Achtsamkeit: Im Hier und Jetzt leben

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Rudi (†2019)
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Achtsamkeit: Im Hier und Jetzt leben

Ungelesener Beitragvon Rudi (†2019) » So Nov 16, 2014 12:35 pm

Achtsamkeit: Im Hier und Jetzt leben „Es gibt nichts außer diesem Moment“

Unter „Achtsamkeit“ versteht man die Fähigkeit, im Augenblick verweilen und ihn dadurch intensiv erleben und genießen zu können. Leider ist diese Fähigkeit heute offenbar eher die Ausnahme als die Regel. So leiden immer mehr Menschen darunter, in Gedanken überall zu sein, nur nicht im Hier und Jetzt, also im Augenblick, den sie gerade leben.
Ständig bedenken sie schon die nächsten Aufgaben, setzen sie sich im Geiste mit erwarteten Widrigkeiten auseinander. Ob diese je eintreffen, steht dabei auf einem anderen Blatt.
Wieder andere hadern mit der Vergangenheit, spulen innerlich immer wieder in der Vergangenheit erlebte Szenen vor ihrem inneren Auge ab, überlegen, was sie hätten besser machen können oder ärgern sich darüber, was andere ihnen angetan haben.

Allen diesen Personen ist eines gemeinsam: Sie versäumen den Augenblick und damit das tatsächliche Leben. Denn innerlich sind sie überall, nur nicht dort, wo das Leben gerade stattfindet. Ähnliche Phänomene findet man bei Menschen, die vieles gleichzeitig machen (z. B. Essen und Lesen. Oder Bügeln, Telefonieren, Fernsehschauen und gleichzeitig auf die Kinder aufpassen. Oder gleichzeitiges Autofahren, Radiohören, Telefonieren und die Arbeit planen). Mit allen Sinnen richtig „dabei“ sind diese Zeitgenossen jedoch kaum.
Wie wollen sie sich gut fühlen, wenn sie gleichzeitig (innerlich) abwesend sind? Viel zu selten im Hier und Jetzt sind leider auch viele Kranke, die mit unheilbaren Leiden kämpfen.
Weil sie in Gedanken immer schon bei der nächsten Untersuchung sind und von dieser Schlimmes befürchten, können sie den Augenblick nicht wahrnehmen und erst recht nicht genießen.

Die Empfehlung, „achtsam zu leben“ (engl. to live mindful) und den Augenblick mit allen Sinnen wahrzunehmen und zu genießen, hat eine lange Tradition. Sie klingt in der Erzählung vom buddhistischen Mönch an, der auf der Flucht vor einem hungrigen Tiger an einem Abgrund gelangt, wo er sich an einem Busch festhält und hinunterzuklettern versucht. Plötzlich sieht er, dass nicht nur über ihm, sondern auch unter ihm ein hungriger Tiger mit aufgerissenem Rachen wartet. Während die Pflanzen, an denen er sich festhält, langsam reißen, entdeckt er in dieser absolut ausweglosen Situation neben sich eine reife und prächtig wirkende Erdbeere. Er pflückt diese und genießt sie entspannt.

Das für westliche Menschen nur schwer vorstellbare Verhalten veranschaulicht, was es bedeuten kann, im Augenblick zu leben: Der Augenblick selbst ist eher selten gefährlich, meist „in Ordnung“ und bietet mehr Genuss- und Erlebnismöglichkeiten, als wir uns je vorstellen können. Dramatisch sind vor allem unsere auf die Zukunft gerichteten Befürchtungen (hier: die wartenden Tiger) und die Erinnerung an Zurückliegendes (hier: die bisherige Flucht). Der Augenblick selbst ist meist „neutral“ und beinhaltet in aller Regel mehr Chancen als Gefahren, er ist selten ein „Problem“. Menschen, die den Augenblick wahrnehmen und genießen können, wirken meist erstaunlich entspannt. Dazu passt die fast paradox
klingende Erfahrung, dass Personen, die dem Tod nur knapp entrinnen konnten (sog. Nahtod-Erfahrungen), oft darüber berichten, dass sie sich in dieser Situation eindrucksvoll ruhig und friedlich gefühlt hätten. Vielleicht wird ein solches Erleben möglich, weil man sich im Moment der Todesgefahr notgedrungen auf den Augenblick konzentriert und Zukunft und Vergangenheit vorübergehend bedeutungslos werden.

Wie es sich anfühlt und mit welchen Bewusstseins- und Erlebnisqualitäten es verbunden ist, im Augenblick zu leben, erfahren besonders im Spiel versunkene Kinder oder Menschen beim Liebesakt. In beiden Situationen gibt es für die Beteiligten nur den Moment, sind alle Sinne und Gedanken auf dessen Wahrnehmung und Genuss gerichtet, geht es nur um „Sein“ und nicht um „Erreichen“. Wer dies nicht kann, sondern mit seinen Gedanken immer schon einen Schritt voraus ist und darauf ist, etwas zu „erreichen“, wird in aller Regel die mit Spiel und Sexualität verbundene Freude nur zu einem Bruchteil ausschöpfen können (Beispiel: Die Sexualität wird ganz dem Ziel untergeordnet, einen Orgasmus auszulösen, so dass
der Weg dahin nicht mehr als eigenständiger Genuss erlebt werden kann). Manchmal schafft man es, auch bei anderen Tätigkeiten achtsam zu sein. Glücksforscher beschreiben diesen Zustand, bei dem man sich mit der augenblicklichen Situation in Einklang fühlt, alles wie von selbst zu „fließen“ scheint, als „Flow“ oder „Kohärenz“.

Wie kann man es nun angehen, „achtsamer“ ( augenblicksbezogener) zu leben? Dies ist vor allem dann leichter gesagt als getan, wenn man die uns ursprünglich zugängliche Lebenskunst bereits regelrecht verlernt hat und Appelle zu mehr „Achtsamkeit“ als „Spinnerei von Esoterikern“ oder „etwas für Psychosofties“ abtut. Wer so argumentiert, dokumentiert damit nur die eigene Unsicherheit und verkennt, dass Achtsamkeit in der Behandlung psychischer Leiden mittlerweile einen hohen Stellenwert erlangt hat.
Letzteres liegt daran, dass viele psychische Beschwerden (z. B. Depressionen, Ängste) mit Achtsamkeit unvereinbar sind. Wer es als depressiver oder ängstlicher Mensch schafft, nachhaltig achtsam zu leben, hat damit möglicherweise schon den entscheidenden Schritt zur Überwindung seines seelischen Leidens getan.

Wenn Sie folgende Empfehlungen umsetzen, werden Sie vermutlich ein deutliches Stück auf dem Weg zu mehr Achtsamkeit (Wahrnehmung und Wertschätzung des Augenblicks, also mehr Lebensgenuss) vorankommen:

1. Konzentrieren Sie sich möglichst oft (mindestens zwei- bis dreimal am Tag!) ganz auf den Augenblick. Sagen Sie störenden Gedanken oder Impulsen, die Sie auf Vergangenes oder Künftiges lenken wollen, ein energisches „Stopp!“. Falls dies (noch) nicht klappt, können Sie die Gedanken auch kommen oder gehen lassen (als wären es fremde Passanten, mit denen nichts zu tun haben), aber folgen sie den Gedanken nicht! Kommen Sie in diesem Moment Ihres Lebens an und erleben Sie den damit verbundenen Frieden. Hören Sie auf, sofort immer dem nächsten Ziel nachzujagen. Näher als im Augenblick, werden Sie Ihrem Glück nie kommen. Erwartungen wie „Wenn ich erst einmal..., dann...“ sind eine Illusion.

2. Nehmen Sie das an, was Ihnen das Leben gerade bietet. Klagen Sie nicht über noch Fehlendes und träumen Sie nicht von Besserem. Zur Klarstellung: Es geht nicht darum, Sie für ein ausschließliches „Leben im Augenblick“ zu gewinnen (nach dem Motto „Alles andere ist mir egal“). Glücklicherweise sind wir Menschen ja auch in der Lage, zu planen und für Künftiges Vorsorge zu treffen, also unser Überleben in dieser Welt zu sichern. Dieser Text möchte Sie zu einer ausgewogenen „Balance“ zwischen beidem einladen und motivieren: zwischen Eigen- und Fremdanforderungen an unsere Person einerseits und ein Optimum an Achtsamkeit andererseits.

Was Sie von der mometanen Zufriedenheit abhält, sind vor allem Ihre Vorstellungen davon, wie etwas zu sein hat. Lassen Sie wenigstens zeitweise alles los, was Sie innerlich belastet, und schließen Sie Frieden mit sich und Ihren Mitmenschen. Wertschätzen und genießen Sie, was Ihnen schon jetzt verfügbar ist. Strampeln Sie nicht immer gegen alle möglichen Widrigkeiten.

Pausieren Sie mit pausenlosen Anstrengungen. Lassen Sie sich auch einmal mit der Strömung des Lebens treiben. Glück ist nur jetzt erlebbar und nicht im Hoffen auf eine ferne Zukunft oder im Erinnern an Vergangenes. Wenn Sie sich auf den Augenblick einlassen, werden Sie mehr erhalten – nicht, weil Ihnen mehr gegeben wird, sondern weil Sie selbst mehr ZULASSEN!

3. Suchen Sie sich aus dem momentanen Augenblick etwas aus (eine Pflanze, eine Landschaft, einen Menschen, eine Stimmung, eine Szene), in das Sie sich mit allen Sinnen vertiefen.
Setzen Sie wirklich alle Sinne ein, um zum momentanen Augenblick in „vollen Kontakt“ zu treten. Gönnen Sie sich dafür jeden Tag ausreichend Zeit (mindestens 10 bis 15 Minuten).

4. Entdecken Sie Ihre Sinne neu: Atmen Sie langsam und bewusst die frische Morgenluft ein. Spüren Sie, in welche Teile Ihres Körpers der Atem fließt. Gehen Sie öfter barfuß, um den Boden und seine unterschiedliche Beschaffenheit zu spüren. Verzehren Sie Speisen achtsamer, indem Sie langsamer und genussvoller essen und auf die Vielfalt der Geschmacksqualitäten achten. Unterscheiden Sie die Vielfalt der Sie umgebenden Geräusche. Erleben Sie bewusst „Stille“. Entdecken Sie die „Fülle des Lebens“.

5. Betrachten und wertschätzen Sie Ihre Sinne als „Kontaktorgan“ zur Realität. Im Zustand der Achtsamkeit sind wir dank unserer Sinne mit dem Leben in Kontakt, erscheint unser Leben „sinn-voll“ und stimmig ( kohärent - auf die übrige Welt bezogen) und fühlen wir uns nicht mehr einsam. Genießen Sie es, mit allem „verbunden“ zu sein.

6. Lassen Sie sich, egal wie alt Sie sind, auf „Spielen“ ein, ohne Sinn und Nutzen zu hinterfragen. Üben Sie dadurch, im Hier und Jetzt zu bleiben und das wahrzunehmen, was gerade ist, und nicht das, was Sie eigentlich noch gerne hätten.

7. Schalten Sie in der Sexualität vor allem dann Ihren Kopf aus, wenn dieser ihr Verhalten oder das des Partners bzw. der Partnerin „kommentiert“ oder bewertet. Denn ein Kommentator ist immer ein „Außenstehender“, also jemand, der gerade nicht „selbst dabei ist“. Treten Sie weniger durch Gedanken als durch Ihre Sinne zu Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin in Kontakt.

8. Vergleichen Sie sich nicht mit anderen. Sobald Sie sich vergleichen, verlassen Sie den „erlebten Moment“ und begeben sich auf eine abstrakte Ebene. Nehmen Sie Ihr Gegenüber so wahr, wie er oder sie nun mal zu sein scheint und lassen Sie sich auf genau diese Person ein und nicht auf das Bild, was Sie von dem oder der Betreffen vielleicht lieber hätten. Machen Sie sich bewusst und akzeptieren sie, dass jeder Mensch den Augenblick anders erlebt und dass es dafür kein „richtig“ oder „falsch“ (sprich: einen Maßstab) gibt.

9. Nehmen Sie Zeitdruck als einen Hauptfeind der Achtsamkeit wahr. Beide sind un-ereinbar. Auch endlose „To do“-Listen und ein pausenlos kommentierender „innerer Kritiker“ geben der Achtsamkeit kaum eine Chance. Da wo Achtsamkeit gelebt wird, verlieren „To do“-Listen und innere kritische Stimmen automatisch an Bedeutung.

10. Orientieren Sie sich an „Genusstrainings“. Denn Genuss setzt Achtsamkeit voraus. Anregungen finden Sie in Büchern. Auch die Wellness-Industrie entwickelt und bewirbt ständig neue Möglichkeiten. Klassische Genuss-Quellen sind beispielsweise Spaziergänge, Bäder, Massagen, Sonnenbäder, Aromen und Musik.

11. Trainieren Sie sich darin, „Selbstverständliches“ oder „Altvertrautes“ neu kennen zu lernen. Hier hilft die sog. Rosinenübung, bei der man eine Rosine erst betrachtet, sie dann betastet, mit ihr im Mund spielt, sie dann Minuten lang zerkaut und dabei bewusst schmeckt (während man sie früher oft „unachtsam“ hinunterschluckte). In aller Regel ist man bei dieser Neuentdeckung der Rosine überrascht, wie vielseitig die winzige Frucht ist und welche unterschiedlichen Erlebnismöglichkeiten ein achtsamer Umgang mit ihr eröffnet.

12. Eine Haltung von „Dankbarkeit“ erleichtert es uns, den Augenblick wahrzunehmen und zu schätzen. Fragen Sie sich daher am Ende eines jeden Tages, wofür Sie heute dankbar sein dürfen, was Ihnen das Schicksal oder Gott (wie immer Sie es sehen oder nennen wollen) an Gutem geschenkt hat.


Wenn Sie am Abend eines Tages von sich sagen können „Heute war ein gelungener Tag, ich fühle mich mit mir und der Welt im Einklang – ich hätte den Tag kaum besser verbringen können“, haben Sie mit Sicherheit auch Achtsamkeit gelebt.

Quelle: Achtsamkeit-Mueck

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