Im deutschen Wald gelingt Reissuppe nicht

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KoratCat
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Im deutschen Wald gelingt Reissuppe nicht

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Di Nov 15, 2011 7:54 am

Im deutschen Wald gelingt Reissuppe nicht


Einer Premiere kam die Veranstaltung am Sonntag im Rathaussaal gleich: Der thailändische Generalkonsul Chailert Limsomboon Glai Baan aus Frankfurt und José F. A. Oliver lasen aus den tagebuchähnlichen Aufzeichnungen des thailändischen Königs Rama V. Anlass der außergewöhnlichen Lesung war das 150-jährige Bestehen der thai-deutschen diplomatischen Beziehungen 1862 bis 2012, als Veranstalter zeichneten der thailändische Kulturverein "Ban Sänsuk", das LeseLenz-Kuratorium sowie die Stadt Hausach verantwortlich. Bürgermeister-Stellvertreter Udo Prange bezeichnete den thailändischen Verein als "Mosaikstein der Kultur in Hausach".

Der stellvertretende thailändische Generalkonsul aus Frankfurt, Jittipat Thongprasroeth, hielt die Einleitung und verwies auf die Leistungen Ramas V. Dieser regierte 1852 bis 1910 und besuchte anlässlich seiner beiden Europareisen auch Deutschland. Seine schriftstellerischen Eindrücke waren Gegenstand der Lesung, wobei José F. A. Oliver und Chailert Limsomboon Glai Baan abwechselnd thailändisch und deutsch den 64., 65. und 154. Brief des Königs an seine Tochter vorlasen.

Es handelt sich um minutiöse Reisebeschreibungen, und die Zuhörer, die sich im Rathaussaal dicht drängten, lauschten gebannt, wobei manch eine heitere Anekdote für gute Stimmung sorgte. Auch der Schwarzwald spielt bei den Reisebeschreibungen im 64. Brief eine Rolle. Rama V. beschreibt die gebirgige Landschaft voller Nadelbäume, Bäche, Flüsse und mal größeren, mal kleineren Siedlungen als "malerisch, reizend und elegant", mit "Tannenstämmen wie Säulen".

Dabei interessiert er sich für Details und schildert beispielsweise die Methodik des Anbaus von Weizen, Kartoffeln, Gemüse und Obst und die mühevolle Handarbeit der damaligen Zeit – ohne Maschinen, lediglich mit Rindern und Pferden als Hilfe. Der 65. Brief wiederum hat den Kuraufenthalt in Baden-Baden zum Gegenstand, wobei sich der König unter die Einheimischen mischt und am gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Sogar seinen Namen hat er dem Brief zufolge in Eichen eingeritzt.

Doch die Reise zog ihn weiter, etwa nach Heidelberg, Karlsruhe und Frankfurt. Erheiternd sind die Anmerkungen zur modernen Malerei, die der Schreibende als "gekleckert und gekritzelt" beschreibt, was, so das Urteil bei der Lesung, "äußerst bedenklich" sei.

In den Briefen zieht der Reisende immer wieder Parallelen zur thailändischen Heimat. Nur eines gefiel ihm in Deutschland gar nicht: das Essen. "Zu fett und zu süß" lautet der Kommentar im 154. Brief, bei dem Bad Homburg die Kulisse bildete. In diesem Brief wird auch der Versuch beschrieben, im Wald eine echte thailändische Reissuppe zu kochen – ein Versuch, der gründlich fehlschlägt. Doch mit dieser Passage bekommt die Europareise des Königs eine abenteuerliche Note, wenn er sich schließlich auch wieder an den gedeckten Tisch setzen muss, um das fette, süße Essen zu sich zu nehmen.

Nach der Lesung blieb der Eindruck eines interessierten, aufgeschlossenen und wissbegierigen Monarchen aus Thailand zurück, der seine Umwelt mit offenen Augen aufmerksam betrachtete. Die Lesung schließlich, an der thailändische und viele deutsche Gäste teilnahmen, war sicher dazu angetan, um das Band beider Länder in Hausach weiter zu festigen.

Schwarzwälder Bote
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