Film: „Uncle Boonmee“ ist eine Traumreise

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KoratCat
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Film: „Uncle Boonmee“ ist eine Traumreise

Ungelesener Beitragvon KoratCat » Mo Sep 27, 2010 8:59 am

Film: „Uncle Boonmee“ ist eine Traumreise

dpa Boonmee (Thanapat Saisaymar) verabschiedet sich von seiner Frau Huay (Natthakarn Aphaiwonk). (Bild: Sayombhu Mukdeeprom / Illumination films (past lives) & kickthemachine)
Folgt man der Auffassung von Altmeister-Regisseur Jean-Luc Godard, ist es die Aufgabe des Films, nie zuvor Gesehenes auf die Leinwand zu bannen. Dem thailändischen Autorenfilmer Apichatpong Weerasethakul ist dies mit Sicherheit gelungen: Sein Meisterwerk „Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben“ handelt von Affengöttern, Geistern und hungrigen Tieren.
Ein Büffel zerreißt seine Fesseln und verschwindet im Urwald, ein verlorener Sohn kehrt als glutäugiges Affenwesen in sein Elternhaus zurück, eine hässliche Prinzessin gibt sich in einem einsamen See einem verliebten Fisch hin. Nie leuchtete der Urwald so smaragdgrün, nie war die Begegnung mit dem Übernatürlichen entspannter, nie das Alltägliche so meditativ.

„"Uncle Boonmee“ ist eine Hommage an meine Heimat“, erklärt der Regisseur, „aber auch an eine besondere Art Kino, mit der ich aufgewachsen bin. Ich glaube an Seelenwanderungen zwischen Mensch und Tier, zugleich überwindet sie die Linie, die beide trennt.“ Thematisch wie filmisch hat Weerasethakul damit ein eigenes Kunst- Universum entwickelt, das sich jeder Einordnung entzieht. Märchenhaftes, Surreales verbindet sich mit banalem Alltag. Handlung wird unwichtig, die Zeit erscheint gedehnt, fast dokumentarisch anmutende Szenen wechseln sich mit zauberhaften Stimmungsbildern und staunenswerter Bildkomposition ab.

Uncle Boonmee leidet an Nierenversagen. Er fährt mit seiner Schwägerin und einem Pfleger auf sein Landgut, um dort seine letzten Tage zu verbringen. Vergangenheit und Zukunft öffnen sich. Boonmees verstorbene Frau erscheint, um sich um ihn zu kümmern. Sein verschollener Sohn, verwandelt in einen haarigen Affen- Geist, philosophiert über Fotografie. Die Familie bricht zu einem Ausflug in den Dschungel auf, zu einer geheimnisvollen Höhle. Boonmee erkennt in dieser Höhle seinen Wiedergeburtsort – hier wurde er vor einer Ewigkeit wiedergeboren, als Mensch oder als Tier.

Inzwischen international beachtet, haben die Kunstprojekte des thailändischen Künstlers Weerasethakul vielfache Anerkennung gewonnen. Das Haus der Kunst München zeigte 2009 die Installation „Primitive“, das Filmmuseum München und das Österreichische Filmmuseum widmeten dem Regisseur ebenfalls 2009 Retrospektiven, und das Österreichische Filmmuseum hat das erste Buch außerhalb Thailands zu seinem Werk herausgegeben. Bisher wurden auch alle Filme des Ausnahmekünstlers preisgekrönt.
„Tropical Malady“ beispielsweise bekam beim Filmfest Cannes den Preis der Jury und „Uncle Boonmee“ erhielt in diesem Jahr als bisherige Krönung von Weerasethakuls filmischem Schaffen die Goldene Palme. Alle drei Spielfilme handeln vom existenziell Kreatürlichen, appellieren ans Gefühl und verweigern sich einer rationalen Sinngebung. Auch „Uncle Boonmee“ ist in dieser Hinsicht eine Herausforderung für den Zuschauer – von dem genaues Hinsehen verlangt wird, Unvoreingenommenheit sowie die Bereitschaft, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben.

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