9:18 pm

Ich hab mich auf Schoenes Thailand anspornen lassen, mal wieder einen politischen Kommentar zu schreiben. In einem Thread zu den jüngsten Aktivitäten der Rothemden, und dass die ja so friedlich demonstrieren würden, habe ich mal angesprochen, ob denn die Forderung der Demonstranten nach Neuwahlen überhaupt gut sei. Vielleicht können wir ja auch darüber diskutieren. Also:

Wesentlich ist doch die Frage, was Neuwahlen bringen könnten. Nachdem ja inzwischen eine hohe Zahl erfahrener Politiker - gleich ob zu recht oder nicht - mit Berufsverbot belegt ist, stellt sich die Frage, wer denn im Falle eines doch recht wahrscheinlichen Siegs des Thaksin-Lagers dann noch regieren könnte. So abgedroschen das auch klingt: Marionetten derer, die nicht regieren dürften. Denn nur mit der Unterstützung dieser erfahrenen aber verbotenen Politiker könnten alle diese Neulinge überhaupt einen Wahlkampf führen. Diese Unterstützung müssen sie hernach durch Gefügsamkeit honorieren, der Wählerauftrag dürfte nur untergeordnete Rolle spielen. Also bringen Neuwahlen in allernächster Zeit rein gar nichts ausser weiterhin anhaltenden Problemen.

Die Demokraten hingegen können nicht nur deshalb die Bedürfnisse der Isaan-Bevölkerung bei ihrer Politik keinesfalls ignorieren, weil die nächste Wahl bestimmt kommt, sondern doch vielmehr aufgrund der Wirtschaftskrise, die auch die besser gestellten Geschäftsleute in Bedrängnis gebracht hat. Momentan sitzen Alle in einem Boot; es gilt Thailand wieder auf die Beine zu bringen. Sicherlich ist da nicht viel Raum für eine Politik, die die Vermögensverhältnisse von Arm zu Reich verschiebt. Es gilt das ganze Boot vor dem (weiteren) Sinken zu bewahren.

Die Forderung der Rothemden nach unmittelbaren Wahlen halte ich für extrem schädlich für Thailand. Man sollte jetzt nicht miteinander streiten sondern gemeinsam den Karren aus dem Dreck zu ziehen versuchen. Die Karre geriet nicht durch den Einen oder den Anderen in Thailand in diesen Sumpf. Das war eine globale Entwicklung. Beide Seiten sind zu Opfern verpflichtet für eine gemeinsame Sache: das Wohl Thailands und nicht nur bestimmter Schichten etc. Man sollte die Demokraten erst mal regieren lassen und mithelfen, zu retten was zu retten ist, statt sie zu verteufeln und dem Land noch mehr zu schaden.
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koratwerner (†2012)
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Re: Neuwahlen???

Ungelesener Beitragvon koratwerner (†2012) » Di Dez 30, 2008 8:29 am

Denkst Du etwa an eine Koalition zwischen den beiden großen Machtblocks? Da müsste bei der sturen Mentalität der Politiker und deren Abhängigkeit von außerparlamentarischen Institutionen ein großes Wunder geschehen. Theoretisch ist das ja möglich, doch praktisch in diesem Land kaum vorstellbar. Wer könnte den Politikern überhaupt so eine Idee nahe bringen?

Werner
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Re: Neuwahlen???

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Di Dez 30, 2008 9:55 am

Abhistit Vejjajiva ist nun der dritte Premierminister in drei Monaten. Was bringt es, jeden Monat einen neuen zu "wählen". Der kann in dem einen Monat, bis er wieder Platz machen muss, ja gar nicht so viel anrichten. Die globale Rezession hat jedoch auch Thailand so viele Probleme beschert, mit denen sich ein PM beschäftigen müsste, die nicht auf die lange Bank geschoben werden können, denn es geht rasant bergab. Da von dem vordringlich zu lösenden Problem der Rezession sowohl Arm als auch Reich betroffen sind, kann ein PM in der jetzigen Situation die Befürchtung der Rothemden - nämlich eine Verschiebung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse von Arm zu reich - gar nicht realisieren.

Es wird immer eingeführt, der Konflikt bestehe zwischen der Landbevölkerung und der städtischen Elite in Bangkok. Dabei wird übersehen, dass Thailand ein Schwellenland ist, das sich bemüht, Industrieland zu werden. Und in einem Industrieland verdienen nun einmal nicht nur die Fabrikbesitzer sondern auch die Fabrikarbeiter. Wer sind die Fabrikarbeiter? Junge, aufgrund der Mechanisierung der Agrarwirtschaft freigestellte, Arbeitskräfte vom Land! Wohin mit ihnen, wenn "die städtische Elite" keine Fabriken führen kann, in denen sie Arbeit finden? In eine "Landwirtschaftliche Produktionsgemeinde", die mit Maschinen arbeitet, die von einem "Volkseigenen Betrieb" hergestellt wurden? Sicher gibt es da ständig Arbeit: jene Maschinen reparieren; das bringt Essen auf den Tisch!

Gleich, was er sonst an Menschenrechtsverletzungen verursacht und ob und wie er sich persönlich bereichert hat, Thaksin hatte einige gute Iniativen ins Leben gesetzt, wie z. B. die selbstverwalteten dörflichen Kleinkredite. (OTOP muss leider als Flop gesehen werden.) Mit dem Prinzip der Selbstverwaltung hat er die häufig nach Familienlinien denkenden und wählenden Leute dazu gebracht, sich an einen Tisch zu setzen und gemeinsam und füreinander Lösungen zu finden. Das hat Thailand nachhaltig verändert. Ein Abhisit Vejjajiva kann da auch nichts mehr dran ändern. Mit einer Behinderung der Regierung, sich den vordringlichen Problemen Aller in Thailand zu widmen, könnten die Rothemden diese Errungenschaft jedoch wieder verspielen. Viele in der Agrarwirtschaft im Isaan jetzt noch existenten Kleinbauern und deren Kinder werden wohl so oder so im Zuge der weiteren Mechanisierung der Landwirtschaft und der Industrialisierung des Landes in die Fabriken "abwandern", wo es ihnen dann doch am besten geht, wenn es noch mit Gewinn arbeitende Fabriken gibt.

Was bei der jetzigen Situation mit neuen Premierministern jeden Monat rauskommen kann, ist, dass das Militär sich dann doch noch gezwungen sieht, einen Diktator einzusetzen. Burma, wir kommen!

Zu den Wahlen selbst: Wo wählen denn alle die Fabrikarbeiter? Daheim im Isaan, wo sie angemeldet sind. Und wie wählen sie da? Wie sie es mit ihren Verwandten abgesprochen haben. Wie denen der größte und unmittelbarste Vorteil zu verschaffen ist. Wie die deren Stimme an einen lokalen Politiker bereits "Verkauft" haben, so abgedroschen es klingt. Wenn das Wahl- bzw. Meldesystem hier derart geändert würde, dass jeder dort wählt, wo er sich gewöhnlich aufhält bzw. dort gemeldet ist, würde wohl auch mehr dem Willen der Wähler entsprechend gewählt.
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