"Fass mich an – Warum Berührung so wichtig ist"
Verfasst: Do Jul 14, 2016 9:09 am
Was passiert, wenn ein Mensch einen anderen berührt
Jeder Dritte in Deutschland vermisst Geborgenheit und würde gern öfter umarmt werden. Warum ist das so wichtig? Eine Dokumentation erklärt, was im Körper passiert, wenn wir von anderen berührt werden.
Berührungen machen glücklich: Jeder dritte Deutsche würde gerne öfter in den Arm genommen werden.
Plötzlich steht dieser wildfremde Mann vor Ihnen. Schaut ganz freundlich. "Darf ich Sie mal in den Arm nehmen?", fragt er. Paul Amberg ist ein Mensch auf der Suche. Er fühlt für die "ZDFzoom"-Doku "Fass mich an … – Warum Berührung so wichtig ist!" vor, wie das ist mit dem Anfassen fremder, verwandter, geliebter Menschen, und fragt, wofür es eigentlich gut ist, sich gegenseitig zu berühren. Seine Reise in die Welt des Körperkontakts führt ihn bis in die USA.
Der Titel ist Programm, denn er findet nur gute Gründe, sich berühren zu lassen. Negative Auswirkungen ungewollten Anfassens sind nur als Umkehrschluss aus dem herauszulesen, was er von Wissenschaftlern, Psychologen und Ärzten erfahren hat.
Die Thesen des halbstündigen Films: Jeder Dritte in Deutschland würde gern öfter in den Arm genommen werden, viele erleben ein Defizit an Wärme und Geborgenheit. Eine der Leitfragen ist, welchen Schaden es anrichtet, wenn Berührungen fehlen in einem Lebensalltag, der zu oft vom Abgleiten in virtuelle Smartphone-Welten bestimmt ist.
Wem körperliche Nähe zu viel ist, der sollte hier abschalten. Oder erst recht dran bleiben. Denn man kann vielleicht doch auf den Geschmack kommen.
Leipzig ist die erste Station. Auf der Kuschelparty wird organisiert geknuddelt. Wer hier Schmuddeliges vermutet, liegt falsch.
Anfassen, massieren, eng aneinanderdrücken mit verbundenen Augen ist erlaubt. Doch nur voll bekleidet, erogene Zonen sind tabu. No Sex. "Berührung ist immer gekoppelt an sexuelle oder Eltern-Kind-Begegnungen", sagt die Veranstalterin.
Hier jedoch fassen sich Fremde an, es geht um Geborgenheit und Entspannung. "Nach sechs Stunden Kuschelparty gibt es einen Endorphinschub sondergleichen, der einen durch die nächsten Tage trägt", erzählt Teilnehmer Anders. Ist das normal?
Quickies bringen nichts
"Ja!" Der Psychologe Dr. Martin Grunwald, der das Haptik-Forschungslabor an der Universität Leipzig leitet, weiß, dass Berührungen zu positiven körperlichen und seelischen Veränderungen führen, was sich, wie er sagt, neurophysiologisch nachweisen lässt. Amberg startet den Selbstversuch und lässt die elektrischen Ströme im Gehirn während und nach einer Rückenmassage messen.
Der Berührungsatlas Wer uns wo anfassen darf - und wer nicht
Was dabei passiert, erklärt Grunwald so: Rezeptoren auf der Haut werden durch großflächige Deformation, das kann eine Umarmung sein oder eben eine Massage, erregt. "Ein gigantischer biochemischer Strom erreicht das Gehirn." Dort werden verschiedene Neurotransmitter und Hormone produziert, die den Herzschlag langsamer werden, die Muskulatur entspannen und den Stresspegel sinken lassen. So weit, so technisch.
Dieses Wissen hilft, die Behandlungsmethoden des Leiters der Bremer Schreiambulanz Thomas Harms zu verstehen. Berührung ist hier Therapie, die Fortsetzung des Geborgenheitsgefühls, das ein Baby als Urerfahrung aus dem Mutterleib mitbringt. "Es gibt Fast Food und Slow Food auch auf der Berührungsebene", sagt er. "Wir brauchen Slow Food." Und zwar Kinder wie Erwachsene. Anfassen als Heilmittel?
Online-Massage aus der Internet-Apotheke
Ein Besuch in Miami, USA, ja so was gibt es, Touch Research Institute. Dr. Tiffany Field untersucht die heilende Wirkung von Massagen. An Frühchen findet sie heraus: Massieren regt eine bessere Verdauung an und setzt Wachstumshormone frei.
Bei erwachsenen Patienten mit Arthritis und Rückenschmerzen helfe es, in einen tiefen Schlaf zu finden, der entscheidend sei, um schmerzfrei zu werden. Sie ist davon überzeugt, dass durch Berührungen Krankheiten vorgebeugt werden kann, aber auch davon, "dass wir unterberührt sind".
Eventuell ändert sich das durch die Forschung von Yon Visell, Direktor des RE Touch Lab an der Universität Santa Barbara. Das ZDF lässt sich zeigen, wie eine Berührung in elektromagnetische Impulse umgewandelt wurde, Berührungsmuster aufgezeichnet und wieder abgespielt werden können.
Redakteur Amberg wird mithilfe von Elektroden das Gefühl einer Berührung auf die Hand übertragen: "Als ob man mit drei Fingern auf den Tisch klopft." Vielleicht, so Visell, kann man in 30 Jahren Umarmungen über das Internet übertragen oder Massagen aus der Onlineapotheke. Fernbeziehungen könnte es auf jeden Fall erleichtern.
Bis dahin muss, wer's will, offline kuscheln. So wie Amberg und die Passantinnen auf der Straße. Die dritte fand das "wunderbar, eine Streicheleinheit am Tag hat man immer gern"! Aber bitte ganz slow.
"ZDFzoom", "Fass mich an … – Warum Berührung so wichtig ist!", Mittwoch, 13. Juli 2016, 22.45 Uhr
© WeltN24 GmbH 2016. Alle Rechte vorbehalten
Jeder Dritte in Deutschland vermisst Geborgenheit und würde gern öfter umarmt werden. Warum ist das so wichtig? Eine Dokumentation erklärt, was im Körper passiert, wenn wir von anderen berührt werden.
Berührungen machen glücklich: Jeder dritte Deutsche würde gerne öfter in den Arm genommen werden.
Plötzlich steht dieser wildfremde Mann vor Ihnen. Schaut ganz freundlich. "Darf ich Sie mal in den Arm nehmen?", fragt er. Paul Amberg ist ein Mensch auf der Suche. Er fühlt für die "ZDFzoom"-Doku "Fass mich an … – Warum Berührung so wichtig ist!" vor, wie das ist mit dem Anfassen fremder, verwandter, geliebter Menschen, und fragt, wofür es eigentlich gut ist, sich gegenseitig zu berühren. Seine Reise in die Welt des Körperkontakts führt ihn bis in die USA.
Der Titel ist Programm, denn er findet nur gute Gründe, sich berühren zu lassen. Negative Auswirkungen ungewollten Anfassens sind nur als Umkehrschluss aus dem herauszulesen, was er von Wissenschaftlern, Psychologen und Ärzten erfahren hat.
Die Thesen des halbstündigen Films: Jeder Dritte in Deutschland würde gern öfter in den Arm genommen werden, viele erleben ein Defizit an Wärme und Geborgenheit. Eine der Leitfragen ist, welchen Schaden es anrichtet, wenn Berührungen fehlen in einem Lebensalltag, der zu oft vom Abgleiten in virtuelle Smartphone-Welten bestimmt ist.
Wem körperliche Nähe zu viel ist, der sollte hier abschalten. Oder erst recht dran bleiben. Denn man kann vielleicht doch auf den Geschmack kommen.
Leipzig ist die erste Station. Auf der Kuschelparty wird organisiert geknuddelt. Wer hier Schmuddeliges vermutet, liegt falsch.
Anfassen, massieren, eng aneinanderdrücken mit verbundenen Augen ist erlaubt. Doch nur voll bekleidet, erogene Zonen sind tabu. No Sex. "Berührung ist immer gekoppelt an sexuelle oder Eltern-Kind-Begegnungen", sagt die Veranstalterin.
Hier jedoch fassen sich Fremde an, es geht um Geborgenheit und Entspannung. "Nach sechs Stunden Kuschelparty gibt es einen Endorphinschub sondergleichen, der einen durch die nächsten Tage trägt", erzählt Teilnehmer Anders. Ist das normal?
Quickies bringen nichts
"Ja!" Der Psychologe Dr. Martin Grunwald, der das Haptik-Forschungslabor an der Universität Leipzig leitet, weiß, dass Berührungen zu positiven körperlichen und seelischen Veränderungen führen, was sich, wie er sagt, neurophysiologisch nachweisen lässt. Amberg startet den Selbstversuch und lässt die elektrischen Ströme im Gehirn während und nach einer Rückenmassage messen.
Der Berührungsatlas Wer uns wo anfassen darf - und wer nicht
Was dabei passiert, erklärt Grunwald so: Rezeptoren auf der Haut werden durch großflächige Deformation, das kann eine Umarmung sein oder eben eine Massage, erregt. "Ein gigantischer biochemischer Strom erreicht das Gehirn." Dort werden verschiedene Neurotransmitter und Hormone produziert, die den Herzschlag langsamer werden, die Muskulatur entspannen und den Stresspegel sinken lassen. So weit, so technisch.
Dieses Wissen hilft, die Behandlungsmethoden des Leiters der Bremer Schreiambulanz Thomas Harms zu verstehen. Berührung ist hier Therapie, die Fortsetzung des Geborgenheitsgefühls, das ein Baby als Urerfahrung aus dem Mutterleib mitbringt. "Es gibt Fast Food und Slow Food auch auf der Berührungsebene", sagt er. "Wir brauchen Slow Food." Und zwar Kinder wie Erwachsene. Anfassen als Heilmittel?
Online-Massage aus der Internet-Apotheke
Ein Besuch in Miami, USA, ja so was gibt es, Touch Research Institute. Dr. Tiffany Field untersucht die heilende Wirkung von Massagen. An Frühchen findet sie heraus: Massieren regt eine bessere Verdauung an und setzt Wachstumshormone frei.
Bei erwachsenen Patienten mit Arthritis und Rückenschmerzen helfe es, in einen tiefen Schlaf zu finden, der entscheidend sei, um schmerzfrei zu werden. Sie ist davon überzeugt, dass durch Berührungen Krankheiten vorgebeugt werden kann, aber auch davon, "dass wir unterberührt sind".
Eventuell ändert sich das durch die Forschung von Yon Visell, Direktor des RE Touch Lab an der Universität Santa Barbara. Das ZDF lässt sich zeigen, wie eine Berührung in elektromagnetische Impulse umgewandelt wurde, Berührungsmuster aufgezeichnet und wieder abgespielt werden können.
Redakteur Amberg wird mithilfe von Elektroden das Gefühl einer Berührung auf die Hand übertragen: "Als ob man mit drei Fingern auf den Tisch klopft." Vielleicht, so Visell, kann man in 30 Jahren Umarmungen über das Internet übertragen oder Massagen aus der Onlineapotheke. Fernbeziehungen könnte es auf jeden Fall erleichtern.
Bis dahin muss, wer's will, offline kuscheln. So wie Amberg und die Passantinnen auf der Straße. Die dritte fand das "wunderbar, eine Streicheleinheit am Tag hat man immer gern"! Aber bitte ganz slow.
"ZDFzoom", "Fass mich an … – Warum Berührung so wichtig ist!", Mittwoch, 13. Juli 2016, 22.45 Uhr
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